Annalena Baerbock, Ursula von der Leyen

Außenministerin Annalena Baerbock besucht Israel, das nach den Terrorangriffen der Hamas-Islamisten unter Schock steht.

13.10.2023 - 16:22:25

Baerbock ruft Hamas zur Freilassung der Geiseln in Gaza auf. Sie will ein Zeichen der Solidarität setzen - und appelliert an die Terrororganisation Hamas.

  • Israels Außenminister Eli Cohen (links) und Bundesaußenministerin Annalena Baerbock im Gespräch. - Foto: Ilia Yefimovich/dpa

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  • Annalena Baerbock hat an die Hamas appelliert: «Lassen Sie diese unschuldigen Menschen frei!» - Foto: Ilia Yefimovich/dpa

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Israels Außenminister Eli Cohen (links) und Bundesaußenministerin Annalena Baerbock im Gespräch. - Foto: Ilia Yefimovich/dpaAnnalena Baerbock hat an die Hamas appelliert: «Lassen Sie diese unschuldigen Menschen frei!» - Foto: Ilia Yefimovich/dpa

Außenministerin Annalena Baerbock hat bei ihrem Besuch in Israel an die islamistische Hamas einen emotionalen Appell für die Freilassung der aus Israel verschleppten Geiseln gerichtet. Sie appelliere nicht nur als deutsche Außenministerin, sondern als Mensch und Mutter an die Hamas und ihre Verbündeten: «Lassen Sie diese unschuldigen Menschen, lassen Sie diese unschuldigen kleinen Mädchen frei», sagte die Grünen-Politikerin bei einem Treffen mit ihrem israelischen Kollegen Eli Cohen im israelischen Netivot in der Nähe der Grenze zu Gaza.

Sie ergänzte: «Die umgehende Freilassung dieser Menschen ist die Erwartung all derjenigen, die auf der Seite der Menschlichkeit stehen.» Baerbock hatte zuvor im Krisenzentrum der Stadt mit Cohen und Angehörigen von verschleppten Staatsangehörigen Gespräche geführt.

Die Bundesaußenministerin appellierte an Länder wie Katar und Ägypten, die über direkte Gesprächskanäle und Kontakte zur Hamas verfügten, sich für die Freilassung der Geiseln einzusetzen. Unter ihnen ist nach Angaben aus dem Auswärtigen Amt auch eine einstellige Zahl von deutschen Doppelstaatlern.

Israel habe das Recht und die Pflicht, seine Staatsangehörigen zu befreien, sagte Baerbock. Und das Land habe das Recht und die Pflicht, sich im Rahmen des internationalen Rechts «gegen diesen brutalen, barbarischen Terror zu wehren». Der Terror der Hamas helfe keinem palästinensischen Kind und keiner palästinensischen Mutter. «Dieser Terror richtet sich gegen alle. Auch gegen die Palästinenser selbst. Deswegen müssen wir alle gemeinsam diesen Terror gegen die Menschlichkeit mit einer gemeinsamen Stimme benennen und ihn verurteilen», fügte Baerbock hinzu.

Israels Außenminister dankt für deutsche Solidarität

Baerbock versicherte Israel und seiner Bevölkerung der deutschen Solidarität. «In diesen schrecklichen Tagen stehen wir an Ihrer Seite und fühlen mit Ihnen. In diesen Tagen sind wir alle Israelis», sagte die Grünen-Politikerin. Sie ergänzte: «Ich möchte unsere tiefste Solidarität seitens der deutschen Regierung, aber auch der deutschen Bevölkerung zum Ausdruck bringen.»

Cohen dankte Deutschland für die Solidarität. Er sagte Baerbock beim gemeinsamen Besuch in Netivot: «Danke, dass Sie in diesen schweren Zeiten gekommen sind, um Unterstützung und Solidarität mit dem Staat Israel zu zeigen.»

Cohen bekräftigte angesichts der Gräueltaten am vergangenen Samstag, die im Gazastreifen herrschende Hamas sei schlimmer als das Terrornetzwerk Islamischer Staat (IS). Ein friedliches Zusammenleben mit der Hamas sei unmöglich. «Man kann sie nicht einmal als Tiere bezeichnen», sagte er mit Blick auf die Berichte schlimmster Grausamkeiten bei dem Massaker am Samstag.

Auch Bundeskanzler Olaf Scholz habe seine Unterstützung Israels in diesen Zeiten sehr deutlich gemacht, sagte Cohen. «Das jüdische Volk, die Bürger Israels und die ganze Welt sagen "Nie wieder" zu solchen Szenen von Kindern, die in einen Raum gebracht und ermordet werden.»

Baerbock will Familie einer verschleppten Deutschen treffen

Baerbock will sich nach Informationen der Familie der mutmaßlich in den Gazastreifen verschleppten deutschen Staatsbürgerin Shani Louk auch mit deren Mutter treffen. Die Familie der 22-Jährigen teilte im baden-württembergischen Sulz am Neckar mit, das Treffen solle am Nachmittag an einem geheimen Ort stattfinden. Shani Louk soll bei einem Musikfestival in der israelischen Negev-Wüste von der Hamas als Geisel genommen worden sein.

Ihre aus Ravensburg stammende Mutter hatte am Dienstag in einer Videobotschaft erneut um Hilfe für ihre Tochter gebeten. Die junge Frau sei schwer verletzt, aber am Leben. Die Familie geht davon aus, dass sich Shani Louk im Gazastreifen befindet.

Furcht vor einem Flächenbrand

Bei ihrem Besuch setzt die Grünen-Politikerin auch auf Partner und Nachbarstaaten des angegriffenen Landes. «Der Terror der Hamas birgt die Gefahr, eine ganze Region zu destabilisieren», warnte Baerbock. «Es gilt jetzt zu verhindern, dass weitere Akteure in der Region Öl ins Feuer gießen», mahnte Baerbock.

Wo es zuletzt vorsichtige Annäherungsschritte gegeben habe, wolle die Islamistenorganisation Hamas einen Flächenbrand auslösen, sagte die Ministerin. Hintergrund ist die jüngste Annäherung Israels mit Golfstaaten wie Saudi-Arabien, die in der arabischen Welt hoch umstritten ist. Gemutmaßt wird, dass die Hamas diese Entwicklung mit ihrer Terrorattacke gezielt sabotieren wollte.

Baerbock reist am Abend nach Ägypten weiter

Am Abend reist Baerbock zu weiteren Krisengesprächen nach Ägypten. Neben der regionalen Lage nach den Angriffen der Hamas auf Israel würden dort auch die Bemühungen um die Freilassung der von den Islamisten nach Gaza verschleppten Geiseln im Mittelpunkt stehen, hieß es aus Delegationskreisen. Auch die humanitären Bemühungen Ägyptens für die Zivilbevölkerung in Gaza würden Thema sein.

Der Airbus der Flugbereitschaft der Bundeswehr, mit dem Baerbock von Berlin nach Tel Aviv geflogen ist, wird demnach mit mehr als 80 deutschen Staatsangehörigen nach Deutschland zurückkehren. Auf ihrem Rückflug würden die Deutschen vom Krisenbeauftragten des Auswärtigen Amtes begleitet. Baerbock reist mit einem kleineren Flugzeug der Flugbereitschaft weiter.

Auch von der Leyen besucht Israel

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ist zu einem Solidaritätsbesuch in Israel eingetroffen. Von der Leyen wird von EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola begleitet. Die Politikerinnen wollen die israelische Führung treffen, teilt von der Leyen auf der Onlineplattform X (früher Twitter) mit. Metsola schrieb auf X, der Terror werde nicht siegen. «Wir können - wir müssen - die Hamas stoppen».

Kritik an Ausreise-Orga: Warnung vor «absolutem Chaos»

In der ZDF-Sendung «Maybrit Illner» hatte Baerbock Vorwürfe zurückgewiesen, ihr Ministerium habe nicht genug für eine schnelle Ausreise von Deutschen aus Israel getan. Sie verwies auf die schwierige Situation vor Ort und die relativ hohe Zahl von rund 100.000 Deutschen und Doppelstaatlern in Israel. Wenn man alle Ausreisewilligen zum Flughafen gebeten hätte, wäre das «absolute Chaos» entstanden, sagte Baerbock.

Gestern gab es vier Sonderflüge der Lufthansa von Israel nach Deutschland. Damit seien mehr als 1000 Menschen zurückgeholt worden, sagte Baerbock. Für heute sind vier Sonderflüge angekündigt. Zudem bereitet sich die Bundeswehr darauf vor, notfalls ebenfalls deutsche Staatsbürger aus Israel nach Deutschland bringen zu können.

Die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) kritisierte allerdings die geplanten Rückholflüge durch zivile Fluggesellschaften. Wegen des «unkalkulierbaren Risikos» müssten derartige Flüge von der Luftwaffe durchgeführt werden, erklärte die VC in Frankfurt. Militär-Crews seien für derartige Operationen geschult und ihre Flugzeuge verfügten über entsprechende Ausrüstung.

@ dpa.de