BFH, Entscheidung

BFH vertagt Entscheidung zur Umsatzsteuerbefreiung bei EU-Lieferungen

09.12.2025 - 09:40:12

Der Bundesfinanzhof (BFH) hält deutsche Exporteure weiter in der Schwebe: Die mit Spannung erwartete mündliche Verhandlung zur Gelangensbestätigung und zum Vertrauensschutz wurde kurzfristig verschoben. Statt am kommenden Donnerstag, dem 11. Dezember, findet die Verhandlung im Fall V R 3/25 nun erst am 18. Dezember 2025 statt.

Die Verzögerung verlängert die Unsicherheit in einer der umstrittensten Fragen des innergemeinschaftlichen Umsatzsteuerrechts: Kann ein Lieferant die Steuerbefreiung für EU-Lieferungen beanspruchen, wenn die vorgeschriebene Gelangensbestätigung fehlt – sofern er gutgläubig gehandelt hat? Nachdem der Bundestag erst am 4. Dezember das Steueränderungsgesetz 2025 verabschiedet hat, entwickelt sich das Jahresende zu einer entscheidenden Phase für die Mehrwertsteuer-Compliance.

Die anstehende Verhandlung dreht sich um einen grundlegenden Konflikt zwischen striktem Dokumentationserfordernis und dem Prinzip des Vertrauensschutzes. Im konkreten Fall (vormals V B 34/25) konnte ein Lieferant keine unterschriebene Gelangensbestätigung von einem Kunden beibringen, der die Ware selbst für den Transport in einen anderen EU-Mitgliedstaat abholte – ein klassischer Abholfall.

Die zentrale Rechtsfrage

Nach § 6a Umsatzsteuergesetz (UStG) und § 17a Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) ist die Gelangensbestätigung der primäre Nachweis dafür, dass die Ware Deutschland tatsächlich verlassen hat und im EU-Ausland angekommen ist. Fehlt sie, verweigern die Finanzämter typischerweise die Steuerbefreiung – der Lieferant muss dann 19 Prozent Umsatzsteuer aus eigener Tasche nachzahlen.

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Der BFH muss jetzt klären:

  • Vertrauensschutz: Kann ein Lieferant die Steuerbefreiung beanspruchen, wenn er nachweislich alle zumutbaren Schritte zur Beschaffung des Nachweises unternommen und gutgläubig bezüglich der Kundenabsichten gehandelt hat?
  • Zeitpunkt des Schutzes: Greift der Vertrauensschutz zum Zeitpunkt der Lieferung, oder kann er nachträglich versagt werden, falls der Kunde das Dokument nicht zurücksendet?

Das Urteil dürfte Präzedenzwirkung für Tausende ähnlicher Fälle haben, in denen administrative Versäumnisse – statt Steuerhinterziehung – rechtstreue Unternehmen mit massiven Steuerforderungen konfrontieren.

Gesetzlicher Kontext: Steueränderungsgesetz 2025

Während die Gerichte noch beraten, hat der Gesetzgeber bereits Fakten geschaffen. Am 4. Dezember 2025 verabschiedete der Bundestag offiziell das Steueränderungsgesetz 2025. Das umfassende Paket bringt mehrere Änderungen, die ab dem 1. Januar 2026 die Umsatzsteuer-Compliance beeinflussen werden.

Bestätigte Mehrwertsteuer-Neuerungen

  • Kleinunternehmerregelung: Weitgehende Harmonisierung mit EU-Richtlinien ermöglicht deutschen Kleinunternehmern unter bestimmten Bedingungen steuerfreie Geschäfte in anderen EU-Staaten – und umgekehrt.
  • E-Rechnungspflicht: Der Übergang zur verpflichtenden elektronischen Rechnung im B2B-Bereich schreitet voran. Ab 2025 und 2026 gelten strengere Anforderungen an Rechnungsformate, was unmittelbar die Dokumentation innergemeinschaftlicher Lieferungen betrifft.
  • Digitale Meldepflichten: Die Entwicklung hin zu Echtzeit-Meldesystemen macht die Genauigkeit von Dokumenten wie der Gelangensbestätigung noch kritischer, da automatisierte Querprüfungen durch Finanzbehörden immer ausgefeilter werden.

Warum der Abholfall das größte Risiko bleibt

Das konkrete Szenario im anhängigen BFH-Fall – ein Abholfall – bleibt die Achillesferse des innergemeinschaftlichen Handels. Wenn ein Kunde (oder dessen Spediteur) die Ware in Deutschland abholt, verliert der Lieferant die physische Kontrolle über den Transport. Sendet der Kunde die unterschriebene Gelangensbestätigung nicht zurück, steht der Lieferant schutzlos da.

Aktuelle Best Practices

Bis der BFH am 18. Dezember sein Urteil verkündet, raten Experten zu rigorosen Schutzmaßnahmen:

  1. Kautionen: Den Umsatzsteuerbetrag als Kaution einbehalten und erst nach Erhalt der unterschriebenen Gelangensbestätigung erstatten.
  2. Verifizierung: Die USt-IdNr. und Identität des Kunden beim Abholvorgang strikt überprüfen.
  3. Ersatznachweise: Redundante Beweise sammeln, etwa Spediteurbescheinigungen oder Tracking-Protokolle – auch wenn diese bei Abholfällen oft nur zweitrangig zur offiziellen Bestätigung sind.

Ausblick: Alle Augen auf den 18. Dezember

Die Verlegung der Verhandlung auf den 18. Dezember bedeutet, dass die Branche vermutlich noch vor der Winterpause eine Entscheidung – oder zumindest eine Richtungsanzeige des Gerichts – erhält. Ein Urteil zugunsten des Steuerpflichtigen würde das Haftungsrisiko für ehrliche Exporteure erheblich reduzieren. Ein striktes Urteil hingegen würde die absolute Notwendigkeit der Gelangensbestätigung zementieren und könnte Unternehmen faktisch zwingen, Ex-Works-Konditionen für EU-Kunden komplett zu streichen.

Mit dem nun verabschiedeten Steueränderungsgesetz 2025 und dieser wegweisenden Gerichtsentscheidung markiert der Dezember 2025 eine Zäsur im deutschen Umsatzsteuerrecht. Unternehmen sind dringend aufgerufen, ihre Export-Dokumentationsprozesse sofort zu überprüfen – um für die verschärfte Compliance-Landschaft ab 2026 gerüstet zu sein.

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