Koalition am Abgrund: Streit um Kündigungsschutz eskaliert
22.12.2025 - 17:53:12Der Vorstoß der Wirtschaftsministerin zur Flexibilisierung des Arbeitsrechts stößt auf scharfe Ablehnung der SPD und gefährdet die Handlungsfähigkeit der Regierung Merz.
Wirtschaftsministerin Reiche will den Kündigungsschutz lockern – und stürzt die Ampel in eine schwere Regierungskrise. Die SPD reagiert mit scharfer Ablehnung.
Berlin. Die Bundesregierung steuert auf einen schweren Konflikt zu. Ein Vorstoß von Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) zur Lockerung des Kündigungsschutzes und zur Flexibilisierung der Arbeitszeit hat eine heftige Koalitionskrise ausgelöst. Die SPD wies die Pläne umgehend und entschieden zurück. Damit steht die wirtschaftspolitische Handlungsfähigkeit der Regierung Merz unmittelbar vor der Weihnachtspause erneut infrage.
Reiches „Flexibilitätsoffensive“ sorgt für Eklat
Die Ministerin legte heute ein Reformpapier vor, das von ihren Unterstützern als notwendiger „Befreiungsschlag“ für die stagnierende Wirtschaft gefeiert wird. Kern ist eine deutliche Aufweichung des strengen deutschen Kündigungsschutzes, vor allem für Gutverdiener, sowie die Möglichkeit zu flexibleren und längeren Wochenarbeitszeiten.
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„Das derzeitige Kündigungsrecht hemmt Veränderungsprozesse. Länder mit häufigeren Jobwechseln haben sich als wachstumsfreudiger erwiesen“, begründete Reiche ihren Vorstoß in Berlin. Die rigiden Regeln schreckten ausländische Investoren ab und erstickten die heimische Dynamik. Die „Dramatik und der Stress“, unter denen die deutsche Wirtschaft leide, würden im Inland nicht ausreichend wahrgenommen.
Mit ihrer Initiative reagiert Reiche auf anhaltende wirtschaftliche Schwierigkeiten und massive Investitionsabflüsse ins Ausland. Sie verspricht sich eine „Flexibilitätsdividende“, wenn es Unternehmen leichter gemacht werde, sich an globale Marktverschiebungen anzupassen. „Wir müssen Anreize setzen, in produktivere Jobs zu wechseln“, so die Ministerin. Gut bezahlte Fachkräfte bräuchten nicht das gleiche Maß an staatlichem Schutz wie Geringverdiener.
SPD schlägt zurück: „Sozialer Abbau aus der Mottenkiste“
Die Reaktion des Koalitionspartners ließ nicht auf sich warten – und fiel vernichtend aus. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Ralf Stegner wies die Vorschläge kategorisch zurück und brandmarkte sie als „markradikalen Sozialabbau“.
„Das sind Wachstumsvorschläge aus der Mottenkiste, die nur diejenigen belasten, die unseren Wohlstand erarbeiten – und dafür oft nicht einmal angemessen bezahlt werden“, sagte Stegner dem Tagesspiegel. Er warnte die Union davor, den Koalitionsvertrag zu überdehnen. „Einschränkungen beim Kündigungsschutz oder eine pauschale Erhöhung der Wochenarbeitszeit sind mit der SPD nicht zu machen.“
Statt alte ideologische Grabenkämpfe zu führen, solle die Regierung lieber den beschlossenen Koalitionsvertrag umsetzen, kritisierte Stegner. Die Ministerin solle höhere Beiträge von Spitzenverdienern und Vermögenden fordern, anstatt unrealistische Forderungen zu stellen.
Wirtschaftsflügel gegen Gewerkschaften: Der Riss vertieft sich
Der Streit offenbart den grundlegenden ideologischen Graben in der von Friedrich Merz geführten Regierung. Während die SPD starke Arbeitnehmerrechte als nicht verhandelbar ansieht, betrachtet der Wirtschaftsflügel der CDU Deregulierung als einzigen Weg zurück zum Wachstum.
Unterstützung für Reiche kommt aus ihrer eigene Partei und der Wirtschaft. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann hatte bereits im November „volle Flexibilität bei der Arbeitszeit“ gefordert. Er schlug ein optionales Recht für Gutverdiener (ab 100.000 Euro Jahresgehalt) vor, auf Kündigungsschutz zu verzichten – gegen höhere Bezahlung oder andere Benefits.
„Wir brauchen einen Mentalitätswandel“, argumentiert Linnemann. Ein Gedanke, den auch Start-up-Vertreter teilen. Verena Pausder, Vorsitzende des Startup-Verbands, bezeichnete die Flexibilisierung des Arbeitsrechts jüngst als „Maßnahme Nummer eins für mehr Tempo und Skalierbarkeit“.
Droht der Koalitionsbruch?
Politikbeobachter sehen in dem jüngsten Schlagabtausch einen ernsthaften Stresstest für das Regierungsbündnis. Kanzler Merz hat bei seinem Amtsantritt in diesem Jahr eine wirtschaftliche Trendwende versprochen. Der Druck, Ergebnisse zu liefern, wächst. Die Blockadehaltung der SPD in der Sozialpolitik könnte jedoch zum Stillstand führen.
Der Konflikt birgt erhebliches politisches Risiko. Stegner warnte, die öffentliche Debatte über „soziale Kälte“-Maßnahmen wie den Abbau des Kündigungsschutzes spiele nur „rechten Kräften“ in die Hände und destabilisiere die politische Lage weiter.
Die Auseinandersetzung um die Arbeitsmarktreformen wird die Agenda zu Beginn des Jahres 2026 dominieren. Reiche sucht bereits nach „anderen Mehrheiten“ für ihre Pläne und deutet mögliche Unterstützung durch die FDP oder Oppositionsgruppen an. Die strukturelle Realität der Koalition bindet sie jedoch an das Veto der SPD.
Marktbeobachter erwarten eine angespannte Verhandlungsphase im Januar. Findet sich kein Kompromiss – etwa eine Beschränkung der Lockerungen auf absolute Führungsebenen – droht der Streit, die Wirtschaftspolitik der Regierung in einer kritischen Phase für den Standort Deutschland zu lähmen.
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