Nahost, Olaf Scholz

Die USA wollen mit Israel eine Strategie für humanitäre Hilfe im Gazastreifen entwickeln.

17.10.2023 - 10:53:17

Israel und USA wollen Strategie für humanitäre Hilfe in Gaza. Hilfsorganisationen hoffen, dass der Grenzübergang zu Ägypten für die Lieferung von Hilfsgütern geöffnet wird.

  • Palästinenser, einige mit ausländischen Pässen, warten am Grenzübergang Rafah auf Hilfe und eine mögliche Einreise nach Ägypten. - Foto: Mohammed Talatene/dpa

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  • Israelische Militärfahrzeuge bewegen sich im Süden Israels auf die Grenze zum Gazastreifen zu. - Foto: Ohad Zwigenberg/AP/dpa

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  • Palästinensische Frauen gehen in Nuseirat im Gazastreifen an Gebäuden vorbei, die bei israelischen Luftangriffen zerstört wurden. - Foto: Hatem Moussa/AP/dpa

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  • Der Secret Service nimmt in Washington Demonstranten fest, weil sie während ihres Protests für einen Waffenstillstand im Gazastreifen den Eingang zum Weißen Haus blockiert haben. - Foto: Nathan Howard/AP/dpa

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Palästinenser, einige mit ausländischen Pässen, warten am Grenzübergang Rafah auf Hilfe und eine mögliche Einreise nach Ägypten. - Foto: Mohammed Talatene/dpaIsraelische Militärfahrzeuge bewegen sich im Süden Israels auf die Grenze zum Gazastreifen zu. - Foto: Ohad Zwigenberg/AP/dpaPalästinensische Frauen gehen in Nuseirat im Gazastreifen an Gebäuden vorbei, die bei israelischen Luftangriffen zerstört wurden. - Foto: Hatem Moussa/AP/dpaDer Secret Service nimmt in Washington Demonstranten fest, weil sie während ihres Protests für einen Waffenstillstand im Gazastreifen den Eingang zum Weißen Haus blockiert haben. - Foto: Nathan Howard/AP/dpa

Angesichts der akuten Versorgungsnot der Zivilbevölkerung im Gazastreifen wollen Israel und die USA eine Strategie für humanitäre Hilfe entwickeln. Der Kommandeur der US-Truppen in der Region, General Michael «Erik» Kurilla, landete zudem am Dienstag in Israel. Der Besuch sei ein Zeichen der starken Verbundenheit zwischen Israel und den USA und besonders zwischen den beiden Armeen, teilte das US-Zentralkommando auf der Plattform X (vormals Twitter) mit.

Derzeit laufen die diplomatischen Bemühungen, einen Flächenbrand in Nahost zu verhindern, auf Hochtouren: Nach Bundeskanzler Olaf Scholz am Dienstag reist am Tag darauf auch US-Präsident Joe Biden nach Israel.

Der ägyptische Grenzübergang Rafah als einziger Weg, dringend benötigte Hilfe in den von Israel abgeriegelten Küstenstreifen zu bringen, war am frühen Dienstag weiter geschlossen.

Humanitäre Hilfe soll an Hamas vorbeigehen

US-Außenminister Antony Blinken sagte am Montagabend in Tel Aviv, es gehe darum, «Zivilisten in Gaza und nur sie allein zu erreichen». Angesichts der israelischen Militärschläge gegen die islamistische Hamas in dem Küstenstreifen sollen demnach auch Sicherheitszonen für Zivilisten geschaffen werden. «Es ist von entscheidender Bedeutung, dass Hilfe so schnell wie möglich nach Gaza fließt», sagte Blinken.

UN: Rund eine Million Menschen auf der Flucht

Fast die Hälfte der Zivilbevölkerung des Gazastreifens ist nach Schätzung des UN-Nothilfebüros (OCHA) inzwischen auf der Flucht. Rund eine Million Menschen hätten ihre Wohnungen bis Montagabend verlassen, teilte OCHA in der Nacht zu Dienstag mit.

Nach Angaben des israelischen Militärsprechers Jonathan Conricus haben sich bis zum Anbruch der Nacht zum Dienstag schätzungsweise etwas mehr als 600 000 Menschen in den Süden des abgeriegelten Küstenstreifens begeben. «Es gibt immer noch ein paar Hunderttausend, die gehen sollten», fügte er hinzu.

Israel setzt Gegenangriffe fort

Armeesprecher Conricus erklärte am frühen Dienstagmorgen, das israelische Militär attackiere weiter die Infrastruktur der Hamas und suche aktiv nach den Verstecken ihrer Führungsleute. So wurde bei einem Luftangriff der Chef des Schura-Rats der Hamas, Osama Mazini, getötet, wie die Armee zuvor bekanntgab. Dieser sei für die Gefangenen der Hamas verantwortlich gewesen und habe terroristische Aktivitäten gegen Israel geleitet. Der Schura-Rat wählt das Politbüro der Hamas, das die oberste Entscheidungsinstanz der im Gazastreifen herrschenden Organisation ist.

Israel will nach eigenen Angaben die im Gazastreifen herrschende Hamas zerstören, die bei dem Terrorangriff auf Israel mehr als 1400 Menschen getötet hat. Zudem wurden laut Armeeangaben nach neuesten Angaben mindestens 199 Personen in den Gazastreifen verschleppt. Ein Sprecher des militärischen Arms der Hamas teilte dagegen mit, dass zwischen 200 und 250 Menschen entführt worden seien. 200 davon seien in den Händen der Hamas, die restlichen Geiseln unter der Kontrolle von weiteren militanten Fraktionen. Die Zahl der getöteten Palästinenser stieg nach Angaben aus dem Gazastreifen auf mehr als 2800. Mehr als 10.000 wurden seit Beginn der israelischen Gegenoffensive nach den Terroranschlägen vom 7. Oktober verletzt.

Hoffnung auf Öffnung ägyptischen Grenzübergangs

Angesichts der Not Hunderttausender Flüchtlinge im Süden des Küstenstreifens hoffen Helfer auf eine Öffnung des ägyptischen Grenzübergangs Rafah für humanitäre Lieferungen. Es wäre der einzige Weg, um Hilfe in den von Israel abgeriegelten Küstenstreifen zu bringen. Rund 2000 Tonnen Güter standen dafür nach Angaben des Ägyptischen Roten Halbmonds am Montag bereit. Etwa 150 Lastwagen mit humanitären Hilfsgütern seien von Al-Arisch auf der ägyptischen Sinai-Halbinsel in Richtung des Grenzübergangs Rafah unterwegs, sagten Augenzeugen am frühen Dienstagmorgen der Deutschen Presse-Agentur.

Augenzeugen berichteten jedoch, eine Zufahrtsstraße auf der palästinensischen Seite sei bei israelischen Luftangriffen beschädigt worden. Berichten zufolge haben sich Ägypten und Israel bislang auch noch nicht einigen können, wie die Lkw mit den Hilfsgütern kontrolliert werden. Israel will einen Schmuggel von Waffen in den Gazastreifen ausschließen.

Hilfen für Flüchtlinge in Gaza stehen bereit

Die Vereinten Nationen sind bereit, Hilfe über den Grenzübergang Rafah zu bringen. Auf der ägyptischen Sinai-Halbinsel sei ein Flugzeug mit Hilfsgütern der Weltgesundheitsorganisation WHO angekommen, teilte das UN-Nothilfebüro Ocha am Montag mit. Das Welternährungsprogramm WFP plane derweil, 225.000 Menschen in 19 Unterkünften der Vereinten Nationen im Gazastreifen zu versorgen. Die EU plant eine Luftbrücke für Hilfsorganisationen im Gazastreifen. Die Flüge sollen noch diese Woche starten und beispielsweise Medikamente nach Ägypten bringen, teilte die EU-Kommission mit. Von dort könnten die Hilfsgüter weiter in den Gaza-Streifen transportiert werden.

Krisendiplomatie geht weiter

Bundeskanzler Scholz wird an diesem Dienstag in Tel Aviv den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu treffen und mit Angehörigen von Geiseln zusammenkommen, die in den Gazastreifen verschleppt wurden. Scholz will sich über die Lage im Kriegsgebiet informieren, aber auch darüber sprechen, wie ein Flächenbrand in der Region verhindert werden kann. Am Abend reist er weiter nach Ägypten. Am Tag darauf trifft auch US-Präsident Biden in Israel mit Netanjahu zusammen. Noch am gleichen Tag reise er nach Jordanien weiter, um mit den palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas, Ägyptens Staatschef Abdel Fattah al-Sisi und Jordaniens König Abdullah II. zu treffen, so die US-Regierung.

Hamas veröffentlicht Video mit Geisel

Die Hamas hat unterdessen erstmals ein Video mit einer mutmaßlichen Geisel veröffentlicht. In einem am Montag verbreiteten Video sieht man, wie einer jungen Frau eine Wunde am Arm verbunden wird, anschließend spricht sie direkt in die Kamera. «Ich bin 21 Jahre alt und komme aus Schoham», sagt die Frau. Sie sei in Gaza und dort in einem Krankenhaus behandelt worden. Medienberichten zufolge soll es sich um eine Israelin handeln, die auch die französische Staatsangehörigkeit hat. Das israelische Militär teilte mit, sie sei entführt worden. Die Armee stehe in Kontakt mit der Familie. Man tue alles dafür, die Geiseln zurückzuholen.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron verlangte, die Geisel sofort freizulassen. Der Élyséepalast teilte am Dienstag in Paris weiter mit: «Er verurteilt die Schmach, die die Geiselnahme unschuldiger Menschen und ihre abscheuliche Inszenierung darstellt.

Weiter Gefechte auch an Grenze zu Libanon

Derweil erwidert das israelische Militär auch im Norden wiederholte Angriffe der proiranischen Hisbollah im Libanon. Die israelische Armee hat nach eigenen Angaben am Dienstag eine Terrorzelle daran gehindert, vom Libanon aus auf israelisches Gebiet vorzudringen. «Vier Terroristen wurden getötet», teilte das Militär mit. Sie hätten versucht, einen Sprengsatz zu legen und die Sicherheitsanlage zu überqueren.

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat die libanesische Hisbollah-Miliz und den Iran am Montagabend vor Angriffen auf Israel gewarnt. Der Iran drohte mit neuen Fronten, falls Israel seine Militäroffensive nicht beende.

@ dpa.de