Microsoft siegt vor französischer Behörde – EU bleibt kritisch
27.11.2025 - 20:19:12Ein juristischer Erfolg in Frankreich, doch in Brüssel ziehen die Wolken weiter auf: Microsoft konnte heute einen Kartellvorwurf abwehren, während die EU-Kommission gleichzeitig ihre Untersuchungen gegen das Cloud-Geschäft des US-Konzerns verschärft. Die Lage zeigt: Europas Regulierungsbehörden meinen es ernst mit den Tech-Giganten – auch wenn nicht jede Beschwerde durchkommt.
Die französische Wettbewerbsbehörde Autorité de la Concurrence wies am heutigen Donnerstag eine Klage der heimischen Suchmaschine Qwant ab. Der französische Anbieter hatte Microsoft vorgeworfen, seine Marktmacht im Bereich der Suchmaschinen-Syndizierung zu missbrauchen und durch restriktive Bedingungen Qwants Wachstum zu behindern. Besonders brisant: Die Vorwürfe bezogen sich auch auf die Entwicklung künstlicher Intelligenz.
Das Urteil der Behörde fiel eindeutig aus. Qwant habe keine ausreichenden Beweise vorgelegt, dass Microsoft in dem fraglichen Markt eine beherrschende Stellung innehabe oder diese missbraucht habe. Auch der Antrag auf einstweilige Maßnahmen gegen den Konzern wurde abgelehnt.
Passend zum Thema EU-Regulierung – die neue KI-Gesetzgebung stellt Unternehmen vor weitreichende Pflichten. Ein gratis Umsetzungsleitfaden zur EU-KI-Verordnung erklärt verständlich, welche Risikoklassen relevant sind, welche Kennzeichnungs- und Dokumentationspflichten drohen und wie Sie Fristen und Compliance-Anforderungen praktisch umsetzen. Ideal für Entwickler, Produktmanager und Compliance-Verantwortliche, die Bußgelder und operative Risiken vermeiden wollen. Jetzt kostenlosen KI-Umsetzungsleitfaden herunterladen
“Wir stimmen dieser Entscheidung zu und bleiben unserem Engagement verpflichtet, hochwertige Suchdienste anzubieten und Innovationen für Verbraucher und Partner in Frankreich sowie ganz Europa zu fördern”, erklärte ein Microsoft-Sprecher nach der Verkündung.
Für Qwant ist das Urteil ein herber Rückschlag. Die Suchmaschine nutzt teilweise Microsofts Bing-Infrastruktur für ihre Ergebnisse und hatte argumentiert, dass Exklusivitätsklauseln und Werbe-Verteilungspraktiken des US-Konzerns das eigene Wachstum erstickten. Das Unternehmen zeigte sich enttäuscht und deutete an, die Entscheidung möglicherweise anzufechten oder sich an andere Behörden zu wenden.
In der zunehmend techkritischen europäischen Regulierungslandschaft ist der klare Freispruch für Microsoft eine Seltenheit. Doch während der Konzern in Paris aufatmen kann, braut sich in Brüssel ein weitaus größerer Sturm zusammen.
EU nimmt Cloud-Geschäft ins Visier
Die EU-Kommission führt derzeit drei separate Marktuntersuchungen gegen Microsoft Azure und Amazon Web Services (AWS) durch. Die Behörde kündigte diese Prüfungen am 18. November offiziell an – und sie haben es in sich.
Ziel ist es zu ermitteln, ob die beiden Cloud-Riesen als “Gatekeeper” im Sinne des Digital Markets Act (DMA) eingestuft werden sollten. Zwar erfüllen weder Microsoft noch Amazon aktuell die strengen quantitativen Schwellenwerte für diesen Status im Cloud-Sektor – etwa bestimmte Nutzerzahlen. Doch die Kommission nutzt eine Regelung, die es erlaubt, Unternehmen aufgrund ihrer qualitativen Bedeutung als “wichtige Zugangswege” für Geschäftskunden zu designieren.
Die Untersuchungen konzentrieren sich auf drei Kernbereiche:
Gatekeeper-Status: Prüfung, ob Azure und AWS eine derart gefestigte Position innehaben, dass strengere Regulierung nötig ist.
Markttransparenz: Analyse, ob aktuelle Praktiken die Interoperabilität einschränken oder Kunden in bestimmte Ökosysteme einsperren.
Lizenzbestimmungen: Unter die Lupe genommen werden mögliche Kopplungsgeschäfte bei Software-Diensten, die kleinere europäische Cloud-Anbieter benachteiligen könnten.
Drakonische Strafen drohen
Die Konsequenzen einer Gatekeeper-Einstufung wären dramatisch. Microsoft und Amazon müssten strikte Interoperabilitätsanforderungen erfüllen. Bei Nichteinhaltung drohen Bußgelder von bis zu zehn Prozent des weltweiten Jahresumsatzes. Die Kommission plant, die Untersuchungen innerhalb von zwölf Monaten abzuschließen.
Doch die Kartellprüfung entwickelt sich zunehmend zum Zankapfel in den transatlantischen Handelsbeziehungen. Berichte von Anfang der Woche zeigen: Die Auseinandersetzung geht über juristische Argumente weit hinaus.
USA drohen mit Handelskrieg wegen Tech-Regulierung
Am Mittwoch wurde bekannt, dass der designierte US-Handelsminister Howard Lutnick vorgeschlagen haben soll, Erleichterungen bei Stahl- und Aluminiumzöllen mit einer Lockerung der EU-Tech-Regulierung zu verknüpfen. Die Reaktion aus Brüssel ließ nicht lange auf sich warten – und fiel scharf aus.
“Unsere Regeln sind kein Verhandlungschip für die USA”, stellte Teresa Ribera, Exekutiv-Vizepräsidentin der EU-Kommission für Wettbewerb, unmissverständlich klar. Sie bezeichnete den Druck als “Erpressung” und betonte, dass Europas digitale Gesetze dem Schutz des eigenen Marktes und der Bürger dienten – nicht als Hebel in Handelsverhandlungen.
Diese eskalierende Rhetorik deutet darauf hin, dass Microsofts regulatorische Kämpfe in Europa zunehmend zu Stellvertretergefechten in einem größeren Handelskrieg werden könnten. Für den Konzern erschwert das die Compliance-Strategie erheblich.
Zersplitterte Regulierung erschwert Strategie
Die gegensätzlichen Entwicklungen dieser Woche – ein Freispruch in Frankreich, vertiefte Prüfungen in Brüssel – verdeutlichen die fragmentierte Natur der regulatorischen Risiken, denen Microsoft ausgesetzt ist.
Was als Nächstes zu erwarten ist:
Berufungsmöglichkeiten: Obwohl der französische Fall vorerst abgeschlossen ist, hat Qwant signalisiert, möglicherweise in Berufung zu gehen.
DMA-Entscheidungszeitplan: Die Untersuchung der EU-Kommission zu Cloud-Diensten soll bis Ende 2026 erste Ergebnisse liefern. Eine Gatekeeper-Einstufung würde grundlegend ändern, wie Azure in Europa operiert – mit Pflichten zu Datenportabilität und Software-Lizenzierung.
Handelsgespräche USA-EU: Investoren sollten kommende Handelsdiskussionen genau beobachten. Zugeständnisse der EU bei Tech-Regulierung im Austausch gegen Zollerleichterungen könnten den Druck auf US-Konzerne erheblich verringern.
Vorerst behält Microsoft eine starke Marktposition. Doch der doppelte Druck aus lokalen Beschwerden und umfassender EU-Gesetzgebung sorgt dafür, dass die Rechtsabteilungen des Konzerns im kommenden Jahr mindestens so beschäftigt sein dürften wie die Entwickler.
PS: Die EU-KI-Verordnung bringt zahlreiche Fristen und Nachweispflichten mit sich – viele Firmen sind darauf noch nicht vorbereitet. Unser kompaktes Gratis-E-Book fasst die wichtigsten Anforderungen zusammen, zeigt konkrete Umsetzungsschritte für Produkte mit KI-Funktionen und listet die wichtigsten Dokumentationspflichten auf. Praktisch, verständlich und sofort anwendbar für Entscheider und Entwickler. Gratis E‑Book zur KI‑Verordnung sichern


