EU unter Druck: Brüssel wankt im Tech-Kampf gegen Washington
27.11.2025 - 09:10:12Europas ehrgeiziger Vorstoß zur digitalen Souveränität gerät ins Stocken. Während Brüssel diese Woche verschärfte Ermittlungen gegen Amazon und Microsoft ankündigte, mehren sich die Anzeichen: Die Trump-Regierung zwingt die EU zum Rückzug – ausgerechnet beim eigenen KI-Gesetz.
Die Europäische Kommission eröffnete am 24. November gleich drei Marktuntersuchungen gegen US-Cloud-Riesen. Gleichzeitig erwägt sie, die Strafverfolgung im KI-Gesetz um ein Jahr zu verschieben. Was bedeutet dieser Spagat für Europas digitale Zukunft?
Der Digital Markets Act (DMA) zeigt Zähne: Brüssel prüft aktuell, ob Amazon Web Services und Microsoft Azure trotz fehlender formaler Schwellenwerte als „Gatekeeper” eingestuft werden müssen. Im Fokus steht die Frage, ob die beiden Hyperscaler europäische Unternehmen systematisch in ihre Ökosysteme einsperren.
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„Die Kommission sammelt Informationen, um zu bewerten, ob die aktuellen DMA-Verpflichtungen Praktiken wirksam bekämpfen, die den Wettbewerb einschränken”, hieß es am Montag aus Brüssel. Die Untersuchung startete offiziell am 18. November – seitdem läuft die Uhr.
Sollten Amazon und Microsoft als Gatekeeper klassifiziert werden, bleiben ihnen nur sechs Monate für die Umsetzung: volle Datenportabilität und Interoperabilität. Eine technische Mammutaufgabe, die Milliarden Euro verschlingen dürfte. Für europäische Firmen könnte sich der Aufwand lohnen: „Vendor Lock-in war der stille Killer europäischer Digital-Innovation”, so Branchenanalysten. Niedrigere Kosten und bessere Datensicherheit wären die Folge.
Finanzsektor wird zur Hochsicherheitszone
Parallel zur Wettbewerbsoffensive ziehen Finanzaufseher die Zügel an. Kurz vor den Cloud-Ermittlungen stufte die EU 19 globale Tech-Konzerne als „kritisch” für das europäische Finanzsystem ein – darunter AWS, Google Cloud, Microsoft und IBM.
Der Digital Operational Resilience Act (DORA) unterwirft die US-Giganten erstmals direkter EU-Aufsicht. Ab sofort müssen sie Stresstests über sich ergehen lassen und rigide Cybersecurity-Audits bestehen. Die Befürchtung: Ein Ausfall bei einem großen Cloud-Anbieter könnte Finanzsysteme mehrerer Länder gleichzeitig lahmlegen.
Diese Maßnahme markiert die „Sicherheitssäule” der EU-Strategie: Man akzeptiert die Abhängigkeit von US-Technik – verlangt aber strikte Einhaltung europäischer Sicherheitsstandards. Doch wie lange hält diese Position?
Trump torpediert das KI-Gesetz
Trotz der harten Linie bei Cloud und Finanzen zeigt Brüssels Rüstung erste Risse. Am 24. November sickerte durch: Die Kommission erwägt, die Strafverfolgung im KI-Gesetz um ein Jahr zu verschieben – von August 2026 auf August 2027.
Der Grund? Massiver Druck aus Washington. Seit dem Handelsabkommen im August 2025 nutzen US-Tech-Konzerne die Drohung mit Handelskonflikten als Hebel. „Europas ambitionierte Tech-Regulierung kommt zum Stillstand, während die Trump-Regierung und Big Tech den Druck erhöhen”, berichtete The Tech Buzz diese Woche.
Thomas Regnier, Sprecher der Europäischen Kommission, räumte die Spannungen ein: „Standards hinken hinterher. Es gibt Bedenken aus der Industrie und von Mitgliedstaaten.” Kann Europas berühmter „Brüssel-Effekt” in Zeiten von Handelskriegen und Geopolitik überhaupt noch funktionieren?
Europas Gegenschlag: Mistral trifft auf SAP
Beim Digital Sovereignty Summit in Berlin präsentierten Bundeskanzler Friedrich Merz und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron diese Woche ihre Antwort: eine Partnerschaft zwischen dem französischen KI-Champion Mistral und dem deutschen Software-Riesen SAP.
Gemeinsam wollen sie „Europas ersten vollständig souveränen KI-Stack” aufbauen – frei vom US CLOUD Act und gedacht für Behörden sowie kritische Infrastrukturen. „Europa darf dieses Feld nicht abtreten”, betonte Merz am 18. November vor den Summit-Teilnehmern.
Macron sprach von „Souveränität durch Beschaffung”: Öffentliche Aufträge sollen künftig bevorzugt an europäische Anbieter gehen. Doch Kritiker bezweifeln, ob europäische Alternativen ohne massive Kapitalspritzen mit der schieren Größe der US-Hyperscaler mithalten können.
Das Paradox der digitalen Souveränität
Die vergangenen 72 Stunden offenbaren den Kernwiderspruch der EU-Strategie Ende 2025. Einerseits setzt Brüssel seine Regulierungsinstrumente – DMA und DORA – so aggressiv ein wie nie zuvor. Die Ermittlungen gegen Amazon und Microsoft könnten den globalen Cloud-Markt grundlegend verändern.
Andererseits wackelt die Durchsetzung des KI-Gesetzes bereits, bevor es richtig greift. Die digitale Souveränität hat offenbar ihre Grenzen, wenn wirtschaftliche Vergeltung droht.
„Der Vorstoß für digitale Souveränität in Europa ist reiner Protektionismus”, argumentierte Matthew Kilcoyne vom Center for Data Innovation. EU-Vertreter kontern: Ohne diese Maßnahmen werde Europa zur „digitalen Kolonie”.
Auch zwischen Deutschland und Frankreich gibt es Nuancen. Während Merz die Tür für US-Investitionen offen hält – siehe die kürzlich gefeierte 5,5-Milliarden-Euro-Investition von Google in deutsche Rechenzentren – konzentriert sich die Kommission stärker auf regulatorische Durchsetzung.
Was kommt als Nächstes?
Gatekeeper-Entscheidung: Die Kommission hat zwölf Monate für ihre Marktuntersuchung. Ein Zwischenbericht könnte Mitte 2026 vorliegen und zu weitreichenden Änderungen bei Cloud-Verträgen in Europa führen.
KI-Gesetz-Bekanntgabe: Vor Jahresende dürfte Klarheit über die Verschiebung der KI-Strafen herrschen. Eine Bestätigung wäre eine Atempause für US-Entwickler – aber ein Schlag für europäische Bürgerrechtsgruppen.
DORA-Stresstests: Im ersten Quartal 2026 beginnen die ersten Tests der neu eingestuften „kritischen” Anbieter. Die Ergebnisse werden zeigen, ob die EU operationale Resilienz bei ausländischen Konzernen tatsächlich durchsetzen kann.
Der Traum von der digitalen Souveränität bleibt Ende 2025 Baustelle – gefangen zwischen europäischer Regulierungsmacht und amerikanischem geopolitischen Druck. Kann Brüssel diesen Balanceakt meistern? Die nächsten Monate werden es zeigen.
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