Gefahrstoffverordnung, Bundesrat

Gefahrstoffverordnung: Bundesrat entscheidet heute über Verschärfung

21.11.2025 - 01:11:12

Berlin – Heute fällt eine wegweisende Entscheidung für den Arbeitsschutz in Deutschland. Der Bundesrat stimmt in seiner 1059. Plenarsitzung über die umfassende Neufassung der Gefahrstoffverordnung ab. Die Revision soll strenge EU-Vorgaben in nationales Recht umsetzen und führt weitreichende Pflichten für Gebäudeeigentümer, Arbeitgeber und die Sanierungsbranche ein.

Der Fokus liegt auf dem Schutz vor krebserzeugenden Stoffen – insbesondere Asbest in Bestandsgebäuden. Mit Ablauf der Umsetzungsfrist für die EU-Richtlinie 2023/2668 im Dezember 2025 drängt die Zeit. Die heutige Abstimmung soll noch vor Jahresende Rechtssicherheit schaffen.

Eine der bedeutendsten technischen Neuerungen: Das risikobasierte Maßnahmenkonzept, bekannt als „Ampel-Modell”, wird erstmals verbindlich in die Verordnung integriert. Bislang verankert in den Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS 910), erhält das Konzept nun Gesetzeskraft.

Anzeige

Unternehmen müssen jetzt ihre Gefährdungsbeurteilungen aktualisieren – die Novelle zur Gefahrstoffverordnung erhöht Pflichten und Dokumentationsauflagen. Unser kostenloser Praxis‑Leitfaden enthält fertige Vorlagen, Checklisten und eine Schritt‑für‑Schritt‑Anleitung, mit der Sie Gefährdungsbeurteilungen erstellen, die Aufsichtsbehörden und Gerichte bestehen. Sparen Sie Stunden an Vorbereitung und reduzieren Sie Haftungsrisiken bei Asbest & KMR‑Stoffen. Ideal für Sicherheitsbeauftragte, Sifas und Projektleiter in der Bau‑ und Sanierungsbranche. Jetzt herunterladen und sofort umsetzen. Gefährdungsbeurteilung-Vorlagen kostenlos herunterladen

Das System kategorisiert Tätigkeiten mit krebserzeugenden, erbgutverändernden oder fortpflanzungsgefährdenden (KMR-)Stoffen in drei Risikostufen:

  • Grün (Geringes Risiko): Exposition unter der Akzeptanzkonzentration; Standardschutzmaßnahmen genügen.
  • Gelb (Mittleres Risiko): Exposition zwischen Akzeptanz- und Toleranzkonzentration; zusätzliche Maßnahmen und ein Minderungsplan sind erforderlich.
  • Rot (Hohes Risiko): Exposition überschreitet Toleranzkonzentration; sofortige Maßnahmen zur Expositionsminderung notwendig, strikte Zeitlimits gelten.

„Die Überführung des Risikokonzepts von einer technischen Regel in eine verbindliche Verordnung schafft größere Durchsetzbarkeit und Klarheit für Unternehmen”, erklärt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales in der Begründung zum Entwurf. Für Betriebe bedeutet dies: Bestehende Gefährdungsbeurteilungen müssen unverzüglich überprüft werden.

Asbest-Streit: Mitwirkungs- statt Erkundungspflicht

Die kontroverseste Debatte vor der heutigen Abstimmung dreht sich um Asbest bei Sanierungsprojekten. Millionen Gebäude aus der Zeit vor dem Asbestverbot 1993 stehen vor energetischen Sanierungen – das Risiko freigesetzter Fasern ist immens.

Die neue Verordnung führt eine Mitwirkungspflicht für Gebäudeeigentümer und Auftraggeber ein. Nach § 5a müssen Bauherren alle verfügbaren Informationen über Gefahrstoffe – speziell Asbest – vor Arbeitsbeginn an ausführende Firmen weitergeben.

  • Position der Bauwirtschaft: Verbände wie der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) und der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (ZDB) forderten lange eine gesetzliche „Erkundungspflicht” – also verpflichtende Asbest-Tests vor jeder Sanierung. Ihre Argumentation: Ohne Testpflicht arbeiten Handwerker im Blindflug, mit Risiken für Gesundheit und Haftung.
  • Position der Immobilienwirtschaft: Vertreter der Wohnungs- und Immobilienbranche wehrten sich gegen flächendeckende Testpflichten. Sie befürchten Verzögerungen und überhöhte Kosten für Mieter und Eigentümer.

Der heute zur Abstimmung stehende Kompromiss setzt auf Informationsweitergabe statt universelle Testpflicht für Privatimmobilien. Allerdings empfahlen die Bundesratsausschüsse diese Woche in ihren Vorberatungen eine Verschärfung dieser Regelungen.

EU-Angleichung und digitale Meldungen

Die Revision verfolgt ein Doppelziel: Modernisierung nationaler Sicherheitsstandards und Erfüllung europäischer Vorgaben. Die Verordnung setzt die EU-Richtlinie 2023/2668 um, die den Arbeitsplatzgrenzwert für Asbest senkt und Messmethoden aktualisiert. Deutschland muss diese Regeln bis zum 21. Dezember 2025 umsetzen.

Zudem gleicht die Novelle die Verordnung an die CLP-Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 an. Neu aufgenommen werden Gefahrenklassen für:

  • Endokrine Disruptoren: Chemikalien, die das Hormonsystem stören.
  • PBT/vPvB-Stoffe: Persistente, bioakkumulierende und toxische Chemikalien.
  • PMT/vPvM-Stoffe: Persistente, mobile und toxische Chemikalien.

Zur Entbürokratisierung erweitert die neue Verordnung zudem die Optionen für digitale Meldungen. Unternehmen können Mitteilungspflichten – etwa Anzeigen bei Asbestarbeiten oder Unfallmeldungen – künftig elektronisch an Arbeitsschutzbehörden übermitteln.

Auswirkungen auf Bau- und Chemiebranche

Das Abstimmungsergebnis wird unmittelbare operative Folgen für Deutschlands Bau-, Chemie- und Entsorgungswirtschaft haben.

  • Sanierungswelle: Im Zuge des klimaneutralen Gebäudebestands müssen Millionen Nachkriegsbauten saniert werden. Die neuen Regeln klären Haftungsfragen, dürften aber Projektvorbereitung verlängern – Auftragnehmer werden explizite Asbest-Daten verlangen, um „Rot-Risiko-Szenarien” zu vermeiden.
  • Kostensteigerungen: Strengere Schutzmaßnahmen und mögliche Vorab-Analysen treiben Sanierungskosten nach oben. Experten schätzen, dass die Einhaltung der neuen „Gelb”- und „Rot”-Risikoprotokolle die Kosten für den Umgang mit gefährlichen Baustoffen um 10-20 Prozent erhöhen könnte.
  • Rechtliche Haftung: Die Kodifizierung der Mitwirkungspflicht ermöglicht es Auftragnehmern, Arbeiten zu verweigern oder Schadenersatz zu fordern, wenn Eigentümer bekannte Gefährdungen verschweigen. Die Haftung verschiebt sich teilweise weg von ausführenden Handwerkern.

„Die neue Verordnung versucht, den dringenden Bedarf an Arbeitnehmerschutz mit der wirtschaftlichen Realität der Wohnungskrise in Einklang zu bringen”, analysieren Rechtsexperten zur Drucksache 566/25. „Die praktische Anwendung der Mitwirkungspflicht wird aber wahrscheinlich in den kommenden Jahren vor Gericht ausgetestet werden.”

Was jetzt auf Unternehmen zukommt

Nach der heute erwarteten Zustimmung des Bundesrats wird die Verordnung vom Bundespräsidenten unterzeichnet und im Bundesgesetzblatt veröffentlicht.

  • Inkrafttreten: Die meisten Bestimmungen treten am Tag nach der Veröffentlichung in Kraft, voraussichtlich Anfang Dezember 2025.
  • Übergangsfristen: Während das Risikokonzept sofort gilt, erhalten bestimmte technische Anpassungen zu neuen Asbest-Grenzwerten kurze Übergangsperioden, damit Prüflabore ihre Ausrüstung nachrüsten können.
  • Handlungsbedarf: Betriebe sollten umgehend ihre Gefahrstoffverzeichnisse aktualisieren, um die neuen CLP-Gefahrenklassen zu berücksichtigen. Projektverantwortliche müssen geschult werden, vor Angebotsabgabe Asbest-Daten von Auftraggebern einzufordern.

Wird der Bundesrat heute grünes Licht geben? Die Antwort fällt noch am Vormittag – mit weitreichenden Konsequenzen für Millionen Sanierungsprojekte in Deutschland.

Anzeige

PS: Planen Sie Sanierungsarbeiten an Bestandsgebäuden oder sind als Auftragnehmer unterwegs? Holen Sie sich die Muster-Checkliste für Asbest-Informationen, eine gerichtssichere Gefährdungsbeurteilung und praxisnahe Dokumente, mit denen Sie Forderungen und Nachforderungen vermeiden. Sofort einsetzbar, spart Zeit und minimiert Haftungsrisiken bei Kontrollen. Jetzt Gefährdungsbeurteilung-Tool gratis sichern

@ boerse-global.de