Bundesregierung erklärt Kauf von Überwachungsdaten zum Staatsgeheimnis
21.12.2025 - 21:52:11Die Bundesregierung verweigert Auskunft über den Kauf privater Bewegungsdaten durch Sicherheitsbehörden. Ein Parlamentsgutachten sieht dafür keine gesetzliche Grundlage.
Die Bundesregierung hat die Frage, ob deutsche Sicherheitsbehörden private Bewegungsprofile kaufen, als Staatsgeheimnis eingestuft. Diese Entscheidung entfacht einen Grundsatzstreit zwischen Sicherheitsinteressen und Datenschutz.
Transparenzverweigerung im Bundestag
Seit dem 19. Dezember 2025 verweigert die Bundesregierung dem Parlament die Auskunft, ob Behörden wie das Bundeskriminalamt (BKA) oder der Bundesnachrichtendienst (BND) kommerzielle Standortdaten erwerben. In ihrer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage beruft sie sich auf den Schutz der „Handlungsfähigkeit der Nachrichtendienste“. Konkret geht es um die Praxis des ADINT (Advertising Based Intelligence), bei der Daten, die ursprünglich für Werbezwecke gesammelt wurden, zur Überwachung genutzt werden – ohne richterlichen Beschluss. Die Regierung bestätigte die Käufe nicht, schloss sie aber auch „ausdrücklich nicht aus“, wie die investigativen Portale Netzpolitik.org und der Bayerische Rundfunk berichten.
Rechtsfreier Raum für Behörden-Einkäufe
Die Geheimhaltung ist besonders brisant, weil die Rechtslage für solche Datenkäufe äußerst fragwürdig ist. Ein aktuelles Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags kommt zu einem klaren Ergebnis: Für Polizeibehörden wie das BKA gibt es derzeit keine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage, um kommerzielle Bewegungsdaten zu erwerben. Selbst für Nachrichtendienste sei die Rechtslage „unklar“. Kritiker sehen darin eine gefährliche Hintertür. „Wenn der Staat Daten kauft, die er selbst nicht erheben dürfte, untergräbt er die Grundrechte der Bürger“, warnen Datenschützer. So könnte der Staat strenge verfassungsrechtliche Hürden für Überwachungsmaßnahmen umgehen.
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Die „Databroker Files“ und der globale Datenhandel
Die Enthüllungen sind Teil der investigativen Serie „Databroker Files“. Diese zeigt das Ausmaß des globalen Handels mit persönlichen Daten auf. Auf offenen Marktplätzen sind detaillierte Bewegungsprofile von Millionen Menschen leicht erhältlich. Frühere Berichte belegten, dass solche Daten sogar zur Observation von EU-Spitzenbeamten oder Militärstützpunkten genutzt werden konnten. Als zentrale Drehscheibe wurde dabei der Berliner Datenmarktplatz Datarade identifiziert. Die Weigerung der Regierung, ihre Rolle zu klären, legt nahe, dass deutsche Behörden möglicherweise selbst auf diesem Markt aktiv sind – und damit Daten nutzen, die nach der EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) oft illegal erhoben wurden.
Konflikt mit dem eigenen Datenschutz
Mit ihrer Geheimhaltungsstrategie kollidiert die Bundesregierung mit ihren eigenen Aufsichtsbehörden. Die Bundesdatenschutzbeauftragte, Prof. Dr. Louisa Specht-Riemenschneider, hat sich bereits mehrfach kritisch zum Handel mit kommerziellen Daten geäußert. Experten betonen: Die Sammlung von Standortdaten für Werbung erfolgt häufig ohne wirksame Einwilligung und ist damit rechtswidrig. Kauft der Staat diese „belasteten“ Daten, legitimiert er nicht nur eine fragwürdige Industrie. Er riskiert auch, dass Beweismittel vor Gericht unverwertbar werden. Es entsteht ein Doppelstandard: Während die Regierung für die Wirtschaft strenge Datenschutzregeln fordert, bedient sie sich möglicherweise selbst am Schattenmarkt der Datenhändler.
Eskalation und politische Folgen
Der Konflikt droht in den kommenden Wochen zu eskalieren. Die Oppositionsparteien im Bundestag wollen die Einstufung als Staatsgeheimnis nicht hinnehmen und könnten den Weg zum Bundesverfassungsgericht ebnen. Die Enthüllungen dürften zudem Forderungen nach einem gesetzlichen Verbot von behördlichen Datenkäufen befeuern. Der Druck auf das Bundesinnenministerium wächst, zu erklären, wie das „Einkaufen“ privater Bürgerdaten mit dem verfassungsrechtlich garantierten Recht auf informationelle Selbstbestimmung vereinbar ist. Solange die Regierung schweigt, müssen Millionen Bürger davon ausgehen, dass ihr digitaler Fußabdruck nicht nur Werbetreibenden, sondern womöglich auch dem Staat zugänglich ist.


