Erklärungsentwurf, Feuerpausen

Die EU-Mitgliedstaaten sind sich über den Umgang mit Forderungen nach einem sofortigen humanitären Waffenstillstand für den Gazastreifen uneinig.

26.10.2023 - 12:29:56

Erklärungsentwurf: EU fordert Feuerpausen für Gazastreifen. Das löst Ärger in den eigenen Reihen aus.

  • Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, trifft zu einem EU-Gipfel im Gebäude des Europäischen Rates ein. - Foto: Virginia Mayo/AP/dpa

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  • EU-Ratspräsident Charles Michel hat zuletzt die Notwendigkeit des Schutzes der Zivilbevölkerung im Gazastreifen betont. - Foto: Virginia Mayo/AP/dpa

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  • Michael Roth (SPD) verurteilt den Terrorangriff der Hamas auf Israel. - Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

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  • EU-Ratspräsident Charles Michel: «Zivilisten müssen immer und überall geschützt werden.» - Foto: Virginia Mayo/AP/dpa

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  • Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, trifft zu einem EU-Gipfel im Gebäude des Europäischen Rates ein. - Foto: Virginia Mayo/AP/dpa

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  • Bundeskanzler  Olaf Scholz trifft zum EU-Gipfel ein. - Foto: Virginia Mayo/AP/dpa

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Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, trifft zu einem EU-Gipfel im Gebäude des Europäischen Rates ein. - Foto: Virginia Mayo/AP/dpaEU-Ratspräsident Charles Michel hat zuletzt die Notwendigkeit des Schutzes der Zivilbevölkerung im Gazastreifen betont. - Foto: Virginia Mayo/AP/dpaMichael Roth (SPD) verurteilt den Terrorangriff der Hamas auf Israel. - Foto: Bernd von Jutrczenka/dpaEU-Ratspräsident Charles Michel: «Zivilisten müssen immer und überall geschützt werden.» - Foto: Virginia Mayo/AP/dpaUrsula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, trifft zu einem EU-Gipfel im Gebäude des Europäischen Rates ein. - Foto: Virginia Mayo/AP/dpaBundeskanzler  Olaf Scholz trifft zum EU-Gipfel ein. - Foto: Virginia Mayo/AP/dpa

Beim EU-Gipfel in Brüssel soll zu einem schnellen, sicheren und ungehinderten humanitären Zugang zum Gazastreifen aufgefordert werden. Zu notwendigen Maßnahmen gehörten auch humanitäre Korridore und Feuerpausen, heißt es in dem jüngsten Entwurf für die Abschlusserklärung des Spitzentreffens. Die sich verschlechternde humanitäre Lage in Gaza gebe Anlass zu größter Besorgnis.

Um Forderungen nach einem sofortigen humanitären Waffenstillstand für den Gazastreifen hatte es in den vergangenen Tagen heftigen Streit in der EU gegeben. Länder wie Deutschland und Österreich sprachen sich dagegen aus, dass sich die EU solchen Aufrufen öffentlich anschließt. Sie argumentierten, ein solcher Vorstoß sei angesichts des anhaltenden Terrors der islamistischen Hamas unangemessen. Länder wie Spanien oder Irland setzten sich hingegen wegen der vielen zivilen Opfer bei israelischen Angriffe auf Ziele im Gazastreifen für einen solchen Aufruf ein.

Die Verwendung von Wörtern wie «humanitäre Korridore» und «humanitäre Pausen» im Plural soll nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur nun ein Kompromiss sein und deutlich machen, dass die EU Israel nicht auffordert, den Kampf gegen die Hamas mit sofortiger Wirkung einzustellen. Diesen Eindruck wollen Länder wie Deutschland unbedingt vermeiden.

Zu den Gräueltaten der Palästinenserorganisation Hamas heißt es in dem der dpa vorliegenden Entwurf für die Erklärung, der Europäische Rat verurteile auf das Schärfste die Hamas und ihre brutalen und willkürlichen Angriffe in ganz Israel. Der Einsatz von Zivilisten als menschliche Schutzschilde sei eine besonders beklagenswerte Grausamkeit. Man betone nachdrücklich das Recht Israels, sich im Einklang mit dem Völkerrecht und dem humanitären Völkerrecht zu verteidigen.

Das Spitzentreffen der Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Staaten beginnt am frühen Nachmittag. Für Deutschland wird Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zu dem zweitägigen Gipfel in Brüssel erwartet.

Palästinensischer Außenminister fordert Waffenstillstand

Auch der palästinensische Außenminister Riad Malki fordert einen sofortigen Waffenstillstand für den Gazastreifen. Humanitäre Hilfe dürfe nicht behindert werden, sagte der Minister in Den Haag. Er sprach von einem «Krieg der Rache» von Israel, wie die palästinensische Vertretung in Den Haag mitteilte. Demnach zielt Israel auf eine vollständige Zerstörung.

Der Minister hatte am Abend zuvor den Internationalen Strafgerichtshof besucht und auch mit Chefankläger Karim Khan gesprochen. Er habe ihn aufgefordert, gegen Israel wegen Kriegsverbrechen im Gazastreifen zu ermitteln. «Wir wollen, dass Israel zur Verantwortung gezogen wird.» Das Gericht ermittelt seit 2021 gegen die islamistische Hamas und Israel wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen im Gazastreifen.

EU-Ratschef: Zivilisten müssen geschützt werden

EU-Ratspräsident Charles Michel betonte die Notwendigkeit des Schutzes der Zivilbevölkerung im Gazastreifen. «Zivilisten müssen immer und überall geschützt werden», sagte Michel am Rande eines Gipfeltreffens der Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten in Brüssel.

Man werde darüber diskutieren, wie humanitärer Zugang zu dem abgeriegelten Küstenstreifen sichergestellt werden könne. Zudem sagte er mit Blick auf die islamistische Palästinenserorganisation Hamas und den beispiellosen Überfall auf Israel am 7. Oktober: «Wir verurteilen die Hamas und diesen gewalttätigen terroristischen Angriff.» Man unterstütze Israel und sein Recht, sich im Einklang mit internationalem Recht zu verteidigen.

Kritik am EU-Streit

Der SPD-Außenpolitiker Michael Roth kritisiert den EU-Streit über die Positionierung zum Gaza-Krieg derweil scharf. «Europa ist gespalten. Und wenn Europa gespalten ist, ist es völlig irrelevant», sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags im ARD-«Morgenmagazin». «Wir tragen derzeit nichts zu einer dauerhaften Lösung im Nahen Osten bei, weil wir auch Zweifel lassen an der Solidarität und an der Freundschaft mit Israel.»

Roth kritisierte: «Wenn man sich jetzt für einen Waffenstillstand ausspricht, während vielleicht sogar in diesem Moment Hamas-Raketen Menschenleben in Israel zerstören oder zu zerstören versuchen», dann nehme man Israel «das Recht, die Infrastruktur des Terrorismus im Gazastreifen zu zerstören».

Wenn man aber über humanitäre Pausen spreche, sei das etwas ganz anderes. «Wir wollen ja auch, dass Hilfsgüter so schnell wie irgendwie möglich auch die Zivilisten und Zivilisten im Gazastreifen erreichen.»

Asselborn: Europa muss gemeinsame Linie finden

Auch der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn rief die EU-Staaten zu einer gemeinsamen Linie auf. Wenn die EU politischen Einfluss auf Lösungen im Nahost-Konflikt haben wolle, «muss sie zumindest eine gemeinsame Linie haben. Wissen, was sie will», sagte Asselborn in einem Interview des Deutschlandfunks.

Noch vor einigen Jahren habe die EU eine gemeinsame Linie gehabt, erinnerte Asselborn. Diese habe besagt, dass Jerusalem die Hauptstadt Israels und im Ostteil auch die Hauptstadt der Palästinenser sei, und die Grenzen von Palästina die von 1967 seien. «Dazu sind wir heute nicht mehr im Stande», sagte Asselborn.

Mit Blick auf die heute unterschiedlichen Positionen innerhalb der EU vertrat er den Standpunkt, dass es letztlich «um die fundamentalsten Menschenrechte» gehe, «dass jedes Volk ein Recht hat auf einen eigenen Staat».

Die Raketen aus Gaza auf Israel seien «unter keinen Umständen» zu verteidigen, sagte Asselborn. Wenn aber Israelis im Westjordanland andauernd Land «annektieren, das eigentlich den Palästinensern gehört», müsse in Israel klar gesagt werden, dass das aufhören müsse. Sonst werde es «keine Chance auf einen dauerhaften Frieden» geben.

Weltsicherheitsrat weiter uneins

Auch der Weltsicherheitsrat kann sich im Gaza-Krieg derweil weiter auf keine Resolution mit humanitärem Fokus einigen. Sowohl ein Entwurf der USA als auch eine Beschlussvorlage Russlands fielen am Mittwoch vor dem mächtigsten UN-Gremium durch.

Der US-Text, der unter anderem das Selbstverteidigungsrecht Israels betonte und eine humanitäre Feuerpause forderte, wurde durch Vetos von Russland und China verhindert. Der russische Vorschlag, der unter anderem die Forderung nach einem Waffenstillstand enthielt, erhielt nur vier Ja-Stimmen in dem Gremium, dem 15 Staaten angehören.

Ägyptens Präsident Al-Sisi warnte vor einer Ausweitung des Kriegs. «Wir sehen mit großer Sorge, dass der Kreislauf der Gewalt möglicherweise auf andere Parteien in der Region ausgeweitet wird», sagte Al-Sisi. Das erklärte Ziel des Krieges sei, die Hamas und andere bewaffnete Gruppen im Gazastreifen zu liquidieren. «Der Einmarsch in den Gazastreifen kann sehr viele zivile Opfer zur Folge haben», warnte er - deshalb müsse er verhindert werden. Es sei wichtig, die Zeit zur Befreiung von Geiseln zu nutzen.

Spanische Ministerin fordert Anklage Netanjahus

Die spanische geschäftsführende Ministerin für Sozialrechte, Ione Belarra, forderte derweil wegen der israelischen Luftangriffe im Gazastreifen eine Anklage des israelischen Regierungschefs Benjamin Netanjahu vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. Dies gelte auch für andere Verantwortliche für die Bombardierungen, sagte die linke Ministerin der Regierung von Ministerpräsident Pedro Sánchez in einem auf der Plattform X veröffentlichten Video.

Zudem rief die Politikerin des links-alternativen Wahlbündnisses Unidas Podemos die europäischen Staaten zu einer Aussetzung der diplomatischen Beziehungen zu Israel, sowie zur Verhängung von Wirtschaftssanktionen und eines Waffenembargos gegen Israel auf. Sánchez von der sozialistischen PSOE teilt diese Forderungen Belarras nicht.

@ dpa.de