Nahost, Gazastreifen

Der beispiellose Hamas-Angriff trifft Israel ins Mark: Hunderte Tote sind zu beklagen, mehr als 100 Menschen wurden verschleppt.

08.10.2023 - 15:20:43

Netanjahu: Werden Rache nehmen - Hamas: Der Iran hilft uns. Die Regierung versetzt das Land in den Kriegszustand.

  • Nach einem Raketenangriff aus dem Gazastreifen ist Rauch aus einem Wohnhaus in Ashkelon zu sehen. - Foto: Ilia Yefimovich/dpa

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  • Am Himmel über Gaza-Stadt sind Raketen zu sehen, die in Richtung Israel fliegen. - Foto: Mohammed Talatene/dpa

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  • Rauch steigt von einer Explosion auf, die durch einen israelischen Luftangriff im Gazastreifen verursacht wurde. - Foto: Hatem Moussa/AP/dpa

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  • Schäden in Tel Aviv. - Foto: Moti Milrod/AP

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  • Rauch steigt vom «Palestine Tower» im Stadtteil Al-Rimal auf. Das israelische Militär bombardiert nach den Hamas-Angriffen den Gazastreifen. - Foto: Saher Alghorra/ZUMA Press Wire/dpa

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  • Feuer und Rauch steigen nach einem israelischen Luftangriff in Gaza-Stadt auf. - Foto: Fatima Shbair/AP/dpa

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Nach einem Raketenangriff aus dem Gazastreifen ist Rauch aus einem Wohnhaus in Ashkelon zu sehen. - Foto: Ilia Yefimovich/dpaAm Himmel über Gaza-Stadt sind Raketen zu sehen, die in Richtung Israel fliegen. - Foto: Mohammed Talatene/dpaRauch steigt von einer Explosion auf, die durch einen israelischen Luftangriff im Gazastreifen verursacht wurde. - Foto: Hatem Moussa/AP/dpaSchäden in Tel Aviv. - Foto: Moti Milrod/APRauch steigt vom «Palestine Tower» im Stadtteil Al-Rimal auf. Das israelische Militär bombardiert nach den Hamas-Angriffen den Gazastreifen. - Foto: Saher Alghorra/ZUMA Press Wire/dpaFeuer und Rauch steigen nach einem israelischen Luftangriff in Gaza-Stadt auf. - Foto: Fatima Shbair/AP/dpa

Als Antwort auf den blutigen Überfall der Hamas mit Hunderten Toten hat Israel den Kriegszustand erklärt. «Der Krieg, der Israel durch eine mörderische Terrorattacke aus dem Gazastreifen aufgezwungen wurde, hat am 7. Oktober 2023 um 06.00 Uhr begonnen», teilte Regierungschef Benjamin Netanjahu mit. Der Kriegszustand erlaube «weitreichende militärische Schritte».

Die islamistische Hamas hatte am Vortag von Gaza aus den Großangriff begonnen. Nach übereinstimmenden israelischen Medienberichten vom Sonntagabend starben dabei auf israelischer Seite mindestens 700 Menschen.

USA verlegen Kriegsschiffe ins östliche Mittelmeer

Die USA verlegen als Reaktion auf den Großangriff auf Israel durch die islamistische Hamas einen Flugzeugträger und weitere Kriegsschiffe ins östliche Mittelmeer. Das teilte das US-Verteidigungsministerium in Washington mit.

Dazu zählten der Flugzeugträger «USS Gerald R. Ford», der Luftwaffenkreuzer «USS Normandy» und vier Zerstörer der Arleigh-Burke-Klasse, teilte das US-Verteidigungsministerium mit. Außerdem seien Vorbereitungen getroffen worden, um Luftwaffengeschwader der Air Force mit ihren Kampfjets in die Region zu verlegen, hieß es weiter.

Die USA werden zudem den israelischen Streitkräften zusätzliche Ausrüstung und Munition zur Verfügung stellen, kündigte Verteidigungsminister Lloyd Austin an. Noch am Sonntag werde die erste Lieferung in Bewegung gesetzt, hieß es. Austin sagte, damit betonten die USA ihre Unterstützung für die israelischen Streitkräfte und das israelische Volk.

Der Angriff traf Israel am jüdischen Feiertag Simchat Tora (Freude der Tora) vollkommen überraschend. Die von der EU, den USA und Israel als Terrororganisation eingestufte Palästinenserorganisation feuerte mehr als 3000 Raketen ab. Bewaffnete drangen über Land, See und Luft nach Israel vor.

Israel von Angriff vollkommen überrascht

Unklar war, warum Israel so überrascht wurde. Zahlreiche Einwohner der attackierten Ortschaften berichteten, sie hätten stundenlang vergeblich auf Hilfe von Sicherheitskräften gewartet. Am Sonntag gelang es der israelischen Armee nach Medienberichten, viele Orte wieder unter ihre Kontrolle zu bringen. Dabei wurden immer wieder weitere Leichen getöteter Bewohner gefunden.

Nach Angaben des israelischen Militärs vom Sonntagabend waren noch immer palästinensische Angreifer im Land. Ein Teil der Eindringlinge sei getötet worden, ein Teil sei jedoch noch vor Ort, sagte ein Sprecher.

Israel: Hamas «barbarischer und brutaler» als IS

Israels Armee verglich die im Gazastreifen herrschende Organisation Hamas mit dem Terrornetzwerk Islamischer Staat (IS). Die Hamas sei «barbarischer und brutaler» als der IS vorgegangen, sagte Militärsprecher Daniel Hagari.

Die Hamas habe «einen Krieg gegen Israel mit dem schlimmsten Massaker an unschuldigen Zivilisten in der Geschichte Israels» begonnen. Bei den israelischen Gegenschlägen halte sich das Land an das Völkerrecht, betonte er.

Israels Präsident macht Iran mitverantwortlich

Israels Präsident Izchak Herzog macht den Iran für den Großangriff der Hamas mitverantwortlich. Die «unverzeihliche Sünde» sei nicht nur «von einer mörderischen Terrororganisation angeführt» worden, «sondern auch von einer bösen Achse, deren Basis im Iran liegt», sagte er in einer Ansprache an die Nation. Irans Stellvertreter arbeiteten unermüdlich daran, Israel zu zersetzen.

Herzog schwor die Menschen auch auf eine lange Dauer der Kampfhandlungen ein. «Ein solcher Krieg endet nicht im Handumdrehen.» Es stünden schwierige Tage bevor. «Wir führen Krieg um unser Zuhause», sagte Herzog weiter. «Der Staat Israel wird auch dieses Mal gewinnen. Wir haben keine andere Wahl.»

Über 100 Menschen von der Hamas verschleppt

Bei ihrem Großangriff tötete die Hamas nicht nur Hunderte Israelis, sondern verschleppte nach offiziellen israelischen Angaben auch mehr als 100 Menschen in den Gazastreifen. In Medienberichten war sogar von bis zu 170 Entführten die Rede.

Die Bundesregierung geht davon aus, dass sich darunter auch deutsche Staatsangehörige befinden. Das Auswärtige Amt in Berlin geht davon aus, dass es sich um Menschen handelt, die alle neben der deutschen auch die israelische Staatsangehörigkeit haben.

Hunderte Tote bei Gegenangriff im Gazastreifen

Israel führte als Reaktion auf den Angriff auch am Sonntag weiter Angriffe auf Ziele der Hamas im Gazastreifen durch. Durch die Luftangriffe seien im Gazastreifen insgesamt 370 Menschen getötet und 2200 verletzt worden, teilte das dortige Gesundheitsministerium am Sonntagnachmittag mit.

Die Hamas nutzt nach Angaben des israelischen Militärs häufig zivile Gebäude für ihre Stellungen. Israel tötete bei seinen Angriffen im Gazastreifen ein ranghohes Hamas-Mitglied. Der Zivilschutz im Gazastreifen bestätigte, die Leiche von Aiman Junis sei am Sonntag aus den Trümmern eines Gebäudes im Flüchtlingslager Nuseirat geborgen worden.

Scholz sagt Israel unverbrüchliche Solidarität zu

Bundeskanzler Olaf Scholz hat Israel als Reaktion auf den großangelegten Angriff der islamistischen Hamas die volle Solidarität Deutschlands zugesagt. Er habe Regierungschef Netanjahu in einem Telefongespräch versichert, «dass Deutschland angesichts dieses furchtbaren Angriffs fest und unverbrüchlich an der Seite Israels steht», sagte Scholz. Das Entwicklungsministerium kündigte an, es werde sein gesamtes Engagement für die Palästinensischen Gebiete auf den Prüfstand stellen.

Der Überraschungsangriff der Hamas startete fast genau 50 Jahre nach dem Jom-Kippur-Krieg von 1973. Der damalige Angriff feindlicher arabischer Staaten auf Israel am höchsten jüdischen Feiertag gilt als bislang schwerstes nationales Trauma.

Hamas: Der Iran unterstützt uns bei dem Angriff

Der Sprecher der Hamas, Ghazi Hamad, sagte dem Sender BBC, die Gruppe habe direkte Unterstützung vom Iran erhalten. Der Iran habe sich verpflichtet, «den palästinensischen Kämpfern bis zur Befreiung Palästinas und Jerusalems beizustehen».

Die eng mit dem Iran verbündete Schiitenorganisation Hisbollah bekundete Solidarität mit der Hamas. Die Hisbollah übernahm am Sonntag auch die Verantwortung für Raketenbeschuss aus dem Südosten Libanons auf von Israel besetzte Gebiete. Israelische Artillerie erwiderte nach Angaben eines Sprechers das Feuer.

Netanjahu: Nehmen Rache

«Wir werden alle Orte, an denen die Hamas organisiert ist und sich versteckt, in Trümmerinseln verwandeln», sagte Netanjahu in einer Ansprache. Bewohner des Gazastreifens forderte er auf: «Flieht jetzt von dort, denn wir werden überall und mit all unserer Kraft handeln». Israel werde Rache nehmen. Israel rief die Verteidigungsaktion «Iron Swords» (Eiserne Schwerter) aus und berief Reservisten ein. Ziel sei, die militärischen und politischen Kapazitäten der Hamas und des Islamischen Dschihad so zu zerstören, «dass sie für viele Jahre nicht mehr in der Lage und bereit sind, die Bürger Israels zu bedrohen und anzugreifen», hieß es nach einer Sitzung des Sicherheitskabinetts.

Parteiübergreifende Gespräche in Israel

Netanjahu habe den beiden Oppositionsführern Jair Lapid und Benny Gantz den Eintritt in eine Notstandsregierung angeboten, teilte ein Sprecher von Netanjahus Likud-Partei mit. Lapid hatte schon Bereitschaft dazu signalisiert.

Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, wies auf die Bedrohung jüdischen Lebens auch anderswo hin: «Die Gefährdung für jüdische Einrichtungen auch hier in Deutschland zeigt, dass es den Terroristen nicht allein um Israel geht, sondern dass jüdisches Leben überall von ihnen infrage gestellt wird.» Im ägyptischen Alexandria starben am Sonntag zwei israelischen Touristen bei einem mutmaßlichen Anschlag als ein Angreifer das Feuer auf eine Reisegruppe eröffnete.

Auch weitere Tote bei Auseinandersetzungen im Westjordanland

Während Israels Armee gegen Hamas-Angreifer kämpft, dauert auch die Gewalt im Westjordanland weiter an. Bei Konfrontationen mit israelischen Sicherheitskräften wurden in mehreren Orten fünf Palästinenser getötet, wie das Gesundheitsministerium in Ramallah mitteilte. Mehrere Menschen seien zudem verletzt worden. Bereits am Samstag waren bei Konfrontationen sechs Palästinenser getötet worden.

Die Sicherheitslage in Israel und dem Westjordanland ist seit langem angespannt. Seit Jahresbeginn wurden 27 Israelis, eine Ukrainerin und ein Italiener bei Anschlägen getötet. Im selben Zeitraum kamen 213 Palästinenser bei israelischen Militäreinsätzen, Konfrontationen oder nach eigenen Anschlägen ums Leben.

@ dpa.de