UN-Sicherheitsrat, Waffenruhen

Angesichts des Kriegs in dem abgeriegelten Küstenstreifen findet das Gremium eine gemeinsame Stimme: Die Kämpfe sollen vorübergehend eingestellt und Zivilisten geschont werden.

16.11.2023 - 04:37:03

UN-Sicherheitsrat fordert Waffenruhen in Gaza. Der Überblick.

Nach dem Angriff der israelischen Armee auf Stellungen der islamistischen Hamas im Gazastreifen hat der Weltsicherheitsrat tagelange Feuerpausen gefordert. In einer von Ratsmitglied Malta eingebrachten Resolution werden unter anderem «dringende und ausgedehnte humanitäre Pausen und Korridore im gesamten Gazastreifen für eine ausreichende Anzahl von Tagen» gefordert, um im Einklang mit dem Völkerrecht humanitäre Hilfe zu gewährleisten.

Die USA verzichteten bei der Abstimmung am Mittwoch auf ein Veto und enthielten sich, genauso wie Russland und Großbritannien. 12 der insgesamt 15 Ratsmitglieder stimmten für den Entwurf, über den lange gerungen worden war. Israel erteilte der Forderung nach längeren Feuerpausen angesichts der in den Gazastreifen verschleppten Geiseln umgehend eine Absage. Resolutionen des Sicherheitsrats sind völkerrechtlich bindend und können so eine internationale Wirkmacht entfalten.

Israel: Keine Feuerpausen ohne Geisel-Freilassung

Israel lehnt längere humanitäre Feuerpausen im Gaza-Krieg ab, solange noch immer 239 Geiseln in der Gewalt der islamistischen Hamas sind. «Israel ruft den Weltsicherheitsrat und die internationale Gemeinschaft dazu auf, entschlossen die Freilassung aller israelischen Geiseln zu fordern, wie es die Resolution festlegt», hieß es in der Stellungnahme des Außenministeriums. «Israel erwartet vom Weltsicherheitsrat, die Hamas eindeutig zu verurteilen und sich zu der Notwendigkeit zu äußern, im Gazastreifen eine neue Sicherheitslage zu schaffen.»

Derweil griff Israel erneut Ziele auch der Hisbollah-Miliz im Libanon an. Israelische Kampfflugzeuge hätten mehrere Stellungen der schiitischen Bewegung angegriffen, teilten Israels Streitkräfte am Donnerstag mit. Zudem hätten Soldaten einen «Terroristen» beschossen, der im Libanon nahe der nordisraelischen Ortschaft Schlomi aktiv gewesen sei.

Der arabische Fernsehsender Al-Majadin berichtete, ein israelisches Kampfflugzeug habe im Libanon mehrere Ziele im Bereich der gemeinsamen Grenze angegriffen. Libanesische Sicherheitskreise bestätigten Angriffe Israels mit Kampfflugzeugen sowie mit Artillerie. Die staatliche Nachrichtenagentur NNA berichtete, Israel habe weitere Ziele im östlichen Gebiet der Grenze angegriffen.

UN-Organisattionen lehnen Israels Sicherheitszonen ab

UN-Organisationen lehnten unterdessen jede Beteiligung an von Israel vorgeschlagenen oder eingerichteten Sicherheitszonen für Zivilisten im Gazastreifen ab. So etwas sei nur mit Zustimmung aller Parteien möglich, teilten die Spitzen von fast zwei Dutzend Organisationen am Donnerstag in Genf mit. Darunter waren die Chefs und Chefinnen der Weltgesundheitsorganisation (WHO), des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR), der UN-Organisation für Migration, und des UN-Kinderhilfswerks Unicef.

«Keine Sicherheitszone ist wirklich sicher, wenn sie von nur einer Seite deklariert und durch die Präsenz des Militärs durchgesetzt wird», hieß es in der Erklärung. Sie stellten klar, dass keine der UN-Organisationen an der Einrichtung solcher Zonen beteiligt war oder dort Vorkehrungen für die Ankunft von Vertriebenen getroffen habe.

Konfliktparteien hätten ohnehin die Pflicht, Zivilisten bei Kampfhandlungen zu verschonen, unabhängig davon, wo sie sich aufhielten. Und sie müssten dafür sorgen, dass Zivilisten versorgt werden und humanitäre Helfer sie erreichen können.

Biden: «Leicht hoffnungsvoll» bei Geisel-Befreiung

Mit Blick auf die Befreiung der von der Hamas festgehaltenen Geiseln zeigte sich US-Präsident Joe Biden vorsichtig optimistisch. «Ich bin leicht hoffnungsvoll», sagte Biden bei einer Pressekonferenz. Man habe in dieser Frage großartig mit dem Golfstaat Katar kooperiert. «Ich arbeite daran, wie ich dazu beitragen kann, dass die Geiseln freigelassen werden, und dass es eine Zeitspanne gibt, in der es eine Pause gibt, die lang genug ist, um dies zu ermöglichen», sagte Biden mit Blick auf Feuerpausen im Gazastreifen.

Auf die Frage, ob Biden dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu eine Art Frist für die Angriffe in Gaza gesetzt habe, sagte der US-Präsident: «Ich denke, dass es aufhören wird, wenn die Hamas nicht mehr die Fähigkeit hat, zu morden, zu missbrauchen und den Israelis einfach nur schreckliche Dinge anzutun.»

Biden hat zugleich bekräftigt, dass er eine Besetzung des Gazastreifens durch Israel nach einem Ende des Kriegs gegen die Hamas ablehnt. «Ich habe den Israelis klar gemacht, dass es meiner Meinung nach ein großer Fehler ist, zu glauben, sie würden Gaza besetzen und Gaza behalten», sagte Biden laut Mitteilung des Weißen Hauses. «Ich glaube nicht, dass das funktioniert.»

US-Botschafterin bei UN: Wollen keine Kämpfe in Kliniken

Nach der Annahme der Gaza-Resolution im Weltsicherheitsrat betonte die US-amerikanische UN-Botschafterin Linda Thomas-Greenfield die Verantwortung Israels in dem Krieg. «Ich möchte klarstellen: Die Vereinigten Staaten wollen keine Feuergefechte in Krankenhäusern, wenn unschuldige Menschen, hilflose Menschen, kranke Menschen versuchen, medizinische Versorgung zu bekommen», sagte Thomas-Greenfield.

Patienten müssten geschützt werden. Die Botschafterin erinnerte daran, dass die Konfliktparteien das Völkerrecht achten müssten, auch Israel. «Die Maßnahmen der Hamas verringern nicht die Verantwortung Israels, unschuldige Menschen in Gaza zu schützen. Letzten Endes läuft alles auf ein klares, dringendes Ziel hinaus: die Rettung unschuldiger Leben.»

Ägypten: Keine Obergrenze für Aufnahme von Verletzten aus Gaza

Ägypten sieht für die Aufnahme und Behandlung von Verletzten aus dem umkämpften Gazastreifen vorerst keine Obergrenze. Ägypten sei bereit, eine beliebige Zahl Verletzter aufzunehmen, so lange sie den Grenzübergang Rafah erreichen könnten. Das sagte Ahmed Mansur, Leiter des Krankenhauses im Küstenort Al-Arisch nahe des Grenzübergangs, vor Journalisten. Auch andere Krankenhäuser seien weiter bereit, Palästinenser aufzunehmen.

Ägyptens Gesundheitsminister Chalid Abdel Ghaffar hatte ebenfalls bereits erklärt, dass alle einreisenden Verletzten behandelt würden. «Wir sind bereit, alle ärztlichen Fälle zu behandeln, die über den Grenzübergang Rafah kommen, aber die israelische Seite kontrolliert ihre Zahl», sagte Abdel Ghaffar zuletzt.

UN: Letzte verbliebene Mühle im Gazastreifen zerstört

Im Gazastreifen ist nach Informationen des UN-Nothilfebüros OCHA die letzte verbliebene Mühle zum Mahlen von Mehl außer Betrieb. Das Gebäude der für die Versorgung wichtigen As Salam-Mühle in Deir Al Balah sei Berichten zufolge bei einem Angriff getroffen und zerstört worden, erklärte OCHA am Donnerstag, ohne die Quelle für die Berichte zu nennen. «Dies war die letzte noch funktionierende Mühle im Gazastreifen, und die Zerstörung bedeutet, dass auf absehbare Zeit kein lokal produziertes Mehl mehr zur Verfügung stehen wird», so OCHA. Das Mehl wird in dem abgeriegelten Küstengebiet unter anderem zur Herstellung von Brot benötigt.

Israelischer Militäreinsatz in Gazas größtem Krankenhaus

Bei einem Einsatz im größten Krankenhaus des Gazastreifens entdeckten israelische Bodentruppen nach eigenen Angaben eine Kommandozentrale mit Kommunikationsausrüstung. Der Geheimdienst soll das Material nun auswerten. Zudem seien im Schifa-Hospital Waffen, geheimdienstliches Material, Militärtechnik und militärische Ausrüstung der islamistischen Hamas gefunden worden, hieß es in einer Mitteilung der Streitkräfte.

Bei einem Gefecht vor der Klinik töteten Soldaten Medienberichten zufolge mindestens fünf bewaffnete Hamas-Mitglieder. Das israelische Militär ist davon überzeugt, dass sich unter dem Krankenhaus eine Hamas-Kommandozentrale befindet. Die Hamas bestreitet dies. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen.

Israel: Geisel bringt in Hamas-Gefangenschaft Baby zur Welt

Eine Geisel in der Gewalt der islamistischen Hamas brachte nach israelischen Informationen in Gefangenschaft ein Baby zur Welt. Das schrieb Sara Netanjahu, die Frau des israelischen Ministerpräsidenten, in einem Brief an die amerikanische First Lady Jill Biden.

Unter den Geiseln seien auch 32 Kinder, hieß es in dem Brief. Eines davon sei zehn Monate alt. «Eine der entführten Frauen war schwanger», schrieb sie zudem. «Sie hat ihr Baby in Hamas-Gefangenschaft zur Welt gebracht. Man kann sich nur vorstellen, was dieser jungen Mutter durch den Kopf geht, während sie mit ihrem Neugeborenen von diesen Mördern festgehalten wird.»

@ dpa.de