Militäreinsatz, Berg-Karabach

Im Südkaukasus startet das autoritär geführte Aserbaidschan Kampfhandlungen gegen Berg-Karabach.

20.09.2023 - 04:55:48

Aserbaidschan greift Berg-Karabach an: Mindestens 27 Tote. Die von Armeniern bewohnte Region verzeichnet am ersten Tag Dutzende Tote und Verletzte.

  • Videostandbild vom aserbaidschanischen Verteidigungsministerium: Rauch steigt über einem Gebiet auf, in dem sich nach aserbaidschanischen Angaben Stellungen der armenischen Streitkräfte befinden. - Foto: ---/Defense Ministry of Azerbaijan/AP/dpa

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  • Ein beschädigtes Wohnhaus nach dem Beschuss. - Foto: Siranush Sargsyan/AP/dpa

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  • Videostandbild des aserbaidschanischen Verteidigungsministeriums. Hier sollen armenischen Streitkräfte angegriffen worden sein. - Foto: Uncredited/Defense Ministry of Azerbaijan/AP/dpa

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Videostandbild vom aserbaidschanischen Verteidigungsministerium: Rauch steigt über einem Gebiet auf, in dem sich nach aserbaidschanischen Angaben Stellungen der armenischen Streitkräfte befinden. - Foto: ---/Defense Ministry of Azerbaijan/AP/dpaEin beschädigtes Wohnhaus nach dem Beschuss. - Foto: Siranush Sargsyan/AP/dpaVideostandbild des aserbaidschanischen Verteidigungsministeriums. Hier sollen armenischen Streitkräfte angegriffen worden sein. - Foto: Uncredited/Defense Ministry of Azerbaijan/AP/dpa

Am ersten Tag eines von Aserbaidschan gestarteten Militäreinsatzes gegen die von Armeniern bewohnte Südkaukasus-Region Berg-Karabach sind mehr als zwei Dutzend Menschen ums Leben gekommen.

Der Menschenrechtsbeauftragte der international nicht anerkannten Republik Berg-Karabach (Arzach), Gegam Stepanjan, sprach von mindestens 27 Toten. Darunter seien mindestens sieben Zivilisten - drei Frauen, zwei Kinder und zwei Männer. Mehr als 200 weitere Menschen seien verletzt worden. Die armenische Schutzmacht Russland forderte die Konfliktparteien am frühen Morgen auf, zivile Opfer zu vermeiden und die Feindseligkeiten unverzüglich zu stoppen.

Stepanjans Angaben zufolge wurden mehr als 7000 Bewohner aus 16 Orten vor dem aserbaidschanischen Beschuss in Sicherheit gebracht. Ein großes Problem bei den Evakuierungsmaßnahmen ist den Angaben von vor Ort zufolge der massive Treibstoffmangel, den eine monatelange aserbaidschanische Blockade der Region verursacht hat.

Russland fordert Ende des Blutvergießens

Das autoritär geführte Aserbaidschan hatte am Dienstagmorgen einen breit angelegten Militäreinsatz zur Eroberung Berg-Karabachs begonnen. Die Region liegt zwar auf aserbaidschanischem Staatsgebiet, wird aber mehrheitlich von Armeniern bewohnt. Die beiden ehemals sowjetischen Länder kämpfen seit Jahrzehnten um Berg-Karabach. Die Waffenruhe nach dem letzten Krieg im Jahr 2020, in dem das durch Gas- und Öleinnahmen hochgerüstete Aserbaidschan bereits große Teile Karabachs erobert hatte, wurde immer wieder gebrochen.

Das russische Außenministerium forderte einen Stopp der jüngsten Feindseligkeiten. «Wegen der schnellen Eskalation der bewaffneten Auseinandersetzungen in Berg-Karabach rufen wir die Konfliktparteien auf, das Blutvergießen sofort zu beenden, die Kampfhandlungen einzustellen und Opfer unter der Zivilbevölkerung zu vermeiden», hieß es in einer am frühen Morgen veröffentlichten Mitteilung des russischen Außenministerium, wie die staatliche Nachrichtenagentur Tass berichtete.

UN-Sicherheitsrat will tagen

In New York wurde unterdessen für Donnerstag eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates einberufen, wie aus Diplomatenkreisen verlautete. Zuvor hatte Armenien das Gremium um Hilfe gebeten. Am Rande der UN-Vollversammlung traf sich zudem Italiens Außenminister Luigi Di Maio separat mit seinen Kollegen aus Aserbaidschan und Armenien und bot einer Mitteilung zufolge eine italienische Vermittlung an. Auch der Iran bot sich als Vermittler an.

Als Bedingung für das Ende des jetzigen Militäreinsatzes nannte Aserbaidschan die Niederlegung der Waffen und die Abdankung der armenischen Führung in der Region Berg-Karabach. International wurde Aserbaidschan für sein gewaltsames Vorgehen kritisiert. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock etwa forderte: «Aserbaidschan muss den Beschuss sofort einstellen und an den Verhandlungstisch zurückkehren.»

Ähnlich äußerte sich US-Außenminister Antony Blinken. In einem Telefonat mit Aserbaidschans Machthaber Ilham Aliyev betonte er, dass es keine militärische Lösung gebe und dass die Parteien den Dialog wieder aufnehmen müssten, wie der Sprecher des Außenministeriums, Matthew Miller, mitteilte. Blinken habe die von Aliyev geäußerte Bereitschaft zur Kenntnis genommen, die Militäraktionen einzustellen und ein Treffen von Vertretern Aserbaidschans und der Bevölkerung Berg-Karabachs abzuhalten. Blinken unterstrich, dass dies sofort umgesetzt werden müsse. Rückendeckung für Baku kam hingegen aus der Türkei.

Armenien setzt traditionell auf Unterstützung Russlands

Die ebenfalls islamisch geprägte Türkei gilt als Schutzmacht Aserbaidschans, wohingegen das christlich-orthodoxe Armenien traditionell auf die Unterstützung Russlands setzt, das in der Region auch eigene Soldaten stationiert hat.

Mittlerweile aber braucht Moskau seine Kämpfer in erster Linie für den eigenen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Beobachter hatten deshalb bereits befürchtet, dass Aserbaidschan diese instabile Lage für militärisches Vorgehen nutzen könnte. Schon vor Beginn des jüngsten Beschusses war die humanitäre Lage in Berg-Karabach katastrophal gewesen, weil Aserbaidschan den einzigen Zugang Armeniens in die Exklave - den sogenannten Latschin-Korridor - blockierte.

In Armeniens Hauptstadt Eriwan brachen am Dienstagabend heftige Proteste gegen die eigene Regierung aus, es kam zu Zusammenstößen mit der Polizei. Medien zufolge setzten die Beamten Blendgranaten ein. Die Demonstranten forderten von Regierungschef Nikol Paschinjan ein entschiedeneres Vorgehen sowie Unterstützung der armenischen Bewohner Berg-Karabachs. Auch die russische Botschaft in Eriwan wurde von wütenden Menschen umzingelt. Angaben des armenischen Gesundheitsministeriums zufolge wurden bis zum Abend im Stadtzentrum 16 Polizisten und 18 Demonstranten verletzt.

@ dpa.de