Ölpest, Jemen

Ein Öltanker, der im Roten Meer explodiert oder auseinanderbricht: Die Folgen könnten alle bisherigen Umweltkatastrophen in den Schatten stellen.

25.07.2023 - 19:22:28

Drohende Ölpest im Roten Meer: Heikle Bergung bei 50 Grad. Die Bergungsaktion ist angelaufen, die Risiken groß.

  • Ein Ingenieur steht auf dem oberen Deck der «FSO Safer» - der Supertanker wurde seit Jahren nicht mehr gewartet. - Foto: Mohammed Mohammed/XinHua/dpa

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  • Blick auf den angeschlagenen Öltanker «FSO Safer» im Roten Meer vor der Küste des von Rebellen gehaltenen Hafens Rass Issa. - Foto: Stringer/dpa

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Ein Ingenieur steht auf dem oberen Deck der «FSO Safer» - der Supertanker wurde seit Jahren nicht mehr gewartet. - Foto: Mohammed Mohammed/XinHua/dpaBlick auf den angeschlagenen Öltanker «FSO Safer» im Roten Meer vor der Küste des von Rebellen gehaltenen Hafens Rass Issa. - Foto: Stringer/dpa

Im Roten Meer hat unter widrigen Umständen eine heikle Bergungsaktion begonnen. Es geht um mehr als 200 Millionen Liter Öl, die auf dem schrottreifen Tanker «FSO Safer» vor der Küste des Bürgerkriegslandes Jemen lagern. Der Tanker droht seit Langem zu zerbrechen oder zu explodieren.

Wenn das Öl ins Rote Meer liefe, würde das eine beispiellose Ölkatastrophe auslösen, die die Umwelt dort auf Jahrzehnte belasten und die Schifffahrt durch den Suez-Kanal behindern würde. Der Chef des UN-Entwicklungsprogramms (UNDP), Achim Steiner, sprach im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur von einer tickenden Zeitbombe.

Die Aktion sei problemlos angelaufen, sagte Steiner einige Stunden nach Beginn in New York. Es handele sich aber nach wie vor um eine sehr schwierige und komplexe Mission - zudem fehlten noch rund 20 Millionen Dollar (etwa 18 Millionen Euro) bei der Finanzierung der Mission.

Die auf komplizierte Einsätze spezialisierte niederländische Bergungsfirma Smit, ein Tochterunternehmen von Boskalis, pumpt das Öl nun auf einen anderen Tanker, der längsseits der «Safer» liegt. Bei mehr als 40 Grad in der Region und bis zu 50 Grad auf den Metallböden des Tankers sei die Aktion eine besondere Herausforderung, sagte Steiner. «Nichts zu tun, wäre aber das größte Risiko», sagte er. Auch UN-Generalsekretär António Guterres sagte, bei der Mission gehe es darum, die «möglicherweise größte tickende Zeitbombe der Welt» zu entschärfen.

Öl von der «Safer» wird auf anderen Tanker gepunpt

Das UNDP koordiniert die Aktion. An Bord des Tankers sind 1,37 Millionen Barrel Öl (etwa 218 Millionen Liter). Smit hatte 2021 auch ein Containerschiff im Suezkanal wieder flottgemacht, das sich bei Unwetter quergestellt und den Verkehr durch die wichtige Verkehrsader sechs Tage lang blockiert hatte. Das UNDP kaufte im Frühjahr den Tanker «Nautica», auf den jetzt das Öl von der «Safer» gepumpt wird. Das Schiff wurde in «Yemen» umbenannt, nach der englischen Schreibweise des Bürgerkriegslandes. Das Abpumpen soll zwei bis drei Wochen dauern. Anschließend müssen die Tanks gesäubert und das verschmutzte Wasser ebenfalls abgepumpt werden, ehe die «Safer» abgeschleppt und sicher entsorgt werden kann.

Der 350 Meter lange Tanker ist 47 Jahre alt. In der Industrie gilt eine kommerzielle Lebensdauer für Öltanker von rund 25 Jahren. Die staatliche Ölgesellschaft Jemens nutzte das Schiff einst als Zwischenlager. Wegen des Bürgerkriegs ist es seit acht Jahren nicht mehr gewartet worden.

Die Bergungsaktion ist höchst riskant. Nicht nur könnten Schläuche reißen, der Rumpf des Schiffes Leck schlagen, der Tanker auseinanderbrechen oder explodieren. «Wir arbeiten in einer Kriegszone», sagte Steiner. Das Gebiet um den Tanker und die etwa neun Kilometer entfernte Küste seien teils vermint. Versicherer hätten darauf bestanden, dass im Umkreis von 90 Minuten Flugzeit rund um die Uhr Flugzeuge mit Chemikalien an Bord bereitstehen, die im Fall eines Unglücks sofort Eindämmmaßnahmen starten können.

Küste in der Hand der Rebellen

Auch die Bürgerkriegsparteien im Jemen könnten die Bergung jederzeit stoppen. Im Jemen kämpfen die international anerkannte Regierung und die Huthi-Rebellen um die Vorherrschaft, die weite Landesteile 2014 überrannten. Die Huthi-Rebellen kontrollieren die Hauptstadt Sanaa und werden von den UN als «de Fakto-Behörden» bezeichnet. Die Küste, vor der der Tanker liegt, ist in den Händen der Rebellen. Das Öl an Bord gehört weitgehend der staatlichen Ölgesellschaft - über die beide Seiten die Hoheit beanspruchen. Trotz tiefen gegenseitigen Misstrauens hätten sie sich nach monatelangen Verhandlungen auf die Bergung eingelassen, sagte Steiner. Geplant sei, dass die Erlöse aus dem Verkauf des Öls der Bevölkerung im ganzen Land zugutekommen.

Die Vereinten Nationen bezeichnen die Situation im Jemen als eine der größten humanitären Katastrophen der Welt. Seit Ausbruch des Krieges ist die Wirtschaft in dem ohnehin armen Land eingebrochen. Von den mehr als 30 Millionen Einwohnern sind mehr als drei Viertel auf humanitäre Hilfe angewiesen. Die Versorgung ist wegen Streitereien über den Zugang der teils verminten Häfen aber schwierig.

Es droht eine gigantische Katastrophe

Sollte etwas schiefgehen, droht eine Ölkatastrophe von gigantischem Ausmaß. Die «Safer» hat etwas mehr Öl an Bord als seinerzeit die «Exxon Valdez», die 1989 vor Alaska auf Grund lief. Damals liefen knapp 260.000 Barrel Öl aus, hunderttausende Fische und Vögel verendeten. Der Unfall gilt bis heute als größte Umweltkatastrophe der internationalen Schifffahrt. Bei einer Ölpest im Roten Meer dürften die Fischbestände mindestens 25 Jahre dezimiert sein, sagte Steiner. Anrainer nutzten das Rote Meer für den Tourismus, wie Ägypten mit seinen Tauchangeboten in Hurghada. Andere Länder brauchten das Wasser für Entsalzungsanlagen, um ihre Einwohner mit Trinkwasser zu versorgen. Die «Safer» liegt an der wichtigen Schifffahrtsroute zum Suez-Kanal rund 2000 Kilometer weiter nördlich. Die Schifffahrt würde dort über Wochen beeinträchtigt.

Die Kosten der Bergung und Entsorgung des Tankers «Safer» sind seit Beginn der Planung von 85 auf 143 Millionen Dollar (rund 128 Millionen Euro) explodiert. Deutschland gehört mit gut zwölf Millionen Dollar zu den großzügigsten Geberländern für die Aktion. Die Öl- und Energieindustrie habe sich nur zögerlich beteiligt, sagte Steiner, mit zwölf Millionen Dollar. «Wo sind die Öl- und Gaskonzerne der Welt, die sich hier stärker einbringen können?» fragte er.

@ dpa.de