Gericht, Großkanzleien

Gericht zwingt Großkanzleien zur Zeiterfassung

27.12.2025 - 22:42:12

Ein Hamburger Verwaltungsgericht hat entschieden: Auch angestellte Anwälte in internationalen Großkanzleien müssen ihre Arbeitszeiten systematisch erfassen. Das Urteil bestätigt die Befugnisse der Arbeitsschutzbehörden und sendet ein Signal an alle Hochleistungsbranchen.

Das Verwaltungsgericht Hamburg wies die Klage einer internationalen Großkanzlei gegen eine Anordnung der Hamburger Arbeitsschutzbehörde ab. Die Behörde hatte nach anonymen Hinweisen auf systematische Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz die lückenlose Erfassung von Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit für Associates und Senior Associates angeordnet.

Hintergrund waren anonyme Meldungen aus den Jahren 2020 und 2021. Sie bezichtigten die Kanzlei, dass ihre angestellten Anwälte in der Hamburger Niederlassung regelmäßig von 9 Uhr morgens bis 23 Uhr oder länger arbeiteten. Diese Stunden wurden zwar an Mandanten abgerechnet, aber nicht als Arbeitszeit im Sinne des Gesundheitsschutzes erfasst – was zu „massiven“ und „systematischen“ Überschreitungen der Höchstarbeitszeiten geführt haben soll.

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Keine Sonderstellung für angestellte Anwälte

Die klagende Kanzlei argumentierte, angestellte Anwälte seien als „Organe der Rechtspflege“ vergleichbar mit leitenden Angestellten oder Chefärzten und damit von strengen Aufzeichnungspflichten befreit. Das Vertrauensarbeitszeitmodell und die berufliche Unabhängigkeit der Juristen ständen einer bürokratischen Kontrolle entgegen.

Das Gericht ließ diese Argumentation nicht gelten. Im November 2025 urteilten die Richter, dass der Status als „Organ der Rechtspflege“ angestellte Anwälte nicht von den Arbeitsschutzgesetzen befreit. Associates und Senior Associates seien keine leitenden Angestellte im Sinne des Betriebsverfassungs- oder Arbeitszeitgesetzes. Ihnen fehle typischerweise die eigenständige Personalentscheidungsbefugnis und ein maßgeblicher Einfluss auf grundlegende Unternehmensentscheidungen.

Abrechnungsstunden sind kein Arbeitsschutz

Besonders bedeutsam: Das Gericht stellte klar, dass „Billable Hours“ – also die an Mandanten abrechenbaren Stunden – für den Arbeitsschutz unzureichend sind. Dieses System erfasse produktive Zeit, nicht aber die tatsächliche Dauer des Arbeitstages inklusive administrativer Aufgaben, Pausen oder Leerlauf.

„Das Gericht hat das ‚Vertrauens‘-Schlupfloch für Hochleistungssektoren praktisch geschlossen“, kommentiert ein Rechtsanalyst den Fall. „Arbeitgeber können sich nicht mehr hinter beruflicher Unabhängigkeit oder hohen Gehältern verstecken, um auf Gesundheitsschutz zu verzichten.“

Signalwirkung für Consulting und Wirtschaftsprüfung

Die Entscheidung hat unmittelbare Konsequenzen für die gesamte Branche der professionellen Dienstleistungen. Auch Wirtschaftsprüfungs- und Unternehmensberatungsgesellschaften operieren mit ähnlichen Geschäftsmodellen und Arbeitskulturen.

  • Ende der Abrechnungsstunden als Proxy: Firmen müssen Systeme einführen, die die tatsächliche Anwesenheit und Arbeitsdauer erfassen, nicht nur mandantenfähige Zeit.
  • Geldbußen drohen: Bei fortgesetzter Nichtbefolgung einer behördlichen Anordnung können erhebliche Verwarnungsgelder verhängt werden.
  • Reputationsrisiko: Der öffentlich ausgetragene Streit erhöht den Druck auf die Arbeitsbedingungen in Eliteberufen.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Das Verwaltungsgericht hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung die Berufung zum Oberverwaltungsgericht Hamburg zugelassen. Die klagende Kanzlei hat bereits angekündigt, diesen Weg zum Schutz der „beruflichen Freiheit“ zu gehen.

Für Personalabteilungen in Deutschland ist die Botschaft jedoch klar: Die Ära, in der die Zeiterfassung für hochbezahlte Angestellte ignoriert werden konnte, neigt sich dem Ende zu. Die Behörden sind bereit und in der Lage, die Einhaltung durchzusetzen – und die Verwaltungsgerichte geben ihnen Rückendeckung.

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