Alzheimer-Diagnostik: Neue Studie warnt vor Fehldiagnosen durch Nierenschäden
06.12.2025 - 21:39:12Die Hoffnung auf Alzheimer-Therapien erhält einen Dämpfer. Das IQWiG sieht keinen Zusatznutzen für das neue Medikament Lecanemab – und eine schwedische Studie deckt auf: Moderne Bluttests können bei Nierenproblemen falsche Alzheimer-Signale liefern.
Für Millionen Menschen, die bei sich oder Angehörigen erste Gedächtnislücken bemerken, hat sich diese Woche die Situation dramatisch verkompliziert. Seit September ist mit Lecanemab erstmals eine ursächliche Alzheimer-Therapie verfügbar. Doch am Montag folgte die ernüchternde Bewertung der deutschen Aufsichtsbehörden. Gleichzeitig zeigt eine am Mittwoch veröffentlichte Studie: Bluttests senden bei älteren Menschen oft falsche Alzheimer-Signale – ausgelöst durch die Nieren.
Am 1. Dezember veröffentlichte das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen seine Dossierbewertung zum Alzheimer-Medikament Lecanemab. Das Urteil: “Zusatznutzen ist nicht belegt”.
Das IQWiG begründet seine Haltung damit, dass die Studiendaten keinen klaren Vorteil gegenüber der bisherigen Standardbehandlung zeigten. Zwar bremse das Medikament den geistigen Abbau statistisch messbar. Doch der Effekt sei klinisch kaum spürbar und werde durch Risiken überschattet:
- Hirnschwellungen (ARIA) als häufige Nebenwirkung
- Hoher logistischer Aufwand: Zweiwöchentliche Infusionen, regelmäßige MRTs
- Fraglicher Alltagsnutzen trotz messbarer Verlangsamung
Passend zum Thema Laborwerte und Fehldiagnosen: Viele Blutwerte werden heute falsch interpretiert – besonders wenn Nierenfunktionen unberücksichtigt bleiben. Ein kostenloser 25‑seitiger Report erklärt in klarer Sprache, welche Laborwerte wirklich zählen, wie Sie Fehldiagnosen vermeiden und welche spezialisierten Tests sinnvoll sind. Mit praktischen Formulierungen für das Arztgespräch, damit Sie gezielt nachfragen können. Laborwerte-Report jetzt anfordern
Für Patienten bedeutet das: Das Medikament ist zwar zugelassen, doch die negative Bewertung ist die Vorstufe zur Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses. Folgt der G-BA diesem Votum, könnten Krankenkassen die Erstattung stark einschränken oder den Preis so drücken, dass der Hersteller das Mittel vom Markt nimmt.
Diagnose-Falle: Wenn die Niere das Gehirn imitiert
Während die Therapie-Debatte tobt, liefert die Forschung eine entscheidende Erkenntnis für die Diagnostik. Eine am Mittwoch im Fachjournal Neurology veröffentlichte Studie des Karolinska Instituts warnt vor einer potenziellen Fehlerquelle.
Ärzte setzen immer häufiger auf blutbasierte Biomarker wie p-tau217, um zwischen harmloser Vergesslichkeit und Alzheimer zu unterscheiden. Diese Tests gelten als Revolution – einfacher als eine Nervenwasserentnahme. Doch die schwedischen Forscher fanden heraus: Eine eingeschränkte Nierenfunktion führt zu erhöhten Werten dieser Alzheimer-Marker im Blut – selbst wenn gar keine Demenz vorliegt.
Da Nierenschwäche und Gedächtnisprobleme oft im gleichen Alter auftreten, besteht akute Gefahr falsch-positiver Ergebnisse. “Ärzte müssen die Nierenfunktion prüfen, bevor sie Alzheimer-Blutwerte interpretieren”, mahnen die Studienautoren.
Wann also zum Arzt?
Die neue Faustregel lautet: Suchen Sie den Arzt auf, sobald Gedächtnisprobleme den Alltag stören – aber bestehen Sie auf einer ganzheitlichen Untersuchung. Ein isolierter Bluttest reicht nicht aus.
Wenn Ihr Arzt einen Alzheimer-Verdacht äußert, fragen Sie gezielt: “Wie arbeiten meine Nieren und könnte das die Werte verfälschen?”
Harmlos oder Alarmstufe Rot?
Die Grenze zwischen subjektivem Abbau und der Demenz-Vorstufe verläuft fließend, aber erkennbar.
Typische Altersvergesslichkeit:
- Türschwellen-Effekt: Sie betreten einen Raum und wissen nicht mehr, was Sie holen wollten. Fällt es Ihnen später wieder ein, ist das meist harmlos.
- Namen und Details: Der Name eines Bekannten entfällt kurzzeitig, kommt aber zurück.
- Orientierung: In neuer Umgebung kurz unsicher, in gewohnter Umgebung problemlos.
Warnsignale für Demenz:
- Inhalt-Weg-Effekt: Sie vergessen nicht nur den Namen, sondern das gesamte Gespräch oder Ereignis.
- Orientierungsverlust: Sie verlaufen sich in der eigenen Nachbarschaft.
- Werkzeug-Störung: Alltägliche Gegenstände wie Kaffeemaschine oder Fernbedienung können plötzlich nicht mehr bedient werden.
- Rückzug: Aus Angst vor Fehlern werden Hobbys und soziale Kontakte gemieden.
Da Medikamente wie Lecanemab nur in sehr frühen Phasen zugelassen sind, ist Abwarten keine Option mehr. Wer eine Chance auf Therapie haben will, muss beim ersten Verdacht zum Spezialisten.
Ein heißer Winter für die Hirnforschung
Die Ereignisse dieser Woche markieren erst den Anfang. Nach der IQWiG-Veröffentlichung läuft nun das Stellungnahmeverfahren. Experten, Fachgesellschaften und der Hersteller Eisai werden versuchen, die Bewertung zu entkräften.
Parallel dazu läuft bereits das Bewertungsverfahren für den nächsten Wirkstoff Donanemab. Die Veröffentlichung der Nutzenbewertung wird für den 2. Februar 2026 erwartet.
Die Antwort auf “Wann zum Arzt?” hat sich verschoben. Früher ging es um Beruhigung. Heute geht es um Weichenstellung. Durch die Verfügbarkeit von Antikörpern ist eine frühe Diagnose theoretisch wertvoller denn je. Doch die Hürden sind diese Woche gewachsen: Das IQWiG stellt den Nutzen der Therapie infrage, und die Karolinska-Studie mahnt zur Vorsicht bei der Diagnose.
Patienten benötigen heute mehr denn je einen erfahrenen Neurologen, der nicht nur das Gehirn, sondern auch die Nierenwerte und die aktuelle gesundheitspolitische Lage im Blick hat.
PS: Sie möchten Laborergebnisse besser verstehen und Fehldiagnosen vermeiden? Der kostenlose Report ‘Laborwerte-Selbstcheck’ erklärt in 25 Seiten, welche Blutwerte (von Erythrozyten bis TSH) wirklich wichtig sind, wie Nierenfunktionswerte Ihre Ergebnisse verfälschen können und welche Fragen Sie dem Arzt stellen sollten. Ideal, um beim nächsten Termin informiert aufzutreten. Gratis 25‑Seiten-Report sichern


