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Wegen Justizreform in Polen: Gericht lehnt Auslieferung von Verddächtigem ab

09.03.2020 - 08:51:49

Das baden-württembergische Oberlandesgericht Karlsruhe hat in einem Beschluss die Auslieferung eines Verdächtigen in sein Herkunftsland Polen abgelehnt und verweist in seiner Begründung auf die dortige Bedrohung für die rechtsstaatlichen Verhältnisse.

So melden es, unter Bezug auf den Beschluss des Gerichts, die im "Redaktionsnetzwerk Deutschland" (RND) zusammengefassten Tageszeitungen in ihren Montagsausgaben. Der Deutsche Richterbund sagt, dies sei der erste Fall dieser Art in Deutschland.

Laut dem Beschluss des 1. Strafsenats vom 17. Februar 2020 habe das Gericht den Auslieferungsbefehl gegen den am vierten Dezember des letzten Jahres festenommenen Mann aufheben müssen, da sich mit großer Wahrscheinlichkeit "die Auslieferung des Verfolgten... zum Zwecke der Strafverfolgung wegen der derzeitigen aktuellen Entwicklungen in Polen im Rahmen der `Justizreform` als zumindest derzeit unzulässig" herausgestell habe. Zumindest benötige man weitere Informationen durch die polnischen Justizbehörden.

Das Gericht ordnete zudem an, den Verdächtigen freizulassen. Der steht in Polen unter anderem unter Betrugsverdacht und hat dort im Falle einer Verurteilung eine Höchststrafe von bis zu acht Jahren zu erwarten. Der Mann bestreitet die gegen ihn erhobenen Vorwürfe und behauptet, zwei einflussreiche Landsleute hätten mehrere Zeugen bestochen, damit sie gegen ihn aussagen, und sie hätten ihn selbst sogar verprügeln lassen. Außerdem lebe er seit nunmehr drei Jahren mit seiner Lebensgefährtin in Deutschland. Das Oberlandesgericht Karlsruher hat nun entschieden, es gebe tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass der Verdächtige im Falle einer Auslieferung nach Polen "einer echten Gefahr der Verletzung seines Rechts auf ein faires Verfahren ausgesetzt" wäre. So müsse das Gericht "auch über die Einflussnahme angeblich einflussreicher Personen auf die Wahrheitsfindung im Strafverfahren entscheiden". Falls aber die polnischen Strafrichter allein wegen der von ihnen durchgeführten Würdigung von Beweisen in einem Verfahren mit Disziplinarmaßnahmen zu rechnen hätten, dann "wären sie nicht vollkommen unabhängig", und dann könne von einem fairen Verfahren gegen den Verdächtigten keine Rede mehr sein. Da aber die Unabhängigkeit der polnischen Disziplinarkammern nicht gegeben sei, lägen hier "durchgreifende Zweifel an der künftigen Unabhängigkeit der polnischen Justiz" vor. Der 1. Strafsenat habe bei seiner Entscheidung auch berücksichtigt, dass die dem Verdächtigten vorgeworfenen Straftat nicht sehr schwerwiegend sei, er einen festen Wohnsitz in Deutschland habe und er wegen der politischen Entwicklung in seinem Heimatland auch nicht mehr unbedingt seine Auslieferung nach Polen zu erwarten habe. Somit entfalle auch der Haftgrund der Fluchtgefahr.

Sven Rebehn, der Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbundes, erklärte gegenüber dem 'Redaktionsnetzwerk Deutschland", durch den Umbau seines Justizsystems drohe Polen, "sich in der europäischen Rechtsgemeinschaft zu isolieren". Die anderen Mitgliedsstaaten der Europäsichen Union hätten große Schwierigkeiten damit, "ein Land bei der Strafverfolgung zu unterstützen, das sich immer weiter vom gemeinsamen Rechtsstaatsverständnis der EU" entferne. Wenn die Integrität Polens als Rechtsstaates aber mehr und mehr zweifelhaft sei, dann fehle einer rechtlichen Zusammenarbeit mit der polnischen Justiz die Grundlage, stellte Rebehn fest.

 

Redaktion ad-hoc-news.de, RSM

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