Bundesrat, Notrufe

Bundesrat will Notrufe präziser machen

19.12.2025 - 05:20:12

Der Bundesrat stimmt heute über eine Resolution ab, die Leben retten könnte. Sie fordert eine gesetzliche Pflicht zur automatischen Standortübermittlung bei Notrufen.

Berlin – In der letzten Sitzung des Jahres 2025 steht im Bundesrat ein Thema auf der Tagesordnung, das über Leben und Tod entscheiden kann. Die Länderkammer stimmt heute, Freitag, über eine Resolution des Freistaates Sachsen ab. Sie fordert die Bundesregierung auf, das Telekommunikationsgesetz (TKG) zu ändern. Künftig sollen bei Anrufen der Notrufnummern 110 und 112 automatisch präzise Standortdaten an die Leitstellen übermittelt werden.

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Hinter der Initiative steckt ein eklatanter Widerspruch: Moderne Smartphones können ihren Standort auf wenige Meter genau bestimmen. Bei einem Notruf erhält die Leitstelle jedoch oft nur die Daten der Funkzelle. Diese kann ein Gebiet von mehreren Quadratkilometern abdecken. Die Rettungskräfte müssen dann suchen – und verlieren wertvolle Minuten.

„Es kann vorkommen, dass der Disponent einen Suchradius von mehreren hundert Quadratmetern angezeigt bekommt, obwohl das Gerät selbst metergenaue GPS-Daten hat“, heißt es in dem Antrag (Drucksache 673/25). Diese Lücke zwischen technischer Möglichkeit und gesetzlicher Realität will Sachsen schließen.

Abhängigkeit von US-Techgiganten beenden

Bislang stützt sich Deutschland bei der Ortung hauptsächlich auf den freiwilligen Dienst „Advanced Mobile Location“ (AML). Dieser wird von den Betriebssystem-Herstellern Google (Android) und Apple (iOS) bereitgestellt. Die sächsische Initiative kritisiert diese Abhängigkeit von US-Konzernen für eine kritische Infrastruktur wie den Notruf. Sie bietet keine langfristige Rechtssicherheit.

Zudem ist nicht jede Leitstelle technisch in der Lage, die AML-Daten zu empfangen. Es herrscht ein Flickenteppich aus unterschiedlichen Systemen. Die Folge: Ein Anrufer wird in einem Landkreis sofort geortet, im Nachbarkreis bleibt sein Standort unsichtbar.

Datenschutz contra Rettungsgeschwindigkeit

Die Debatte berührt einen sensiblen Nerv im deutschen Recht: den Konflikt zwischen Datenschutz und der Geschwindigkeit von Rettungseinsätzen. Gerade bei Polizeinotrufen (110) behinderten datenschutzrechtliche Bedenken bisher oft die automatische Standortübermittlung.

Die Resolution will diesen Konflikt auflösen. Sie fordert eine klare gesetzliche Grundlage im TKG, die den Schutz von Leben und Leib in akuten Notlagen über die informationelle Selbstbestimmung stellt. Diese Position findet zunehmend Unterstützung, auch unter den Innenministern der Länder.

Forderungen an die Bundesregierung

Der sächsische Antrag ist eine Reaktion auf die EU-Richtlinie 2019/882. Deutschland droht, seine Zusagen zu verfehlen, wenn die Notruf-Infrastruktur nicht modernisiert wird. Die Resolution enthält drei konkrete Forderungen an die Bundesregierung:

  • Gesetzliche Pflicht: Telekommunikationsanbieter wie Deutsche Telekom, Vodafone und O2 Telefónica sollen verpflichtet werden, hochpräzise Standortdaten zu übermitteln.
  • Einheitlicher Standard: Der Bund muss verbindliche technische Vorgaben machen, damit alle 16 Bundesländer kompatible Systeme nutzen.
  • Frist bis 2027: Bis spätestens 2027 soll die neue Regelung umgesetzt sein, um Netzbetreibern und Leitstellen Zeit für die Umrüstung zu geben.

Was ein Ja des Bundesrates bedeutet

Die Fachausschüsse haben dem Antrag bereits zugestimmt. Eine Annahme in der heutigen Plenarsitzung gilt als wahrscheinlich. Diese würde das Gesetz nicht sofort ändern, aber erheblichen politischen Druck auf das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) ausüben.

Die Ministerien müssten dann Anfang 2026 einen Gesetzentwurf vorlegen. Für die Netzbetreiber bedeutete dies Investitionen in neue Ortungstechnologien. Für die Rettungsdienste wäre es ein überfälliger Schritt.

„Bei einem Herzstillstand oder einer Entführung zählt jede Sekunde“, stellt ein Hintergrundpapier des Innenausschusses klar. „Wir können es uns nicht leisten, dass die Technik weiß, wo das Opfer ist, der Retter aber in einem Zwei-Kilometer-Radius suchen muss.“

Die Bundesratssitzung beginnt um 9:30 Uhr. Fällt die Entscheidung wie erwartet, liegt der Ball anschließend bei der Bundesregierung.

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