Militäreinsatz, Berg-Karabach

Im Südkaukasus deutet sich ein neuer Krieg zwischen Armenien und Aserbaidschan an.

19.09.2023 - 16:00:00

Berg-Karabach meldet Tote durch Angriff: Armenien ruft Hilfe. Baku hat mit dem massivem Beschuss der Region Berg-Karabach begonnen. Armenien ruft die UN und Russland zu Hilfe.

  • Aaserbaidschanische Panzer bei Kalbajar (Archivbild). - Foto: Emrah Gurel/AP/dpa

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  • Videostandbild vom aserbaidschanischen Verteidigungsministerium: Rauch steigt über einem Gebiet auf, in dem sich nach aserbaidschanischen Angaben Stellungen der armenischen Streitkräfte befinden. - Foto: ---/Defense Ministry of Azerbaijan/AP/dpa

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  • Ein armenischer Soldat in der Nähe von Charektar in der separatistischen Region Berg-Karabach. - Foto: Sergei Grits/AP/dpa

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Aaserbaidschanische Panzer bei Kalbajar (Archivbild). - Foto: Emrah Gurel/AP/dpaVideostandbild vom aserbaidschanischen Verteidigungsministerium: Rauch steigt über einem Gebiet auf, in dem sich nach aserbaidschanischen Angaben Stellungen der armenischen Streitkräfte befinden. - Foto: ---/Defense Ministry of Azerbaijan/AP/dpaEin armenischer Soldat in der Nähe von Charektar in der separatistischen Region Berg-Karabach. - Foto: Sergei Grits/AP/dpa

Die Ex-Sowjetrepublik Armenien im Südkaukasus hat den UN-Sicherheitsrat und Russland zu Maßnahmen zur Beendigung des von Aserbaidschan begonnenen Militäreinsatzes in der Konfliktregion Berg-Karabach aufgefordert.

Es seien «klare und eindeutige Schritte zur Beendigung der aserbaidschanischen Aggression» nötig, heißt es in einer von armenischen Medien verbreiteten Mitteilung des Außenministeriums in Eriwan. Regierungschef Nikol Paschinjan hat wegen der Eskalation derweil eine Dringlichkeitssitzung des nationalen Sicherheitsrats einberufen.

Baerbock fordert Ende der Militäraktion

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock verlangte von Aserbaidschan ein sofortiges Ende der Militäraktion in Berg-Karabach. «Aserbaidschan muss den Beschuss sofort einstellen und an den Verhandlungstisch zurückkehren», forderte die Grünen-Politikerin am Rande der UN-Vollversammlung in New York. Sie ergänzte: «Entscheidend ist der Schutz der Zivilbevölkerung in Bergkarabach. Dies ist auch Aufgabe der dort stationierten russischen Soldaten.» Ein dauerhafter Frieden zwischen Aserbaidschan und Armenien könne nur am Verhandlungstisch erzielt werden.

Laut Angaben von vor Ort sind mehrere Zivilisten getötet und verletzt worden. «Den bisherigen Informationen zufolge haben die aserbaidschanischen Angriffe mindestens zwei Tote, darunter ein Kind, und elf Verletzte, darunter acht Kinder, verursacht», schrieb der Menschenrechtsbeauftragte der international nicht anerkannten Republik, Gegam Stepanjan, auf X (vormals Twitter).

Baerbock erklärte, die Bundesregierung unterstütze die Verhandlungen unter Führung der Europäischen Union. «Angesichts der heutigen Eskalation sind diese dringlicher als je zuvor.» Die Berichte aus Berg-Karabach seien dramatisch. In den vergangenen Wochen habe man sich massiv für einen humanitären Zugang zu den Menschen in Bergkarabach eingesetzt. «Hier gab es zuletzt kleine Fortschritte. Umso schlimmer ist jetzt diese Gewalteskalation.» Gerade in vergangenen Tagen habe es intensive Gespräche auch der EU und USA mit Armenien und Aserbaidschan zur Deeskalation gegeben. Die Zusage Bakus, von militärischen Maßnahmen abzusehen, sei gebrochen worden.

Militäreinsatz in Konfliktregion Berg-Karabach

Aserbaidschan hatte am Morgen einen neuen Militäreinsatz zur Eroberung der Konfliktregion Berg-Karabach gestartet. Das Verteidigungsministerium in Baku sprach zur Begründung von einer «Antiterroroperation lokalen Charakters zur Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung» in der Region.

Der Mitteilung aus Baku zufolge dient der Militäreinsatz dazu, den nach dem letzten Berg-Karabach-Krieg 2020 im Waffenstillstand festgeschriebenen Rückzug armenischer Truppen aus dem Gebiet durchzusetzen. Es werde nur auf militärische Ziele geschossen, behauptete das aserbaidschanische Verteidigungsministerium. Den Angaben aus Baku zufolge wurden zuvor zunächst eigene Stellungen von armenischer Artillerie angegriffen und mehrere Soldaten verletzt.

Widersprüchliche Angaben zu Beschuss

Der frühere Regierungschef der international nicht anerkannten Republik Arzach in Berg-Karabach, Ruben Wardanjan, berichtete hingegen auf seinem Telegram-Kanal von massivem Artilleriefeuer auf das Gebiet. «Die Führung von Armenien muss Arzach anerkennen und sich dem Schutz unserer Bürger anschließen», forderte er als Konsequenz.

Die Anschuldigungen aus Baku wies auch die aktuelle Führung der Konfliktregion um die Hauptstadt Stepanakert zurück. Die Verteidigungskräfte hielten sich an den Waffenstillstand, teilte das Verteidigungsministerium von Arzach in einer Pressemitteilung mit. Der Vorwurf, die Feuerpause gebrochen und zwei aserbaidschanische Soldaten verletzt zu haben, sei «erlogen und entspricht nicht den Tatsachen», heißt es in einer Mitteilung.

Viel umkämpfte Region Berg-Karabach

Das christlich-orthodoxe Armenien und das muslimische Aserbaidschan sind seit langem verfeindet. Größter Zankapfel zwischen Eriwan und Baku ist die Enklave Berg-Karabach, die zu Aserbaidschan gehört, aber von Armeniern bewohnt wird. Nach einem Krieg Anfang der 1990er Jahre hatte zunächst Armenien die Oberhand. In einem zweiten Krieg 2020 siegte das mit Geld aus dem Öl- und Gasgeschäft hochgerüstete Aserbaidschan und eroberte eigenes Territorium zurück.

In kürzeren Militäraktionen danach besetzte Baku auch etwa 150 Quadratkilometer armenisches Staatsgebiet. Das Außenministerium von Armenien verlangte in der vergangenen Woche, dass Aserbaidschan diese Gebiete räume. Baku erwiderte, dass Armenien immer noch acht aserbaidschanische Dörfer besetzt halte.

Lebensmittel und Medikamente fehlen

Baku blockiert seit Monaten die Verbindung der etwa 120.000 Karabach-Armenier nach Armenien. In dem Gebiet fehlt es an Lebensmitteln und Medikamenten.

Aserbaidschan wird in dem Konflikt von der Türkei unterstützt, während Russland als traditionelle Schutzmacht Armeniens an Einfluss verliert. «Infolge der Ereignisse in der Ukraine haben sich die Möglichkeiten Russlands verändert», sagte kürzlich Regierungschef Paschinjan in einem Interview mit dem US-Medium «Politico». Sein Land wolle künftig vermeiden, von äußeren Beschützern abhängig zu sein.

@ dpa.de