Asyl, Asylrecht

Keine individuellen Asylanträge mehr, dafür eine Aufnahme von Flüchtlingen über Kontingente: Der Vorschlag des Unionspolitikers Frei polarisiert.

19.07.2023 - 10:23:31

CDU-Politiker Frei verteidigt Asyl-Vorstoß. Mittlerweile hat auch die Bundesregierung Stellung bezogen.

Der CDU-Politiker Thorsten Frei hat Kritik an seinen Vorschlägen für eine radikale Reform des Asylrechts zurückgewiesen. Zu Äußerungen von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) von Anfang Juni, wer das Grundrecht auf individuelles Asyl antaste, spiele das dreckige Spiel der rechten AfD mit, sagte er: «Ich finde das weder sachgerecht noch angemessen, noch fair.»

Er habe einen Debattenbeitrag geliefert, betonte Frei im RTL/ntv-«Frühstart». «Und wenn die Frau ehrlich wäre, dann müsste sie erkennen, dass so wie es ist, nicht gut ist - und meines Erachtens auch nicht bleiben kann.» Der Vorschlag sorgt quer durch die Parteien für kontroverse Debatten; aus der Union kam Zuspruch. Auch Regierungssprecher Steffen Hebestreit bezog Stellung.

Frei sagte weiter, Faeser täte gut daran, sich ernsthaft mit seinen Gedanken zur Steuerung der Migration nach Europa auseinanderzusetzen. «Denn sie hat ja ganz offensichtlich keine besseren Vorschläge zu bieten.»

Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag schlägt vor, das Recht einzelner Migranten, auf europäischem Boden Asyl zu beantragen, abzuschaffen und durch Aufnahme-Kontingente zu ersetzen. Diese 300.000 bis 400.000 Flüchtlinge pro Jahr sollten direkt im Ausland ausgewählt und dann in Europa verteilt werden. «Eine Antragstellung auf europäischem Boden wäre nicht länger möglich, der Bezug von Sozialleistungen und Arbeitsmöglichkeiten umfassend ausgeschlossen», schrieb der CDU-Politiker in der «FAZ».

Frei: Lösungsansatz für «objektives Problem»

Frei sagte den Sendern, sein Konzept sei eine Antwort auf die steigenden Asylbewerberzahlen. «Wenn Sie allein das Jahr 2022 nehmen, wo etwa 1,3 Millionen Menschen schutzbedürftig nach Deutschland gekommen sind und hier Asyl beantragt haben, dann muss man sagen, ist es eine Zahl, die man mit Sicherheit nicht jedes Jahr wiederholen kann, weil das die Leistungskraft, auch die Integrationskraft der Gesellschaft überfordern würde.»

Nach Zahlen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) stellten vergangenes Jahr 217.774 Menschen in Deutschland einen Asylantrag - 47 Prozent mehr als im Jahr zuvor und so viele wie seit 2016 nicht mehr. Die meisten kamen aus Syrien (70.976), Afghanistan (36.358), der Türkei (23.938), dem Irak und Georgien. Zusätzlich fanden eine Million Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine Aufnahme, ohne dass sie Asyl beantragen mussten.

Auf die Frage, ob er mit seinen Vorschlägen auch auf die zurzeit hohen Zustimmungswerte für die AfD reagiere, sagte Frei, er schaue nicht so sehr auf die politischen Werte anderer Parteien. «Sondern ich mache das, wofür Politiker aus meiner Sicht da sind: Wir haben ein objektives Problem, das viele Menschen bei uns im Land als eine große Herausforderung und ein großes Problem identifizieren. Und dann ist es unsere Aufgabe, Vorschläge zu machen, wie man damit umzugehen hat.»

Auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sieht Handlungsdruck. «Es kann bei der illegalen Migration nicht so weitergehen wie bisher. Die Zahl der Menschen, die nach Deutschland kommen, um Asyl zu beantragen, ist erkennbar zu groß», sagte er der Deutschen Presse-Agentur am Dienstag.

Bundesregierung hält an Individualanspruch auf Asyl fest

Politiker der Ampel-Fraktionen lehnten die Vorschläge ab. Auch von AfD und Linken kam Kritik.

Die Bundesregierung will indes am individuellen Anspruch auf Asyl nicht rütteln. Regierungssprecher Hebestreit antwortete am Mittwoch in Berlin auf eine entsprechende Frage eines Journalisten: «Solche Überlegungen sind mir innerhalb der Bundesregierung nicht bekannt, Komma, und würden mich auch überraschen, Punkt.»

Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums verwies darauf, dass es die Aufnahme von Flüchtlingen über Kontingente und das sogenannte Resettlement bereits gibt. Zu Schwierigkeiten bei der Rückführung abgelehnter Asylbewerber sagte er, Abschiebungen seien grundsätzlich eine Aufgabe der Bundesländer. Die Bundesregierung engagiere sich auf diesem Gebiet jedoch auch, indem sie Gesetzesänderungen vorantreibe und auch praktische Unterstützung leiste, etwa bei der Rückführung von Menschen, die schwere Straftaten begangen haben.

Experte: Vorschlag führte zu «großer Schicht prekär lebender Personen»

Der Migrationsexperte Daniel Thym sagte der «Welt», Freis Vorstoß hätte bei einer Umsetzung schwerwiegende Folgen. Es kämen dann weiter Menschen nach Deutschland, die kein Asyl beantragen und nicht arbeiten könnten und bestimmte Leistungen nicht erhielten. «Droht ihnen Gefahr in den Herkunftsländern, dürfen wir sie nicht abschieben. Im Ergebnis würde Herr Freis Vorschlag also bedeuten, eine große Schicht prekär lebender Personen in Deutschland zu schaffen», so der Konstanzer Ausländerrechtsexperte.

Das Deutsche Institut für Menschenrechte merkte an, dass der individuelle Zugang zu einem fairen Asylverfahren in Deutschland und der EU nicht dadurch ersetzt werden könne, dass Schutzbedürftige direkt aus dem Ausland aufgenommen werden. Es verwies darauf, dass diese Möglichkeit ohnehin bereits bestehe, «im Rahmen humanitärer Aufnahmeprogramme und von Resettlement».

Unterstützung aus der Union

Der innenpolitische Sprecher der Union im Bundestag, Alexander Throm (CDU), unterstützt Freis Vorschlag. Er sagte der Deutschen Presse-Agentur, Frei habe zu Recht darauf hingewiesen, «dass unser Migrationssystem derzeit völlig falsche Zustände verursacht».

Menschen lieferten sich Schleppern aus und wagten eine gefährliche Überfahrt über das Mittelmeer. Sie durchquerten manchmal die halbe Welt «und dabei viele sichere Länder», um sich Europa als «Wunschort» auszusuchen. Dabei gelte leider das Prinzip: «Die Starken kommen an, die Schwachen bleiben auf der Strecke.» Throm sagte, dieser Effekt sei nie beabsichtigt gewesen, weder von den Vereinten Nationen noch vom deutschen Grundgesetz. Besser wäre nach seinen Worten eine Auswahl allein nach humanitären Kriterien in den Herkunftsländern.

Migrationsexperte Thym sagte, Pull-Faktoren würden bei Freis Vorschlag «nur gering» geschmälert, da «die Menschenwürde nach Meinung des Bundesverfassungsgerichts verlangt, jedenfalls eine rudimentäre Versorgung bereitzustellen». Thym kritisierte: «Was ist mit denen, denen Verfolgung oder Menschenrechtsverletzungen drohen, die aber trotzdem hier ankommen und nicht in den «Kontingenten» sind? Werden auch die abgeschoben?» Wenn Frei das meine, dann wäre das nicht mit den Menschenrechten machbar, sagte Thym.

@ dpa.de