Nawalny-Team, Protest

An Protestaktionen gegen die Wiederwahl von Kremlchef Putin nehmen am Sonntag in ganz Russland Menschen teil.

17.03.2024 - 11:02:14

Nawalny-Team: Sehr viele bei Protest gegen Putin-Wahl. Besonders groß ist der Zulauf in den Millionenmetropolen Moskau und St. Petersburg.

  • Wladimir Putin beherrscht die russische Politik seit fast einem Vierteljahrhundert. - Foto: Mikhail Metzel/Kremlin Pool/Planet Pix via ZUMA Press Wire/dpa

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  • Wählerinnen und Wähler stehen um 12 Uhr mittags Ortszeit vor einem Wahllokal in Moskau an. Kremlgegner hatten zuvor zu der Aktion «Mittag gegen Putin» aufgerufen. - Foto: Uncredited/AP/dpa

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Wladimir Putin beherrscht die russische Politik seit fast einem Vierteljahrhundert. - Foto: Mikhail Metzel/Kremlin Pool/Planet Pix via ZUMA Press Wire/dpaWählerinnen und Wähler stehen um 12 Uhr mittags Ortszeit vor einem Wahllokal in Moskau an. Kremlgegner hatten zuvor zu der Aktion «Mittag gegen Putin» aufgerufen. - Foto: Uncredited/AP/dpa

Tausende Menschen haben sich in Moskau und St. Petersburg am letzten Tag der Präsidentenwahl in Russland an dem stillen Protest gegen die Wiederwahl von Kremlchef Wladimir Putin beteiligt. Das Umfeld des im Straflager gestorbenen Oppositionellen Alexej Nawalny berichtete, dass sich bei der vom Team des Kremlgegners organisierten Aktion «Mittag gegen Putin» am Sonntag in den Millionenstädten lange Schlangen um 12.00 Uhr Ortszeit (10.00 Uhr MEZ) an den Wahllokalen bildeten. Russische Wähler folgten demnach massenhaft dem Aufruf, mit der Anwesenheit zur Mittagszeit ihre Ablehnung gegen Putin zu zeigen.

Auch in vielen anderen russischen Städten gab es zahlreiche Teilnehmer an den Aktionen. Nawalnys Team zeigte in einem Live-Stream bei YouTube zahlreiche Videos und Fotos von den Aktionen. Der Oppositionelle Leonid Wolkow, ein enger Vertrauter Nawalnys im Exil im Baltikum, sprach von einer «Explosion» des Widerstands gegen eine fünfte Amtszeit Putins.

Vor dem Wahllokal 31 in Moskau hatte sich ebenfalls eine Schlange gebildet, wie ein Reporter der Deutschen Presse-Agentur vor Ort berichtete. Der Wahlbezirk ist klein, trotzdem fanden sich zur Mittagszeit mehr als 50 Menschen dort ein.

Abgewiesener Kandidat Nadeschdin nimmt an Wahlprotest teil

Der von der Präsidentenwahl ausgeschlossene Oppositionspolitiker Boris Nadeschdin beteiligte sich an der friedlichen Protestaktion «Mittag gegen Putin» in Moskau. Im Moskauer Institut für Physik und Technik, wo ein Wahllokal ist, wurde er mit großem Applaus von Studenten empfangen, wie ein von ihm am Sonntag bei Telegram veröffentlichtes Video zeigt. «Ich denke, ihr werdet noch die Chance haben, für mich zu stimmen», sagte er den Versammelten. Er kündigte die Veröffentlichung eigener Nachwahlbefragungen nach Schließung der Wahllokale an. Deren Ergebnisse unterschieden sich stark von dem, was die Obrigkeit erwartet habe, sagte er.

Auf dem Video ist Nadeschdin von Dutzenden Studenten umgeben, die seinen Namen und später den Namen der Universität skandieren. Der Politiker, der an der Uni lehrt, bedankte sich für die Unterstützung und versprach, weiter kämpfen zu wollen. Sein Ziel sei der Sieg seiner Partei Bürgerinitiative schon bei der kommenden Parlamentswahl.

Nawalnys Team beklagt massenhaften Betrug

Die Opposition schlug den Wählern vor, die Stimmzettel etwa durch das Ankreuzen mehrerer der vier Kandidaten ungültig zu machen. Zudem gab es die Möglichkeit, einen von Nawalny erdachten Zufallsgenerator auf dem Mobiltelefon zu nutzen, der einen Kandidatennamen ausgab.

Nawalnys Team beklagt massenhaften Betrug bei der Abstimmung. Die Aktion gegen Putin sollte laut dem Nawalny-Team auch zeigen, dass die Angaben zur Wahlbeteiligung auch laut vielen unabhängigen Beobachtern manipuliert sind.

Teils hatten die Behörden in Russland vor solchen Protestaktionen gewarnt und den Menschen mit Anzeigen wegen Extremismus gedroht. Teils veröffentlichten Wähler Stimmzettel in den sozialen Netzwerken, auf denen neben Putins Namen das Wort Mörder stand. Manche schrieben demnach auch einfach den Namen Nawalnys auf den Stimmzettel. Ein älterer Mann sagte mit Blick auf den im Februar gestorbenen Oppositionsführer: «Mein Präsident ist schon nicht mehr unter den Lebenden». Nawalny ist in Moskau beerdigt.

Festnahmen bei Wahlprotesten gemeldet

Bei den Protestaktionen wurden Bürgerrechtlern zufolge Dutzende Menschen festgenommen. Insgesamt zählte die Organisation Ovd-Info bis zum frühen Sonntagnachmittag landesweit rund 50 Festnahmen - fast die Hälfte davon in der Stadt Kasan. Auch Menschen in Moskau und St. Petersburg waren betroffen. Viele von ihnen wollten sich demnach um exakt 12.00 Uhr Ortszeit vor ihren Wahllokalen in langen Schlangen anstellen, um so ihren Unmut über von der Opposition als undemokratisch eingestufte Wiederwahl von Kremlchef Putin zu zeigen.

Nawalnaja bei Demo gegen Putin in Berlin

An Protesten gegen Putin nahe der russischen Botschaft in Berlin nahm am Sonntag auch Nawalnys Witwe Julia Nawalnaja teil. Nawalnys Team veröffentlichte am Nachmittag auf Telegram Aufnahmen, die Nawalnaja in Begleitung von Sprecherin Kira Jarmysch inmitten einer Menschenmenge auf der Wilhelmstraße zeigen. Zu sehen ist auch, wie Nawalnaja von einer Frau umarmt wird. Dazu schrieb das Team die Worte «Mittag gegen Putin».

Russlands Wahlkommission meldet höhere Beteiligung als 2018

Nach Angaben der Wahlleitung liegt die Beteiligung höher als bei der vorherigen Abstimmung von 2018. Der Wert von 67,54 Prozent von damals sei mit Stand 11.50 Uhr MEZ übertroffen worden, meldete die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass unter Berufung auf die Wahlkommission. Zwei Stunden später wurde die Beteiligung dann von Wahlleiterin Ella Pamfilowa mit rund 70,8 Prozent angegeben.

Zusätzlich stimmten Millionen Menschen - Berichten zufolge teilweise auf behördlichen Druck - online ab. Der Machtapparat strebt trotz des absehbar sicheren Siegs von Putin eine hohe Wahlbeteiligung an, um das Ergebnis legitim erscheinen zu lassen.

Kritiker beklagen hingegen, besonders das Online-Verfahren sei leicht manipulierbar. Unabhängige Beobachter kritisieren, dass viele Bürger von ihren staatlichen Arbeitgebern an die Wahlurnen gedrängt worden seien. Nicht nur das ist illegal, auch der von Wählern berichtete Auftrag, Fotos von dem Wahlzettel an Vorgesetzte zu schicken, gilt als Verstoß gegen das Wahlrecht.

@ dpa.de