EU-Entholzungsverordnung, Brüssel

EU-Entholzungsverordnung: Brüssel verschiebt EUDR erneut um ein Jahr

07.12.2025 - 02:19:12

Die Europäische Union verschiebt ihre umstrittene Waldschutzverordnung zum zweiten Mal. Knapp vier Wochen vor dem ursprünglichen Stichtag einigten sich Parlament und Rat auf eine weitere Verschiebung um zwölf Monate. Große und mittelständische Unternehmen müssen die neuen Sorgfaltspflichten nun erst ab 30. Dezember 2026 erfüllen, Kleinst- und Kleinunternehmen sogar erst ab 30. Juni 2027.

Die Entscheidung fiel nach intensiven Verhandlungen am späten Donnerstagabend, dem 4. Dezember. Sie markiert den zweiten dramatischen Aufschub für das europäische Vorzeigeprojekt im Klimaschutz. Ursprünglich sollte die EU Deforestation Regulation (EUDR) bereits Ende 2024 in Kraft treten, dann wurde der Termin auf 2025 verschoben – und jetzt auf 2026.

Was steckt hinter dieser erneuten Kehrtwende? Die offizielle Begründung lautet: technische Probleme und fehlende Rechtssicherheit. Doch kritische Beobachter sprechen bereits von der zweiten Niederlage für Europas Glaubwürdigkeit beim Klimaschutz.

Anders als bei der ersten Verschiebung Ende 2024 sind diesmal konkrete technische Mängel der Hauptgrund für den Aufschub. Das IT-System der Europäischen Kommission, über das Unternehmen ihre Geokoordinaten und Sorgfaltsnachweise hochladen sollen, erwies sich als nicht funktionsfähig.

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Branchenanalysten hatten bereits seit Wochen gewarnt: „Die Signale aus Brüssel waren eindeutig – der Dezember-2025-Termin war angesichts der mangelhaften IT-Infrastruktur zunehmend unrealistisch.” Das System müsste Millionen Due-Diligence-Erklärungen jährlich verarbeiten können. Davon ist es offenbar weit entfernt.

Die ratspräsidentschaft und die Parlamentsunterhändler verständigten sich daher auf gezielte Vereinfachungen:

  • Erstimporteur-Verantwortung: Nur wer ein Produkt erstmals auf den EU-Markt bringt, muss die vollständige Sorgfaltserklärung einreichen.
  • Entlastung nachgelagerter Akteure: Weiterverarbeiter müssen lediglich auf die ursprüngliche Due-Diligence-Erklärung verweisen, statt den gesamten Prüfprozess zu wiederholen.
  • Überprüfungsklausel: Bis zum 30. April 2026 soll die Kommission die Verwaltungsbelastung umfassend prüfen und potenzielle Vereinfachungen vorschlagen.

Industrie zwischen Erleichterung und Ärger

Die Reaktionen der Wirtschaft fallen gespalten aus. Einerseits verschafft die Fristverlängerung dringend benötigte Luft zum Atmen. Unternehmen, die mit Kaffee, Kakao, Soja, Holz oder Kautschuk handeln, hatten 2024 und 2025 intensiv investiert: Daten-Dashboards entwickelt, Lieferverträge neu verhandelt, Herkunftsregionen kartiert.

„Die zusätzliche Zeit ist willkommen”, erklärte ein auf Handelsrecht spezialisierter Experte. „Aber die Art und Weise – weniger als vier Wochen vor Fristablauf – verursacht erhebliche operative Reibungsverluste.”

Branchenverbände hatten eindringlich davor gewarnt, die Regelung ohne funktionierendes IT-System durchzusetzen. Die Folge wären chaotische Lieferkettenunterbrechungen gewesen, möglicherweise sogar Warenengpässe in europäischen Supermärkten. Die monatelange „rechtliche Schwebe”, in der Firmen sich auf einen Termin vorbereiten mussten, der wahrscheinlich verschoben würde, kostete Millionen.

Eine Geschichte der Verzögerungen

Die EUDR hat eine turbulente Vergangenheit hinter sich:

Juni 2023: Die Verordnung tritt in Kraft, Anwendungsbeginn ursprünglich 30. Dezember 2024.

Ende 2024: Nach massivem Druck von Handelspartnern wie Brasilien, Indonesien und den USA sowie EU-internen Widerständen schlägt die Kommission eine Verschiebung um zwölf Monate vor. Neuer Stichtag: 30. Dezember 2025.

September 2025: Die Kommission räumt anhaltende technische Probleme ein und schlägt eine zweite Verschiebung vor.

November 2025: Das Europaparlament stimmt für den Aufschub und schlägt Änderungen vor, darunter eine Kategorie für „risikofreie Länder”.

4. Dezember 2025: Parlament und Rat einigen sich endgültig auf die Verschiebung bis 2026, fokussieren dabei auf Vereinfachungen und eine Überprüfungsklausel statt auf eine komplette Überarbeitung der Risikokategorien.

Wie geht es jetzt weiter?

Trotz politischer Einigung fehlen noch formale Schritte, bevor die Verzögerung rechtskräftig wird:

  1. Parlamentsbeschluss: Das Plenum muss den Text in der Woche ab 15. Dezember 2025 offiziell billigen.
  2. Ratszustimmung: Die EU-Mitgliedstaaten müssen kurz darauf ihr finales Plazet geben.
  3. Amtsblatt: Die Änderungsverordnung muss vor dem 30. Dezember 2025 im Amtsblatt der EU veröffentlicht werden, um den alten Termin außer Kraft zu setzen.

Diese Schritte gelten als Formsache. Doch Compliance-Berater warnen eindringlich: „Die Verzögerung ist keine Stornierung. Unternehmen sollten das zusätzliche Jahr nutzen, um ihre Geokoordinaten-Erfassung zu verfeinern und die Transparenz ihrer Lieferketten zu testen. Wenn die IT-Probleme bis 2026 gelöst sind, könnte die Durchsetzung vom ersten Tag an rigoros erfolgen.”

Alle Augen richten sich nun auf die Kommissionsprüfung im April 2026. Deren Ergebnis wird entscheiden, ob weitere „Vereinfachungen” die Schlagkraft der Verordnung verwässern oder lediglich die digitale Umsetzung straffen. Die EUDR-Sorgfaltspflichten bleiben eine drohende – wenn auch vorerst aufgeschobene – Realität für den globalen Handel.

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