X: 120 Millionen Euro Strafe für blaue Haken
07.12.2025 - 17:51:12Die Ära der freiwilligen Selbstverpflichtung ist vorbei. Mit der ersten Geldstrafe nach dem Digital Services Act (DSA) setzt die EU-Kommission ein deutliches Zeichen: Elon Musks Plattform X muss 120 Millionen Euro zahlen – wegen irreführender Verifikation, intransparenter Werbung und blockierter Forschung.
Die am Freitag verhängte Rekordstrafe markiert einen Wendepunkt in der globalen Digitalregulierung. Während X an den Pranger gestellt wird, sicherte sich Brüssel am selben Tag verbindliche Zusagen von TikTok. Zwei Plattformen, zwei völlig unterschiedliche Strategien – und eine klare Botschaft an Silicon Valley.
Das Herzstück der Anklage gegen X: Das einst vertrauenswürdige Verifikationssystem wurde zum irreführenden Design. Früher garantierte der blaue Haken die Echtheit prominenter Accounts. Heute kann ihn jeder kaufen – ohne Identitätsprüfung.
„Nutzer mit blauen Haken zu täuschen, Informationen über Werbung zu verschleiern und Forscher auszusperren – das hat in der EU online nichts zu suchen”, erklärte Henna Virkkunen, Vizepräsidentin für technologische Souveränität. Die Kommission argumentiert: Wer nicht zwischen verifizierten und gekauften Accounts unterscheiden kann, wird anfällig für Betrug und Identitätsdiebstahl.
Passend zum Thema Regulierung und Compliance: Die EU-KI-Verordnung ist seit August 2024 in Kraft und verändert, wie Unternehmen KI-Systeme klassifizieren, dokumentieren und kennzeichnen müssen. Viele Anbieter unterschätzen die Pflichten und riskieren Bußgelder – besonders bei fehlender Dokumentation oder falscher Risikoklasse. Der kostenlose Umsetzungsleitfaden zur EU-KI-Verordnung erklärt praxisnah Kennzeichnungspflichten, Risikoklassen, Dokumentationsanforderungen und Übergangsfristen – inklusive sofort umsetzbarer Checklisten für Entwickler und Entscheider. Jetzt KI-Umsetzungsleitfaden herunterladen
Zwei weitere Verstöße verschärften die Lage: X führt kein gesetzeskonformes Werbearchiv, das politische und kommerzielle Anzeigen nachvollziehbar macht. Zudem blockiert die Plattform systematisch unabhängige Forscher beim Zugriff auf öffentliche Daten – obwohl der DSA genau dies vorschreibt, um Desinformation und Wahlmanipulation zu überwachen.
Fristen bis zur nächsten Eskalation
X hat nun 60 Tage Zeit, die Transparenz seines Verifikationssystems grundlegend zu überarbeiten. Für das Werbearchiv und den Forschungszugang bleiben 90 Tage. Scheitert das Unternehmen, drohen tägliche Strafzahlungen von bis zu fünf Prozent des weltweiten Tagesumsatzes.
Doch wie realistisch ist eine Kurskorrektur? Elon Musk und US-Senator Marco Rubio bezeichneten die Strafe bereits als Angriff auf amerikanische Unternehmen und Meinungsfreiheit. Brüssel kontert: Es geht nicht um Zensur, sondern um Verbraucherschutz und digitale Sicherheit.
TikTok wählt den Kooperationskurs
Während X bestraft wird, geht TikTok straffrei aus – vorerst. Die Video-Plattform stand wegen ähnlicher Transparenzprobleme in der Werbung unter Beobachtung. Statt auf Konfrontation zu setzen, handelte TikTok einen Vergleich aus.
Die verbindlichen Zusagen: Ein voll funktionsfähiges, durchsuchbares Werbearchiv zeigt künftig binnen 24 Stunden nach Schaltung, wer eine Anzeige finanziert hat, welche Targeting-Kriterien genutzt wurden und wie viel Geld investiert wurde. „Unser Ziel ist Compliance”, betonte Virkkunen. Wer konstruktiv mit Brüssel verhandelt, kann Strafen vermeiden.
Die unterschiedlichen Ergebnisse verdeutlichen die strategische Weichenstellung für große Online-Plattformen: Kooperation oder finanzielle Konsequenzen?
E-Commerce im Visier
Social Media dominiert zwar die Schlagzeilen, doch die Kommission verschärft parallel den Druck auf Online-Marktplätze. Temu und Shein, die rasant Marktanteile in Europa gewinnen, stehen bereits unter Beobachtung.
Früher im Jahr stellte die Kommission vorläufig fest, dass Temu das Risiko illegaler und unsicherer Produkte auf seiner Plattform unzureichend bewertet. Die Strafe gegen X könnte nun als Präzedenzfall wirken und diese Verfahren beschleunigen.
„Der Einzelhandelssektor – von Mode-Marktplätzen bis zu Social Commerce – steht unter beispiellosem Druck”, analysieren Rechtsexperten von Browne Jacobson. Besonders im Fokus: „süchtig machende” Designelemente und der Schutz Minderjähriger. Gamifizierte Shopping-Apps gelten als Hochrisikobereich. EU-Abgeordnete drängen zudem auf verschärfte Kontrollen beim Verkauf nicht konformer Waren – 2026 wird das Verbraucherschutz-Schlachtfeld.
Das Ende des digitalen Wilden Westens?
Die Ereignisse der letzten 72 Stunden markieren einen Systemwechsel in der digitalen Wirtschaft. Jahrelang galt EU-Regulierung als ambitioniert im Text, aber zahnlos in der Durchsetzung. Die 120-Millionen-Strafe zerstört diese Wahrnehmung.
„Dies ist der Moment, in dem der DSA als Durchsetzungsinstrument tatsächlich ‘live geht'”, sagt ein Brüsseler Digital-Analyst. „Die Kommission hat klargestellt: Sie wird Design-Entscheidungen wie den käuflichen blauen Haken bestrafen, die sie als grundlegend verbraucherfeindlich ansieht.”
Für die Tech-Industrie läuft die Uhr. Plattformen können sich nicht länger hinter „Geschäftsgeheimnissen” verstecken, um Forschern Datenzugang zu verweigern. Auch „Dark Patterns”, die Nutzer über die Authentizität von Accounts täuschen, sind ab sofort untragbar.
Während das KI-Gesetz parallel in Kraft tritt und der „Digital Omnibus”-Vorschlag zur Zentralisierung der KI-Aufsicht auf dem Tisch liegt, zieht sich das regulatorische Netz enger. Für Verbraucher verspricht das ein sichereres, transparenteres Internet. Für Big Tech bedeutet es: Die Kosten für Geschäfte in Europa sind gerade drastisch gestiegen.
PS: Übrigens – wer jetzt handelt, kann hohe Risiken und Nachforderungen vermeiden. Der gratis Leitfaden zur EU-KI-Verordnung fasst in klaren Schritten zusammen, wie Sie Ihr KI-System richtig klassifizieren, dokumentieren und kennzeichnen, welche Übergangsfristen gelten und welche Nachweise Prüfer erwarten. Ideal für Unternehmen, Entwickler und Compliance-Verantwortliche, die Bußgelder und teure Nachbesserungen vermeiden wollen. Gratis-Leitfaden zur KI-Verordnung anfordern


