USA, Parlament

Die Arbeit von Kevin McCarthy im US-Repräsentantenhauses stand von Anfang an unter keinem guten Stern.

03.10.2023 - 22:59:01

Chaos im Repräsentantenhaus: Vorsitzender McCarthy abgesetzt. Nun sorgten radikale Parteikollegen dafür, dass er auf bittere Weise Geschichte schreibt.

Zum ersten Mal in der US-Geschichte ist ein Vorsitzender des Repräsentantenhauses durch ein Parlamentsvotum von seinem mächtigen Posten abgesetzt worden. Eine Mehrheit der Parlamentskammer stimmte dafür, den republikanischen Vorsitzenden, Kevin McCarthy, aus dem Amt zu entfernen. Hintergrund ist eine parteiinterne Revolte bei den Republikanern. Der Vorsitzende des Repräsentantenhauses kommt in der staatlichen Reihenfolge der USA an dritter Stelle nach dem Präsidenten und dessen Vize.

Angeführt von dem republikanischen Hardliner Matt Gaetz stimmten mehrere weitere Republikaner dafür, McCarthy zu entmachten. Die Demokraten in der Kammer wiederum verzichteten darauf, McCarthy zu Hilfe zu kommen und votierten gegen ihn. Die Republikaner haben eigentlich das Sagen in der Kammer, aber nur mit ganz knappem Vorsprung. Durch die Zahl der internen Revoltierenden in den eigenen Reihen kam damit eine knappe Mehrheit gegen McCarthy zustande.

McCarthy gab später bekannt, dass er nicht erneut für den mächtigen Posten antreten will. «Ich werde nicht wieder als Vorsitzender kandidieren», sagte er. Er lasse seine Fraktion jemand anderen wählen. Über seine Nachfolge soll frühestens in der kommenden Woche entschieden werden. Die Abgeordneten der Parlamentskammer wurden informiert, dass in der laufenden Woche keine weiteren Abstimmungen zu erwarten seien. Das geht unter anderem aus einer Rundmail der demokratischen Fraktion an die eigenen Abgeordneten hervor.

«Ich habe jede Minute geliebt»

Bei einem teils emotionalen, teils angriffslustigen Auftritt sagte McCarthy, für ihn sei der Vorsitzenden-Posten die größte Ehre gewesen. «Ich habe jede Minute geliebt.» Er sei mit sich im Reinen. «Ich würde rein nichts anders machen», betonte er. «Wenn ich meinen Job verliere, weil ich das tue, wovon ich wirklich überzeugt bin, dass es richtig ist, dann kann ich damit sehr gut leben.» Selbstironisch sagte er: «Ich habe Geschichte geschrieben, oder?»

Zugleich kritisierte der Republikaner die parteiinternen Rebellen - insbesondere Gaetz. Diesem sei es keineswegs um Inhalte gegangen, sondern allein um Persönliches - und darum, Medienaufmerksamkeit zu bekommen, beklagte McCarthy. Gaetz' Vorwürfe wies er zurück. «Nur weil Gaetz etwas gesagt hat, heißt das nicht, dass es wahr ist. Ich habe ihn noch keine einzige wahre Sache sagen hören.»

McCarthy beklagte, es dürfte nicht möglich sein, dass ein Vorsitzender des Repräsentantenhauses die überwältigende Mehrheit seiner Fraktion hinter sich habe und trotzdem von acht Abgeordneten gemeinsam mit der anderen Partei aus dem Amt entfernt werde. «Ich glaube nicht, dass es diese Regel geben sollte - unabhängig davon, wer der Vorsitzende ist.» Das Parlament als Institution habe versagt.

Der Anführer der Revolte

Gaetz hatte am Montagabend einen Antrag auf McCarthys Absetzung ins Repräsentantenhaus eingebracht. Der 41-Jährige warf McCarthy unter anderem vor, er mache gemeinsame Sache mit dem demokratischen Präsidenten Joe Biden, statt für die republikanische Fraktion zu arbeiten. Anlass ist der Haushaltsstreit in den USA. Gaetz störte sich daran, dass McCarthy am vergangenen Wochenende mit den Stimmen von Demokraten einen drohenden Stillstand der Regierung im letzten Moment abwendete. Der Kongress hatte am Samstag einen Übergangshaushalt bis Mitte November verabschiedet. Er beschuldigte McCarthy aber auch, gegen mehrere fraktionsinterne Absprachen verstoßen zu haben - ihm sei daher nicht zu trauen.

Da die Parlamentskammer ihren Vorsitzenden selbst wählt, ist sie auch das einzige Gremium, das ihn wieder aus dem Amt verdrängen kann - auf Antrag aus den Reihen der Abgeordneten. Nie zuvor hat ein Vorsitzender der Kammer allerdings auf diesem Weg seinen Posten verloren. In der Geschichte des Kongresses gab es zuvor auch überhaupt erst ein einziges Mal eine Abstimmung im Plenum des Repräsentantenhauses über einen Antrag auf Absetzung des Vorsitzenden. Das war vor mehr als hundert Jahren: 1910.

Schwerwiegende Folgen

Die Kongresskammer dürfte nun vorerst lahmgelegt werden durch die Wahl eines neuen Vorsitzenden. Bis die Personalie geklärt ist, liegt alle restliche gesetzgeberische Arbeit auf Eis. Das parlamentarische Chaos fällt mitten in eine Zeit, in der der Kongress unter anderem einen Bundeshaushalt verabschieden muss, da der Übergangshaushalt Mitte November ausläuft. Ist bis zu der Frist kein neues Budget verabschiedet, steuern die USA einmal mehr auf einen vorübergehenden Stillstand der Regierungsgeschäfte zu, einen «Shutdown».

Das US-Parlament hat außerdem über neue Hilfen für die Ukraine zu entscheiden. In dem am Wochenende verabschiedeten Übergangshaushalt sind keine weiteren Hilfen für das von Russland angegriffene Land vorgesehen. Das heißt nicht, dass die USA die Ukraine von jetzt auf gleich nicht mehr unterstützen. Allerdings geht das bisher genehmigte Geld zur Neige, neue Mittel müssen her. Die parteiinternen Kämpfe bei den US-Republikanern haben daher auch internationale Auswirkungen.

Gaetz hatte McCarthy vorgeworfen, er habe mit Biden Geheimabsprachen zu weiteren Ukraine-Hilfen getroffen. McCarthy wies das zurück. Gaetz gehört seit geraumer zu den erbittertsten Gegnern McCarthys.

McCarthy war im Januar erst im 15. Wahlgang ins Vorsitzenden-Amt gehievt worden und galt dadurch von Anbeginn an als stark geschwächt. Er musste der radikalen Rechten in seiner Fraktion damals weit entgegenkommen, um mit Hilfe ihrer Stimmen auf seinen Posten gewählt zu werden. Unter anderem setzten die Hardliner in der Fraktion damals durch, dass ein einzelner Abgeordneter einen Antrag auf Absetzung des Vorsitzenden stellen kann - was Gaetz nun ausnutzte. Die radikalen Abgeordneten trieben McCarthy seit Januar unerbittlich vor sich her.

@ dpa.de