EuGH, Umsatzsteuerbefreiung

EuGH: Umsatzsteuerbefreiung trotz fehlender Quick-Fixes-Belege

21.11.2025 - 13:31:12

Der Europäische Gerichtshof stärkt deutsche Exportunternehmen: Fehlende EU-Standardnachweise sind kein Ausschlussgrund mehr für die Umsatzsteuerbefreiung bei innergemeinschaftlichen Lieferungen.

Der Europäische Gerichtshof hat deutschen Exporteuren Rechtssicherheit verschafft: Die strikte Dokumentationspflicht bei innergemeinschaftlichen Lieferungen ist keine zwingende Hürde mehr. Was bedeutet das konkret für die Praxis?

Das Urteil vom 13. November 2025 in der Rechtssache C-639/24 (Flo Veneer) stellt klar: Finanzämter dürfen die Steuerbefreiung für Ausfuhren in andere EU-Länder nicht allein deshalb verweigern, weil Unternehmen die strenge Belegpflicht der EU-„Quick Fixes” nicht erfüllen. Ein Paradigmenwechsel, der deutsche Steuerberater heute intensiv beschäftigt.

Die zentrale Botschaft der Luxemburger Richter? Substanz schlägt Form. Solange ein Unternehmen nachweisen kann, dass die Ware tatsächlich ins EU-Ausland transportiert wurde, muss die Steuerbefreiung gewährt werden – unabhängig davon, ob die in Artikel 45a der Durchführungsverordnung geforderten Dokumente vollständig vorliegen.

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Der Fall: Eichenholz ohne Frachtbrief

Die kroatische Firma Flo Veneer lieferte Eichenstämme in einen anderen Mitgliedstaat. Die Steuerbehörde strich die Umsatzsteuerbefreiung – nicht etwa, weil sie den grenzüberschreitenden Transport anzweifelte, sondern weil die vorgeschriebene Kombination unabhängiger Nachweise fehlte.

Das Problem: Artikel 45a verlangt zwei Belege von Dritten, die weder mit dem Lieferanten noch dem Kunden verbunden sind. Ein CMR-Frachtbrief eines unabhängigen Spediteurs plus Zahlungs- oder Versicherungsnachweis – genau diese Kombination fehlte.

Doch der EuGH zog dem Formalismus die Zähne. Die Richter betonten: Artikel 45a schafft eine Vermutung, keine exklusive Beweisregel. Wer die Kriterien nicht erfüllt, darf den Warentransport mit anderen geeigneten Mitteln belegen.

Quick Fixes als Schutzschild, nicht als Falle

Seit Einführung der „Quick Fixes” 2020 herrschte Verunsicherung bei deutschen Exporteuren. Viele fürchteten, die EU-Verordnung habe nationale Nachweisregeln wie die Gelangensbestätigung verdrängt.

Diese Sorge war unbegründet. Der EuGH stellte unmissverständlich klar: Die Quick Fixes sollten den Handel vereinfachen, nicht erschweren. Artikel 45a bietet einen sicheren Hafen – mehr nicht. Fehlt der vorgeschriebene Nachweis, gilt wieder die Grundregel: Das Unternehmen kann die innergemeinschaftliche Lieferung mit allen geeigneten Beweismitteln belegen.

„Eine Erleichterung für die Praxis”, kommentierte die Südtiroler Wirtschaftszeitung heute. Besonders in Ex-Works-Fällen, bei denen Käufer mit eigenen Lkw abholen, war es nahezu unmöglich, Belege „unabhängiger” Dritter zu beschaffen.

Was ändert sich für deutsche Unternehmen?

Das Urteil bestätigt ausdrücklich die Gültigkeit der Gelangensbestätigung und alternativer Nachweise nach §§ 17a ff. UStDV. Deutsche Betriebsprüfer müssen künftig akzeptieren:

1. Fehlende Artikel-45a-Belege sind kein K.o.-Kriterium. Die Beweislast liegt zwar beim Lieferanten, aber er darf frei wählen, wie er den Transport nachweist.

2. Alle Dokumente zählen. Mautbelege, GPS-Daten, eidesstattliche Versicherungen – Prüfer müssen das Gesamtbild bewerten statt starr auf der EU-Checkliste zu bestehen.

3. Guter Glaube wird geschützt. Wer substanziell nachweist, dass die Ware das Land verlassen hat, kann nicht aus rein formalen Gründen scheitern.

Aber Vorsicht: Das Urteil ist kein Freifahrtschein für schlampige Dokumentation. „Die Beweislast bleibt beim Lieferanten”, warnen Steuerexperten. Die Gelangensbestätigung bleibt der Goldstandard – sie ist nur nicht mehr die einzige Option.

Teil eines größeren Trends

Flo Veneer reiht sich ein in eine EuGH-Rechtsprechung, die Steuerneutralität über bürokratische Formalien stellt. Bereits im Fall B2 Energy (C-676/22, 2024) entschieden die Richter: Selbst wenn der Rechnungsempfänger nicht der tatsächliche Abnehmer war, bleibt die Steuerbefreiung bestehen – sofern die Ware an einen Unternehmer in einem anderen Mitgliedstaat ging.

Die Botschaft ist eindeutig: Die EU-Kommission darf mit den Quick Fixes keine neuen Hürden schaffen, die das Grundrecht auf Steuerbefreiung aushebeln.

Ausblick: BMF-Schreiben erwartet

Deutsche Unternehmen sollten ihre Compliance-Handbücher überarbeiten. Die „sichere Hafen”-Regelung des Artikels 45a bleibt der beste Weg – sie kehrt die Beweislast um. Doch wer die strengen Vorgaben nicht erfüllt, muss nicht mehr in Panik verfallen.

Branchenkenner rechnen damit, dass das Bundesfinanzministerium in den kommenden Monaten ein BMF-Schreiben veröffentlicht. Darin dürfte das Verhältnis zwischen Artikel 45a und der Gelangensbestätigung im Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) präzisiert werden.

Bis dahin gilt: Unternehmen, die in Betriebsprüfungen wegen fehlender „unabhängiger” Nachweise unter Druck geraten, können selbstbewusst auf Flo Veneer verweisen. Der EuGH hat klargestellt – Substanz zählt, nicht Bürokratie.

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