Photovoltaik, Gericht

Photovoltaik: Gericht kippt Steuerbonus für Eigenverbraucher

05.12.2025 - 12:49:12

Das Finanzgericht Hessen hat Solaranlagen-Betreibern einen Dämpfer verpasst: Wer seinen Solarstrom hauptsächlich selbst verbraucht, verliert den Anspruch auf den Investitionsabzugsbetrag. Die Entscheidung könnte Tausende Hausbesitzer treffen – und wirft eine brisante Frage auf: Zählt Eigenverbrauch überhaupt als betriebliche Nutzung?

Das am Dienstag veröffentlichte Urteil (Az. 10 K 162/24) vom 22. Oktober 2025 markiert eine Zäsur in der steuerlichen Behandlung privater Photovoltaikanlagen. Im Kern geht es um die Frage, ob Solarstrom-Betreiber den Investitionsabzugsbetrag (IAB) in Anspruch nehmen können – eine steuerliche Vergünstigung, die es erlaubt, bis zu 50 Prozent geplanter Investitionskosten bereits im Voraus vom zu versteuernden Einkommen abzuziehen.

Der Knackpunkt: Das Finanzamt verlangt eine “fast ausschließliche betriebliche Nutzung” von mindestens 90 Prozent. Wer seinen selbst erzeugten Strom mehrheitlich im eigenen Haushalt verbraucht, erfüllt diese Voraussetzung nach Ansicht des Gerichts nicht.

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Der Fall aus Hessen ist exemplarisch: Ein PV-Anlagen-Betreiber hatte 2021 einen IAB für eine 2022 installierte Anlage beantragt. Doch mehr als 90 Prozent des erzeugten Stroms flossen in den Privathaushalt, nur ein Bruchteil wurde ins öffentliche Netz eingespeist. Das Finanzamt lehnte den Steuerabzug ab – mit Erfolg vor Gericht.

Die Richter stellten unmissverständlich klar: Privat verbrauchter Strom zählt als Privatnutzung, nicht als betriebliche Verwendung. Diese Feststellung steht im krassen Widerspruch zu einer lange praktizierten Auslegung vieler Steuerberater, die auf das Konzept der “Sachentnahme” vertrauten.

Nach dieser Argumentation wäre der Eigenverbrauch als betriebliche Entnahme zu werten – ähnlich wie wenn ein Bäcker ein Brötchen für den Privatgebrauch aus seinem Laden nimmt. Die hessischen Richter wiesen diesen Ansatz jedoch zurück: Wer Strom physisch im eigenen Haushalt verbraucht, nutzt ihn privat. Punkt.

„Wird der Strom nicht ins Netz eingespeist oder an Dritte verkauft, sondern in erheblichem Umfang privat verbraucht, ist die Voraussetzung der nahezu ausschließlichen betrieblichen Nutzung nicht erfüllt”, heißt es in der Urteilsbegründung.

Steuerfreiheit wird zur Falle

Die Sache wird noch komplizierter durch die rückwirkende Steuerbefreiung, die das Jahressteuergesetz 2022 brachte. Seit dem 1. Januar 2022 sind Einkünfte aus kleinen PV-Anlagen (bis 30 kWp) nach § 3 Nr. 72 EStG komplett steuerfrei. Klingt zunächst nach einer Erleichterung – doch für IAB-Antragsteller wurde sie zum Bumerang.

Das Finanzamt argumentierte: Wenn die Einkünfte ohnehin steuerfrei sind, fehlt die Gewinnerzielungsabsicht. Und ohne diese gibt es auch keine betrieblichen Abzugsmöglichkeiten wie den IAB. Wer also 2021 oder früher einen IAB für eine später installierte Anlage geltend machte, steht nun möglicherweise vor Rückforderungen – inklusive Zinsen.

„Die Entscheidung zeigt die prekäre Lage von Steuerpflichtigen, die auf den IAB als Steuersparmodell für Wohn-Solaranlagen vertraut haben”, kommentierte ein Steuerrechtsexperte von Haufe am Mittwoch. „Das Gericht hat faktisch die Tür zugeschlagen.”

Besonders brisant: Die Steuerbefreiung sollte eigentlich Bürokratie abbauen. Stattdessen schafft sie nun rechtliche Unsicherheit für alle, die ihre Anlage primär zur Eigenversorgung nutzen – also die Mehrheit der Betreiber mit Batteriespeichern.

Revision beim Bundesfinanzhof zugelassen

Einen Hoffnungsschimmer gibt es dennoch: Das hessische Finanzgericht hat die Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) zugelassen. Unter dem Aktenzeichen III R 39/25 wird nun die höchste Instanz entscheiden. Bis dahin sind andere Finanzgerichte zwar nicht zwingend an das Hessen-Urteil gebunden, dürften sich aber daran orientieren.

Für betroffene Steuerzahler heißt das: Wer vom Finanzamt einen ähnlichen Bescheid erhält, sollte Einspruch einlegen und ein Ruhen des Verfahrens beantragen – mit Verweis auf das anhängige BFH-Verfahren. So lassen sich vorschnelle Rückzahlungen vermeiden.

Die wichtigsten Fakten auf einen Blick:

  • Urteil: Hessisches FG (Az. 10 K 162/24) verweigert IAB bei über 10 Prozent Eigenverbrauch
  • Begründung: Privatverbrauch gilt als Privatnutzung, nicht als betriebliche Verwendung
  • Folgen: Hoher Eigenverbrauch (etwa durch Batteriespeicher) gefährdet Steuerabzüge
  • Nächster Schritt: Revision beim BFH (Az. III R 39/25)

Was Anlagenbetreiber jetzt tun sollten

Das Urteil ist ein deutliches Warnsignal für alle, die 2025 einen IAB für eine PV-Anlage planen oder einen bereits geltend gemachten Abzug verteidigen müssen. Die strikte Haltung der hessischen Richter deutet darauf hin, dass das “Sachentnahme-Schlupfloch” sich drastisch verengt.

Steuerexperten raten Betroffenen – insbesondere bei noch offenen Steuerbescheiden für 2021, 2022 oder 2023 – dringend zur Konsultation eines Fachanwalts oder Steuerberaters. Droht eine IAB-Rückforderung, ist der Verweis auf das laufende BFH-Verfahren derzeit die wichtigste Verteidigungsstrategie.

Darüber hinaus unterstreicht das Urteil einen grundlegenden Wandel: Die Zeiten, in denen private Solaranlagen vor allem als Steuersparmodell fungierten, neigen sich dem Ende zu. Mit steuerfreien Betriebseinnahmen einerseits und einem bedrohten IAB für Eigenverbraucher andererseits muss die Wirtschaftlichkeit von Dach-PV künftig vor allem auf Energiekosten-Einsparungen und Einspeisevergütungen basieren – nicht auf Steueroptimierung.

Während die Branche auf das finale Wort des Bundesfinanzhofs wartet, bleibt das hessische Urteil eine unmissverständliche Botschaft: Aus Sicht des Gerichts ist eine Solaranlage auf einem Privatdach primär ein privater Vermögensgegenstand – solange nicht strenge betriebliche Nutzungsstandards erfüllt werden.

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