Digitale Gesundheit: Großbritannien investiert 360 Millionen Euro
27.11.2025 - 16:59:12Europas Gesundheitssysteme vollziehen den Sprung von der Pilotphase zur kritischen Infrastruktur. Während London mit Milliardeninvestitionen eine digitale Klinik aufbauen will, kämpft Deutschland mit Kinderkrankheiten – trotz überraschend hoher Akzeptanz bei Ärzten und Apotheken.
Innerhalb von 72 Stunden haben diese Woche gleich mehrere Regierungen ihre digitalen Gesundheitsstrategien konkretisiert. Das Ergebnis: Digitale Patientenakten und Online-Sprechstunden sind keine Zukunftsmusik mehr, sondern werden zur staatlichen Basisversorgung erklärt.
Die britische Regierung kündigte heute eine Kapitalspritze von umgerechnet 360 Millionen Euro für NHS-Technologie an. Das Geld stammt aus dem Budget 2025 und soll die NHS-App zur zentralen Anlaufstelle für alle Patienten machen – die “digitale Eingangstür” zum Nationalen Gesundheitsdienst.
Gesundheitsminister Wes Streeting ging in seiner Pressekonferenz noch weiter: Bis 2027 soll faktisch ein “Online-Krankenhaus” entstehen – NHS Online. Was heute noch auf Rezeptbestellungen und Terminübersicht beschränkt ist, wird zum “personalisierten Gesundheitsbegleiter” ausgebaut. Die Vision: Komplexe Behandlungspfade komplett digital steuern, von der Prävention bis zur Nachsorge.
Passend zum Thema KI-Einsatz in der Gesundheitsversorgung: Die EU-KI-Verordnung verlangt jetzt klare Risikoklassifizierungen, Dokumentation und Kennzeichnungspflichten — und Verstöße können empfindliche Konsequenzen haben. Ein praxisnaher Gratis-Umsetzungsleitfaden erklärt, welche Nachweispflichten, Übergangsfristen und technischen Dokumentationen Entwickler, Kliniken und Anbieter medizinischer KI-Systeme dringend umsetzen sollten, um Betriebsausfälle und rechtliche Risiken zu vermeiden. Jetzt kostenlosen KI-Umsetzungsleitfaden herunterladen
Der Plan fügt sich in die umfassendere “NHS 10-Jahres-Strategie” ein, die Versorgung bewusst aus Kliniken in digitale Räume verlagern will. Kann das funktionieren? Deutschland liefert dazu gerade ein Echtzeit-Experiment.
Deutsche ePA: Beliebt trotz Ausfällen
In Berlin stand diese Woche die harte Realität digitaler Abhängigkeit im Fokus. Am Dienstag präsentierte das Bundesgesundheitsministerium auf der Digital Health Conference 2025 seine Strategie zur Stabilisierung der Telematikinfrastruktur (TI).
Keine 24 Stunden später zeigte sich, warum das nötig ist: Am Mittwoch fiel das TI-Gateway des Anbieters Akquinet aus. Tausende Arztpraxen und Apotheken verloren zeitweise den Zugriff auf E-Rezepte und elektronische Patientenakten. Die Gematik, zuständige Bundesagentur, bestätigte die Störung gegen Mittag. Bis zum frühen Nachmittag liefen die Systeme wieder.
Trotz solcher Pannen überraschen neue Zahlen: Der am Montag veröffentlichte TI-Atlas 2025 der Gematik zeigt erstaunlich hohe Akzeptanzwerte:
- Zwei Drittel aller Gesundheitseinrichtungen bewerten TI-Anwendungen als “etabliert” und nutzen sie sicher
- 75 Prozent der Apotheken geben an, durch die ePA Medikationsrisiken früher zu erkennen
- Die seit Oktober verpflichtende Opt-out-ePA nutzt bereits ein Drittel der Praxen regelmäßig
“Die Digitalisierung kommt in der Versorgung an”, bilanziert der Bericht. Als nächste große Baustelle identifiziert die Gematik den Pflegesektor.
KI-Sprung in Shanghai
Parallel machte heute in Asien die Integration künstlicher Intelligenz einen Entwicklungsschritt. Fangzhou Inc. und Tencent Healthcare stellten in Shanghai eine “Full-Stack-KI-Lösung” für chronische Krankheiten vor.
Die Partnerschaft verbindet Tencents Cloud-Kapazitäten mit Fangzhous “H2H”-Ökosystem (Hospital to Home). Anders als simple Chatbots soll das System durch Reinforcement Learning medizinische Berichte interpretieren und Patientenanfragen mit klinischer Präzision bearbeiten. Das Risiko von KI-Halluzinationen wollen die Entwickler durch strikte regelbasierte Überwachung minimieren.
Von der Spielerei zur kritischen Infrastruktur
“Wir haben die Ära der ‘Pilotitis’ hinter uns, in der Apps Spielereien waren”, analysiert Dr. Elena Kraft, Berliner Gesundheitstechnologie-Expertin. “Die 360-Millionen-Wette Großbritanniens und Deutschlands Infrastruktur-Härtung zeigen: Regierungen betrachten diese Werkzeuge mittlerweile als kritische Versorgung – wie Strom oder Wasser.”
Der deutsche Ausfall illustriert allerdings die Kehrseite. Je abhängiger Gesundheitssysteme von digitalen “Eingangstüren” werden, desto mehr wird Netzstabilität zur Patientensicherheitsfrage. Der Wechsel von Papier zu Pixeln ist fast abgeschlossen – die Zuverlässigkeit der tragenden Netze bleibt Baustelle.
Ausblick: Prävention statt Reparatur
Für 2026 zeichnet sich bereits die nächste Entwicklungsstufe ab: Prävention. NHS-Direktoren haben im Vorfeld der Konferenz Rewired 2026 angekündigt, dass künftige digitale Werkzeuge Menschen gezielt aus Krankenhäusern heraushalten sollen.
Für Nutzer bedeutet das: Das E-Rezept ist erst der Anfang. Die nächste Generation dürfte Medikamentenlieferung mit KI-gesteuertem Lifestyle-Coaching und automatisiertem Risiko-Monitoring verbinden – eine durchgehende Versorgungsschleife weit jenseits der Arztpraxis.
Was vor wenigen Jahren noch Science-Fiction klang, wird gerade zur staatlichen Regelversorgung erklärt. Bleibt die Frage: Sind die Netze stabil genug für diese Transformation?
PS: Künstliche Intelligenz verändert Klinikabläufe – aber die regulatorischen Pflichten sind komplex. Der kostenlose Leitfaden zur EU-KI-Verordnung fasst kompakt zusammen, wie Sie Risikoklassen bestimmen, Dokumentationspflichten erfüllen und Kennzeichnungsregeln umsetzen, damit medizinische KI-Systeme rechtssicher betrieben werden können. Praktische Checklisten helfen bei der Projektplanung und beim laufenden Betrieb. Gratis-Guide zur KI-Verordnung jetzt anfordern


