Die EU setzt ein Zeichen: Trotz deutlicher Warnungen der US-Regierung von Donald Trump verschärft sie ihr Vorgehen gegen amerikanische Tech-Konzerne.
05.12.2025 - 12:22:39EU vs. Elon Musk: Brüssel verhängt Millionenstrafe gegen X
Die EU verhängt gegen Elon Musks Online-Plattform X wegen Transparenzmängeln eine Millionenstrafe. Die US-Firma müsse 120 Millionen Euro zahlen, unter anderem wegen einer irreführenden Authentifizierung von Nutzerkonten durch den weißen Verifizierungshaken auf blauem Grund, wie die zuständige EU-Kommission mitteilte. Sie wirft dem Twitter-Nachfolger auch vor, Forschern Daten vorzuenthalten und geschaltete Werbung nicht transparent zu dokumentieren.
Die Entscheidung gegen X auf Grundlage des Gesetzes über digitale Dienste (Digital Services Act - DSA) könnte die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten belasten. Washington reagierte mit heftiger Kritik. Es sei «eine Attacke auf alle amerikanischen Tech-Plattformen und das amerikanische Volk durch ausländische Regierungen», schrieb Außenminister Marco Rubio auf X. Die Tage der Online-Zensur für Amerikaner seien vorbei.
Dabei geht es bei der Strafe der EU-Kommission gar nicht um den Vorwurf, die Plattform gehe nicht konsequent genug gegen illegale Inhalte oder Desinformation vor. Es sind die europäischen Vorgaben dazu, die in den USA oft als Zensur bezeichnet werden.
US-Vizepräsident JD Vance schrieb schon vor der Entscheidung auf X, die EU solle die Meinungsfreiheit unterstützen, anstatt amerikanische Unternehmen «wegen Müll» anzugreifen. US-Präsident Donald Trump hatte die europäischen Digitalgesetze in der Vergangenheit als wettbewerbsfeindlich kritisiert.
In ihrer am Donnerstagabend (Ortszeit) veröffentlichten Sicherheitsstrategie warnt die US-Regierung außerdem vor einem Verlust der Demokratie und Meinungsfreiheit in Europa. Demnach gebe es auch eine «Zensur der freien Meinungsäußerung».
Sind 120 Millionen Euro angemessen für einen Tech-Riesen?
Laut der Entscheidung der EU setzt sich die Strafe aus drei Teilen zusammen: 45 Millionen Euro für die Verifizierungshäkchen, 40 Millionen Euro für den fehlenden Datenzugang für Forscher und 35 Millionen Euro für fehlende Transparenz bei Werbung.
Die EU-Kommission rechtfertigte die Höhe der Strafe. Die Geldbuße stehe in einem angemessenen Verhältnis zum Verstoß, betonte ein EU-Beamter. Der Jahresumsatz von Musks Firma spiele bei der Berechnung der Strafe keine direkte Rolle.
Die Brüsseler Behörde argumentierte, dass die Art der Verifikation bei X für Nutzer irreführend sei. Sie könnten glauben, dass hinter den Konten mit den Häkchen echte, verifizierte Nutzer stehen - doch das sei nicht zwingend der Fall.
Musks X-Übernahme und der Haken an der Sache
Schon vor Jahren hatten die Verifizierungshäkchen für Ärger gesorgt. Als X noch Twitter hieß, wurden die weißen Häkchen auf blauem Untergrund zur Verifizierung nach einer Prüfung durch das Unternehmen an Prominente, Politiker und Personen des öffentlichen Lebens vergeben. Das ist auch die gängige Praxis bei anderen Online-Diensten.
Musk führte hingegen nach der Übernahme im Herbst 2022 ein, dass alle zahlenden Abo-Kunden Häkchen bekommen - wobei die Symbole genauso aussehen wie früher. Insbesondere unmittelbar nach der Umstellung gab es mehrfach Ärger, weil falsche Accounts von Unternehmen und Prominenten plötzlich echt wirkten.
Inzwischen heißt es auf der Webseite, dass neben einem Abo auch ein Benutzername und ein Profilfoto erforderlich seien. Außerdem dürfe es keine Anzeichen für betrügerisches oder irreführendes Verhalten geben. Auch gibt es inzwischen goldene Häkchen-Symbole für Unternehmen und silberne für Behörden und Regierungsorganisationen.
Zieht X vor Gericht? Wie reagiert Trump?
Mit Spannung wird nun erwartet, wie Musk auf die Strafe reagiert. Als die EU-Kommission im Juli 2024 ihre vorläufigen Ergebnisse in dem Fall präsentierte, reagierte er bei X mit Ironie: «Woher wissen wir, dass Sie echt sind?», fragte er auf einen Post des damals zuständigen EU-Kommissar Thierry Breton hin.
Abgesehen von Musks öffentlicher Reaktion könnte es sein, dass X gegen die Entscheidung rechtlich vorgehen wird und der Fall letztendlich vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) landen könnte. Für die EU-Beamten ist dabei klar: Der erste DSA-Fall, der eine Strafe nach sich zieht, dürfe nicht vor Gericht verloren werden. Der Imageschaden wäre groß, hieß es in Brüssel. Zunächst hat das US-Unternehmen nun 60 Werktage Zeit, Anpassungen anzukündigen.
Digital Services Act gilt seit Februar 2024
Die nun verhängte Strafe, ist die erste, die die Europäische Kommission auf Grundlage des DSA verhängt. Das umfangreiche Regelwerk gilt seit Februar 2024 und soll das scharfe Schwert gegen als gefährlich angesehene Praktiken von Tech-Riesen sein. Online-Plattformen müssen sich wegen des DSA an deutlich strengere Vorschriften halten: Beschwerden von Nutzern sollen besser aufgegriffen, illegale Inhalte schneller entfernt und Kinder besser geschützt werden.
Ansonsten müssen die Online-Plattformen mit empfindlichen Strafen rechnen: bis zu sechs Prozent des weltweiten Jahresumsatzes sind möglich. Die EU-Kommission kann auch tägliche Strafzahlungen verhängen, bis Probleme behoben sind. Kritiker halten der Behörde allerdings vor, diese Sanktionsmittel zu wenig zu nutzen.
Zuletzt forderte etwa Frankreich von den EU-Beamten, hart gegen den Online-Händler Shein vorzugehen, nachdem dieser Sexpuppen in Kinderoptik angeboten hatte. Die europäischen Internetwächter verlangten daraufhin Auskünfte von Shein.
Bundesdigitalminister Karsten Wildberger (CDU) lobte die Entscheidung gegen X als wichtiges Signal. Sie zeige, dass die EU-Kommission den DSA entschlossen anwende und europäische Werte schütze, sagte er am Rande eines Treffens der Digitalminister in Brüssel.
Gegenbeispiel Tiktok? EU-Verfahren eingestellt
Neben der Millionenstrafe für X verkündete die EU-Kommission - zeitgleich -, dass ein Verfahren gegen Tiktok eingestellt worden sei. Die Videoplattform, des Mutterkonzerns Bytedance mit Sitz in Peking, war ebenfalls wegen intransparenter Werbung ins Visier von Brüssel geraten.
Der DSA verpflichtet Plattformen dazu, ein zugängliches und durchsuchbares Archiv der geschalteten Anzeigen zu führen. Die EU-Kommission argumentiert, diese Archive seien für Behörden, Forscher und die Zivilgesellschaft von entscheidender Bedeutung. Etwa um Betrugsversuche, Werbung für illegale oder nicht kindgerechte Produkte oder Desinformationskampagnen aufzudecken.
Nach intensiven Gesprächen habe Tiktok hierzu verbindliche Zusagen gemacht und räume damit die Vorwürfe der EU-Kommission aus, heißt es in einer Mitteilung der Brüsseler Behörde. Allerdings laufen auch gegen Tiktok weitere Verfahren. Etwa wegen des möglichen Einflusses, den die Videoplattform auf Kinder und Jugendliche oder auch demokratische Prozesse hat. Entscheidungen in diesen Verfahren stehen noch aus.
Der US-Firma X könnten ebenfalls weitere Strafen drohen. So haben die europäischen Internetwächter X ebenfalls seit Dezember 2023 im Visier, weil die Plattform im Verdacht steht, nicht genug gegen illegale Inhalte oder Desinformation zu tun. Die Entscheidungen in diesen Untersuchungen stünden noch aus, hieß es von den EU-Beamten.







