Gericht, Exporteure

Gericht stärkt Exporteure: Banken dürfen Russland-Zahlungen nicht pauschal blockieren

05.12.2025 - 02:20:12

Frankfurt setzt ein Zeichen: Das Oberlandesgericht (OLG) hat klargestellt, dass Geldinstitute nicht aus reiner Vorsicht Überweisungen aus Russland einfrieren dürfen. Ein wegweisendes Urteil, das deutschen Firmen den Rücken stärkt – und Banken zu mehr Sorgfalt zwingt.

Die Richter bestätigten gestern: “Gewöhnliche Zahlungsvorgänge” für nicht sanktionierte Waren sind keine verbotene Finanzhilfe im Sinne der EU-Vorschriften. Damit kassiert das OLG die zunehmende Praxis des “Over-Compliance” ab – jene übervorsichtige Haltung, mit der Banken aus Angst vor Strafen lieber zu viel als zu wenig blockieren.

Den Anstoß gab eine scheinbar banale Überweisung im Frühjahr 2022. Ein Moskauer Unternehmen wollte rund 37.000 Euro an eine deutsche Logistikfirma überweisen – als Bezahlung für gelieferte Zentrifugalpumpen.

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Obwohl die Transaktion alle Prüfungen passierte, sperrte sich die empfangende Sparkasse. Begründung: “Verdacht auf EU-Sanktionsverletzung”. Statt das Geld auf das Firmenkonto zu buchen, hinterlegte die Bank es beim Amtsgericht – eine rechtliche Notlösung nach § 372 BGB, eigentlich gedacht für Fälle, in denen unklar ist, wem das Geld zusteht.

Das deutsche Unternehmen zog vor Gericht. Weder die Pumpen noch der Geschäftspartner stünden auf Sanktionslisten, argumentierten die Anwälte. Das Landgericht Wiesbaden gab ihnen recht (Az. 3 O 247/22) und ordnete die Freigabe an. Die Sparkasse legte Berufung ein – und scheiterte nun endgültig vor dem OLG Frankfurt (Az. 3 U 111/23).

Zahlungen sind keine Finanzhilfe

Die Frankfurter Richter zogen eine klare Linie: Geld für gelieferte Waren anzunehmen, ist etwas völlig anderes, als ein sanktioniertes Regime zu finanzieren.

In ihrem bereits am 22. September 2025 erlassenen, aber erst diese Woche veröffentlichten Hinweisbeschluss prüften die Richter zwei zentrale EU-Verordnungen. Die Verordnung (EU) Nr. 269/2014 regelt Sanktionen gegen Einzelpersonen und Unternehmen – doch der Moskauer Auftraggeber stand nicht auf der Liste. Die Verordnung (EU) Nr. 833/2014 verbietet “Finanzhilfe” für bestimmte Geschäfte mit Russland.

Genau hier setzte die Bank ihre Hoffnung. Doch das OLG stellte klar: Der Empfang von Geldern für bereits gelieferte, nicht sanktionierte Waren fällt unter “gewöhnlichen Zahlungsverkehr” und nicht unter verbotene Finanzhilfe. Die Präambeln der EU-Verordnung zeigten eindeutig: Reguläre Geschäftszahlungen sollten nicht erfasst werden.

Nach diesem unmissverständlichen Signal zog die Sparkasse ihre Berufung zurück – das Urteil ist damit rechtskräftig.

Compliance-Risiken bleiben beim Institut

Besonders brisant: Das OLG machte deutlich, dass Banken ihre Unsicherheit nicht einfach auf Kunden abwälzen dürfen. Die Hinterlegung beim Amtsgericht war rechtswidrig, urteilten die Richter.

Denn § 372 BGB setzt voraus, dass “objektive, nachvollziehbare Zweifel” bestehen, wer der rechtmäßige Empfänger ist. Hier gab es aber keine Zweifel an der Berechtigung der deutschen Firma. Die Bank fürchtete lediglich eigene Sanktionen – ein unzulässiger Grund für die Kontosperrung.

Das Kernproblem: Banken können sich nicht durch pauschales Blockieren absichern, sondern müssen jeden Fall einzeln prüfen. “Eine pauschale Verweigerung von Überweisungen aus Russland ist durch den Zweck der Verordnung nicht gedeckt”, stellte der Senat fest.

Verschärfte Geldwäsche-Regeln als neue Hürde

Die Erleichterung für Exporteure könnte allerdings von kurzer Dauer sein. Just am gestrigen 4. Dezember 2025 aktualisierte die EU-Kommission ihre Liste der Hochrisikoländer für Geldwäsche – Russland steht nun darauf.

Das bedeutet: Banken müssen künftig bei allen Transaktionen mit Russland-Bezug verschärfte Sorgfaltspflichten erfüllen. Was das OLG zivilrechtlich als erlaubt einstuft, bringt regulatorisch trotzdem erheblichen Mehraufwand mit sich.

Experten sehen Banken damit im Spagat: Einerseits müssen sie laut OLG legale Zahlungen durchführen. Andererseits drohen ihnen von BaFin und EU Strafen, wenn sie die Geldwäsche-Prävention vernachlässigen. Die Lösung wird wohl nicht in mehr Blockaden liegen, sondern in aufwendigeren Prüfverfahren – deren Kosten vermutlich an die Kunden weitergereicht werden.

Was bedeutet das für die Praxis?

Für deutsche Unternehmen, die noch legalen Handel mit Russland betreiben – etwa in den Bereichen Medizintechnik, Landwirtschaft oder ziviler Maschinenbau – setzt das Urteil ein wichtiges Zeichen.

Die nächsten Schritte:

Banken unter Zugzwang: Institute müssen ihre automatisierten Blockade-Systeme überarbeiten. Eine Software, die pauschal alle Russland-Zahlungen aussortiert, reicht nicht mehr aus.

Höhere Compliance-Kosten: Statt Zahlungen zu blockieren, werden Banken wahrscheinlich intensivere Prüfungen durchführen – und die Gebühren dafür erhöhen.

Musterprozess-Charakter: Ähnliche Fälle, die derzeit an Landgerichten anhängig sind, dürften nun schneller zugunsten der Exporteure entschieden werden.

Die Botschaft aus Frankfurt ist eindeutig: Sanktionen sind präzise Rechtsinstrumente, keine Generalverbote. Solange der Handel legal ist, muss das Geld fließen – auch wenn es aus Moskau kommt. Bleibt die Frage, ob Banken dieses Signal als Aufforderung zu mehr Differenzierung oder als zusätzliches Haftungsrisiko verstehen werden.

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