EU-Energieabkommen mit USA droht an Realität zu scheitern
28.12.2025 - 13:53:11Die EU räumt ein, dass ihr Energieimport-Versprechen an die USA lediglich eine Schätzung ist. Die Kluft zwischen politischem Ziel und Marktrealität gefährdet den mühsam ausgehandelten Handelsfrieden.
Die als diplomatischer Triumph gefeierte Energie-Allianz zwischen der EU und den USA steht auf wackligen Füßen. Neue Einräumungen aus Brüssel nähren massive Zweifel, ob das 750-Milliarden-Euro-Importversprechen je erfüllt werden kann – und gefährden den mühsam ausgehandelten Handelsfrieden mit Washington.
Ein brüchiger Schutzschild vor Trumps Zöllen
Das Abkommen, das Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und US-Präsident Donald Trump im Juli 2025 vereinbarten, sollte die europäische Wirtschaft vor damals angedrohten Universalzöllen von bis zu 20 Prozent schützen. Als Gegenleistung für diesen Aufschub sagte die EU zu, binnen drei Jahren amerikanisches Flüssigerdgas (LNG), Rohöl und Nuklearmaterial im Wert von 750 Milliarden Euro zu kaufen.
Doch nun bröckelt die Grundlage des Deals. Wie EU-Energiekommissar Dan Jørgensen am Wochenende auf parlamentarische Anfragen einräumte, handelt es sich bei der Milliardensumme lediglich um eine Schätzung auf Basis von Markterwartungen – nicht um einen verbindlichen Staatsvertrag. Diese Unterscheidung stellt die gesamte Vereinbarung infrage: Kann die EU das ehrgeizige Ziel überhaupt einhalten, wenn sie keine direkte Kontrolle über die Einkaufsentscheidungen privater Unternehmen hat?
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Die Kluft zwischen Ziel und Wirklichkeit
Das Kernproblem ist schlicht das gewaltige Handelsvolumen. Um die 750 Milliarden zu erreichen, müsste Europa jährlich Energie im Wert von 250 Milliarden Euro aus den USA importieren. Die Realität sieht anders aus: Vorläufigen Zahlen für 2025 zufolge lagen die EU-Energieimporte aus Amerika bei etwa 77 Milliarden Euro – nicht einmal ein Drittel des benötigten Jahresziels.
Eine Verdreifachung der Importe erscheint in einem Markt unrealistisch, in dem die Nachfrage aufgrund der grünen Wende stagniert oder sogar sinkt. Die deutsche Europaabgeordnete Jutta Paulus (Grüne) spricht von einer „realitätsfernen“ Summe. Sie verweist nicht nur auf europäische Nachfragegrenzen, sondern auch auf physische Kapazitätsengpässe bei den US-Exporten.
Ohne Zwangsmittel bleibt es ein Wunschziel
Kommissar Jørgensen präzisierte am Samstag den Mechanismus des Abkommens entscheidend: Die Europäische Kommission kauft selbst keine Energie ein. Die 750-Milliarden-Ziffer sei der projizierte Gesamtwert der Aktivitäten privater europäischer Unternehmen.
Das bedeutet: Die EU kann den Handel zwar durch Infrastruktur und Regulierung erleichtern, die tatsächlichen Käufe hängen jedoch von den Entscheidungen „privater Akteure“ ab. Diese orientieren sich an Preisen und langfristigen Verträgen mit anderen Lieferanten wie Norwegen, Katar oder Algerien. Marktanalysten warnen seit Monaten: Um solche Handelsströme umzulenken, wären massive staatliche Eingriffe oder Subventionen nötig – beides ist nicht vorgesehen.
Infrastruktur-Engpässe und technische Hürden
Selbst bei politischem Willen stößt das Abkommen auf praktische Grenzen. Die US-Exportinfrastruktur für LNG arbeitet bereits nahe an ihrer Kapazitätsgrenze. Neue Terminal-Projekte an der Golfküste kämpfen mit Verzögerungen oder haben ihre künftigen Kapazitäten bereits an Abnehmer in Asien vergeben.
Hinzu kommt ein technisches Problem: Viele europäische Raffinerien sind auf schwereres Rohöl ausgelegt, während die USA vor allem leichtes, süßes Rohöl aus dem Permian-Becken exportieren. Eine Umrüstung der Anlagen wäre teuer und widerspräche der langfristigen Dekarbonisierungsstrategie der EU.
Auch der Einbezug von Nuklearmaterial – offenbar zur Aufstockung des Gesamtwerts – überzeugt kaum. Zwar gibt es europäisches Interesse an kleinen modularen Reaktoren aus den USA, doch deren kommerzieller Einsatz in nennenswertem Umfang wird kaum vor 2030 erfolgen – also außerhalb der dreijährigen Laufzeit des Abkommens.
Droht ein Rückfall in den Handelskrieg?
Das Auseinanderklaffen von Versprechen und Realität birgt erhebliche geopolitische Risiken. Das Juli-Abkommen galt als taktischer Sieg für Von der Leyen, der einen Handelskrieg verhinderte, der besonders die deutsche Auto- und Industriebranche getroffen hätte. Doch wenn die versprochenen Energiekäufe ausbleiben, könnte die Trump-Administration dies als Vertrauensbruch werten.
Die erste Überprüfung des Abkommens ist für Mitte 2026 vorgesehen. Bis dahin steht Brüssel unter Druck, spürbare Fortschritte vorzuweisen. Sollte kein deutlicher Importanstieg zu verzeichnen sein, droht die Rückkehr der Zollandrohungen. Die exportorientierte europäische Wirtschaft stünde dann erneut im Fadenkreuz.
Die Kommission beteuert, das Ziel sei ehrgeizig, aber erreichbar – nicht zuletzt durch den weiteren Ersatz russischer Energieimporte. Doch je näher das Jahr 2026 rückt, desto schwerer wird es, die Diskrepanz zwischen politischen Versprechungen und Marktrealitäten zu ignorieren. Die kommenden Monate werden zeigen, ob das 750-Milliarden-Versprechen zum Pfeiler transatlantischer Kooperation oder zum Katalysator für neuen Handelskonflikt wird.
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