Asyl, Asylpolitik

In Luxemburg verhandeln die EU-Innenminister über eine Asylreform.

08.06.2023 - 16:56:21

Verhandlungen über EU-Asylreform gestalten sich schwierig. Etliche Mitgliedsstaaten fordern, die umstrittenen Pläne nachzubessern. Auch Deutschland ist nicht mit allen Vorschlägen einverstanden.

  • Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) will, dass Familien mit kleinen Kindern nicht in das vorgesehene Grenzverfahren kommen. - Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

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  • Eine Gruppe maghrebinischer Migranten wartet am Hafen in Malaga, nachdem sie von der spanischen Küstenwache im Mittelmeer gerettet wurde. - Foto: Jesus Merida/SOPA Images via ZUMA Wire/dpa

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Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) will, dass Familien mit kleinen Kindern nicht in das vorgesehene Grenzverfahren kommen. - Foto: Bernd von Jutrczenka/dpaEine Gruppe maghrebinischer Migranten wartet am Hafen in Malaga, nachdem sie von der spanischen Küstenwache im Mittelmeer gerettet wurde. - Foto: Jesus Merida/SOPA Images via ZUMA Wire/dpa

In den Verhandlungen über eine weitreichende Reform des EU-Asylsystems hat es bis zum Donnerstagnachmittag keine Einigung gegeben. Bei einem Innenministertreffen in Luxemburg forderten am Vormittag etliche EU-Staaten Nachbesserungen an den auf dem Tisch liegenden Vorschlägen. Weil diese in sehr unterschiedliche Richtungen gingen, ist noch unklar, ob am Ende eine ausreichend große Mehrheit für die Annahmen der Vorschläge zustande kommt. Die Gespräche dauern an.

Länder wie Österreich und die Niederlande machten bei dem Treffen deutlich, dass ihnen ein Teil der vorgesehenen Regeln für einen effizienteren Kampf gegen illegale Migration nicht weit genug geht. Andere Staaten wie Deutschland forderten hingegen Abschwächungen. So wollte die Bundesregierung nicht akzeptieren, dass Familien mit Kindern nach einem illegalen Grenzübertritt unter haftähnlichen Bedingungen in Asyl-Schnellverfahren kommen könnten.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte: «Wir haben an einer Stelle noch ein echtes Problem aus deutscher Sicht, denn wir wollen den Schutz der Kinder, der Familien mit Kinder in dem Grenzverfahren.» Dies sei ein humanitäres Anliegen und auch im Sinne der Kinderrechtskonvention.

Zustimmung aus Rom nötig

Italiens Regierung erklärte, sie halte die geplanten Regelungen für mehr Solidarität noch für unzureichend und wolle in manchen Bereichen mehr Flexibilität. Die Asylreform ohne Unterstützung der Regierung in Rom auf den Weg zu bringen, gilt als wenig sinnvoll, da in dem Land derzeit die meisten Migranten ankommen und die EU darauf angewiesen ist, dass sich Italien an die neuen Regeln hält.

Über eine Reform des EU-Asylsystems wird seit Jahren gerungen. Nach langen Verhandlungen hatte die derzeitige schwedische EU-Ratspräsidentschaft zuletzt auf Basis von Vorschlägen der EU-Kommission neue Entwürfe für Gesetzestexte vorgelegt. Sie sehen insbesondere einen deutlich rigideren Umgang mit Migranten ohne Bleibeperspektive vor.

So sollen ankommende Menschen aus als sicher geltenden Ländern künftig nach dem Grenzübertritt unter haftähnlichen Bedingungen in streng kontrollierte Aufnahmeeinrichtungen kommen. Dort würde im Normalfall innerhalb von zwölf Wochen geprüft werden, ob der Antragsteller Chancen auf Asyl hat. Wenn nicht, soll er umgehend zurückgeschickt werden. Zudem soll die Überwachung und Abschiebung abgelehnter Asylsuchender erleichtert werden - zum Beispiel, in dem mehr Daten über sie gesammelt und zentral gespeichert werden.

Länder wie Ungarn sind gegen die Pläne

Neben den verschärften Asylverfahren sehen die Vorschläge auch mehr Solidarität mit den stark belasteten Mitgliedstaaten an den EU-Außengrenzen vor. Sie soll künftig nicht mehr freiwillig, sondern verpflichtend sein. Länder, die keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, würden zu Ausgleichszahlungen gezwungen werden. Länder wie Ungarn stimmten deswegen gegen den Plan.

Von der Pflicht zur Solidarität könnten beispielsweise Länder wie Italien profitieren. Nach Angaben des UN-Flüchtlingskommissariats wurden in Italien in diesem Jahr bereits mehr als 50.000 Migranten registriert, die über das Mittelmeer kamen. Die meisten von ihnen kamen aus Tunesien, Ägypten und Bangladesch und hatten damit so gut wie keine Aussichten auf eine legale Bleibeperspektive.

An der Reform wird bereits seit der Flüchtlingskrise 2015/2016 intensiv gearbeitet. Damals waren Länder wie Griechenland mit einem Massenzustrom an Menschen aus Ländern wie Syrien überfordert und Hunderttausende konnten unregistriert in andere EU-Staaten weiterziehen. Dies hätte eigentlich nicht passieren dürfen, denn nach der sogenannten Dublin-Verordnung sollen Asylbewerber da registriert werden, wo sie die Europäische Union zuerst betreten haben. Dieses Land ist in der Regel auch für den Asylantrag zuständig.

Faeser: «Schengen-Raum in Gefahr»

Faeser warnte in Luxemburg, dass bei einem Scheitern der Reform auch das grenzkontrollfreie Reisen zwischen europäischen Staaten in Frage gestellt werden könnte. «Wenn es heute nicht gelingt, dann ist der Schengen-Raum in Gefahr», sagte sie. Zu befürchten sind ihr zufolge nationalstaatliche kleinteilige Grenzschließungen. Das könnte man unmöglich wollen, sagte sie.

Aus den Reihen der deutschen Grünen kam jedoch weiter Kritik an dem Reformvorschlag. Der Bundestagsabgeordnete Julian Pahlke sagte: «Die Reform schafft keine faire Teilung von Verantwortung, das ist für Staaten wie Italien ein zentrales Problem.» Auch wären die Regelungen zur Verteilung von Geflüchteten wirkungslos, «wenn Staaten sich einfach rauskaufen können und stattdessen Grenzschutz finanzieren». Damit würden «überfüllte Massenlager» zum neuen Standard - dem dürfe Faeser nicht zustimmen. Mit Blick auf Faesers Spitzenkandidatur in Hessen sagte Pahlke, die Bundesinnenministerin müsse das Wohl Flüchtender im Blick haben und nicht die Taktik für ihren Landtagswahlkampf.

@ dpa.de