Russisches, Flugzeug

Im 700 Tage alten Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hat sich eine weitere Tragödie ereignet - eine mit vielen Rätseln.

24.01.2024 - 14:36:50

Russisches Flugzeug abgestürzt - Kriegsgefangene an Bord?. Moskau behauptet, die Ukraine habe die eigenen Leute abgeschossen.

Ein russisches Militärtransportflugzeug ist an der Grenze zur Ukraine abgestürzt. Alle 74 Insassen an Bord der Iljuschin Il-76 seien getötet worden, teilte das russische Verteidigungsministerium mit. Die Maschine sei von der Ukraine abgeschossen worden.

Unabhängige Angaben gibt es nicht, wen oder was das Flugzeug transportierte. Laut Verteidigungsministerium in Moskau sollen 65 ukrainische Kriegsgefangene an Bord gewesen sein, die zu einem Austausch geflogen werden sollten. Außerdem seien sechs Mann Besatzung und drei Begleitpersonen in der Maschine gewesen. Für diese Angaben gab es zunächst keine Bestätigung.

Die Ukraine äußerte sich nicht zu möglichen Gefangenen in dem Flugzeug. Allerdings wurde nach einem Bericht der Ukrajinska Prawda in Kiew bestätigt, dass ein Gefangenenaustausch geplant gewesen sei. Das Nachrichtenportal berief sich dabei auf eigene Quellen. In sozialen Medien kursiert ein Video, das den Moment des Absturzes zeigen soll. Zu sehen ist eine Detonation in großer Entfernung, nach der eine riesige schwarzgraue Wolke in den Himmel aufsteigt. Der Absturz wurde auch von ukrainischer Seite bestätigt.

Widersprüchliche Angaben aus Kiew

Die Iljuschin sei von der Ukraine mit westlichen Flugabwehrwaffen abgeschossen worden, erklärte das russische Verteidigungsministerium. Ebenso äußerte sich der Chef des Verteidigungsausschusses im russischen Parlament, Andrej Kartapolow, in Moskau. Aus Kiew kamen dazu widersprüchliche Angaben. Aus einem ersten Bericht von Ukrajinska Prawda wurden Angaben zu einem Abschuss wieder herausgenommen. Es hieß, das ukrainische Militär habe in dem Flugzeug Nachschub von russischen Flugabwehrraketen S-300 vermutet.

Dann meldete die Agentur Interfax Ukrajina unter Berufung auf Militärquellen, es sei ein Flugzeug abgeschossen worden - allerdings nach dessen Start von Belgorod. Die Absturzstelle lag nach russischen Angaben bei dem Ort Jablonowo. Dieser liegt 50 Kilometer nordöstlich von Belgorod wie auch etwa 50 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt.

Vorwürfe aus Moskau: Kiew wusste Bescheid

Der russische Verteidigungspolitiker Kartapolow erhob schwere Vorwürfe gegen die Ukraine. «Die ukrainische Führung wusste bestens über den geplanten Gefangenenaustausch Bescheid, wurde darüber informiert, wie die Gefangenen transportiert werden», sagte er. Beweise für seine Vorwürfe legte er nicht vor.

Seinen Angaben nach wurden die Kriegsgefangenen in dem Flugzeug zu einem geplanten Austausch geflogen. Eine weitere Maschine vom Typ Il-76 mit 80 weiteren Gefangenen an Bord habe nach dem Abschuss gewendet. Insgesamt habe es einen Austausch von jeweils 192 Gefangenen geben sollen, der nun gescheitert sei. Die russische Propagandistin Margarita Simonjan veröffentlichte auf Telegram eine Liste mit 65 Namen der angeblichen Gefangenen aus der Ukraine an Bord.

Duma-Chef plant Eingabe an den Bundestag

Laut Kartapolow wurde das Militärflugzeug mit drei Flugabwehrraketen entweder des US-Systems Patriot oder des deutschen Systems Iris-T vom Himmel geholt. Das russische Verteidigungsministerium sprach davon, dass zwei Raketenabschüsse geortet worden seien. Der Abschussort liege bei Lipzy im ostukrainischen Gebiet Charkiw, etwa 100 Kilometer von der Absturzstelle entfernt. Duma-Chef Wjatscheslaw Wolodin kündigte eine Eingabe an den Bundestag und den US-Kongress an. Der Schritt solle den Parlamentariern vor Augen führen, wem sie mit ihren Waffenlieferungen helfen, sagte Wolodin.

Zumindest die offiziell angegebene Reichweite der Iris-T ist allerdings geringer als die Entfernung zur Grenze. Experten bezweifeln zudem, dass die Ukraine die teuren Flugabwehrsysteme direkt an der Grenze aufgestellt hat, wo sie für andere russische Waffensysteme leicht zu bekämpfen sind.

Ukraine erinnert an russische Desinformationskampagnen

Der ukrainische Koordinierungsstab für die Angelegenheiten von Kriegsgefangenen äußerte sich nicht zu den Vorwürfen. Man sammele und analysiere alle Informationen, teilte der Stab auf Telegram mit. Die Bürger sollten offizielle Mitteilungen abwarten. Zugleich betonte der Stab, dass Russland spezielle Desinformationskampagnen gegen die Ukraine führe, «um die ukrainische Gesellschaft zu destabilisieren».

Die Ukraine wehrt seit fast zwei Jahren eine großangelegte russische Invasion ab - an diesem Mittwoch ist der 700. Tag seit dem Einmarsch. Bei Kämpfen im Juli 2014 hatten prorussische Bewaffnete über der Ostukraine ein vermeintliches ukrainisches Kampfflugzeug abgeschossen. Tatsächlich wurde eine Zivilmaschine aus Malaysia getroffen, deren 298 Insassen ums Leben kamen.

@ dpa.de