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Sind der EZB die wirksamen Mittel ausgegangen?

Vorerst unverändert belässt die EZB die bisherige Geldpolitik. Beschlossen hat dies der EZB-Rat gestern im Anschluss an seine Sitzung. Weder wurde das Anleihekaufprogramm verändert, noch wurden die Leitzinsen angetastet. Dass die Zinsen „für längere Zeit und weit über den Zeithorizont des Nettoerwerbs von Vermögenswerten hinaus auf dem aktuellen oder einem niedrigeren Niveau bleiben werden", war das einzige, was die Notenbanker bestätigten. Zunächst unverändert bis März 2017 fortgesetzt werden sollen die monatlichen Anleihenkäufe im Umfang von 80 Mrd. Euro. Dies in jedem Fall aber so lange, bis eine nachhaltige Korrektur der Inflationsentwicklung erkennbar ist, die im Einklan steht mit dem Inflationsziel der EZB von zwei Prozent.

Für ein kleines Börsenbeben sorgte die Zinsentscheidung

Enttäuscht zeigten sich die Märkte in einer ersten Reaktion. Der DAX brach kräftig ein (roter Pfeil im Chart), während sich EZB-Chef Mario Draghi in einer Pressekonferenz noch erklärte. Der Index verlor im Maximum über 170 Punkte. Dies war eine kleine Welt, zumindest im Vergleich zu den moderaten Kursschwankungen der vergangenen Tage. 

DAX - EZB sorgt für kleines Börsenbeben

Im größeren Bild (siehe folgender Chart) rutschte der Index allerdings lediglich in die kurzfristige Seitwärtsrange von ca. 10.440 bis 10.660 Punkten zurück (siehe Börse-Intern vom 30. August), ohne das April tief in Gefahr zu bringen (rote Ellipse). Charttechnisch hat sich daher nicht viel verändert. Zumal sich die Kurse bereits wieder deutlich erholten. Dadurch zeichnet sich inzwischen ein kurzfristiger Aufwärtstrend ab (grün).

DAX - Target-Trend-Analyse

Enttäuscht wurden Erwartung an weitere Maßnahmen 

Zu dem kleinen Börsenbeben kam es, weil im Vorfeld der EZB-Entscheidung einige Experten davon ausgegangen waren, dass die Notenbank die Modalitäten des Anleihekaufprogramm ändern und dessen Laufzeit verlängern würde. Auch eine weitere Reduzierung der Leitzinsen, insbesondere des Einlagesatzes, wurde diskutiert.

Gefragt ist nun die Politik

Doch wenn man die Pressekonferenz und die Aussagen Draghis aufmerksam verfolgt hat, dann konnte man erkennen, dass die EZB die Politik verstärkt in der Pflicht sieht. Nach Meinung der EZB sei es Sache der Euro-Länder, endlich für ein wachstums- und investitionsfreudigeres Klima zu sorgen, damit sich die bisher bereits beschlossenen geldpolitischen Maßnahmen voll auswirken können.

Und damit passt die heute EZB-Entscheidung hervorragend zu den Daten, die in der Börse-Intern vom 31. August besprochen wurden. Dort war zu lesen, dass die Liquidität der EZB nur begrenzt Abnehmer findet, weil im aktuellen Wirtschaftsumfeld niemand etwas mit der massenhaften Geldschwemme anfangen kann. Neu-Investitionen würden sich mangels positiver Perspektiven nicht lohnen, hieß es in der Analyse.

Mehr als eine Billion Euro horten Banken bei der EZB

Diesen Eindruck bestätigt eine aktuelle Nachricht, wonach die sogenannten Überschussreserven der Banken im Euroraum bei der EZB ein neues Rekordniveau erreicht haben. Sie beliefen sich nach letzter Meldung von Anfang September auf fast 1.023 Milliarden Euro. – Normalerweise liegt der Wert nahe null. Doch aufgrund der massiven Wertpapierkäufe der EZB sind die Guthaben der Banken dramatisch angeschwollen.

Ihr Ziel verfehlen Anleihenkäufe der EZB

Eigentlich sollen die Anleihenkäufe der EZB die Kreditvergabe in der Eurozone ankurbeln. Im ersten Schritt gelingt dies auch, denn wie die genannten Zahlen zeigen, schwimmen die Geldhäuser in Geld und könnten somit massenhaft Kredite ausgeben. Doch offenbar kann die Wirtschaft dieses Geld aus den oben genannten Gründen zurzeit nicht gebrauchen. Die Maßnahmen der EZB laufen also ins Leere. Wohl nicht ganz zufällig haben die Überschussreserven und das Gesamtvolumen der Anleihenkäufe fast zeitgleich die Schwelle von einer Billion Euro überschritten.

Bald kann es teuer werden für die Banken

Dramatisch ist dies für die Banken. Denn für sie ist das eigentlich ein Minusgeschäft, weil die EZB für das geparkte Geld derzeit einen Negativzins von minus 0,4 Prozent nimmt (Einlagesatz, engl.: deposit facility). Die Kursgewinne der vorher an die EZB verkauften Anleihen dürften diese Verluste ein wenig mindern. Doch nicht auf Dauer, weshalb diese Entwicklung irgendwann zu einem großen Problem werden könnte.

Ohne eine stärkere Wachstumspolitik scheint die EZB  machtlos

Und so verwundert es auch nicht, dass die EZB nun keine Änderungen an ihrer Geldpolitik vorgenommen hat. Eine Ausweitung der Anleihenkäufe würde wohl nur die Überschussreserven weiter anschwellen lassen und ein niedrigerer Einlagezins die schon schwer angeschlagenen Banken weiter belasten.

Die EZB müsste daher noch kreativer werden, um dieser Fehllenkung von Kapital entgegenzuwirken. Doch vielleicht ist das einzige Mittel, was nun noch hilft, eine wirtschafts- und wachstumsfreundliche Politik. Wohl auch deshalb hat Draghi in seiner heutigen Rede noch einmal explizit den Stab an die Politik weitergereicht. Doch ob seine Worte je erhört werden?

Resümee

Die Märkte müssen nun jedenfalls ohne weitere geldpolitische Hilfen auskommen. Ob ihnen dies in der sowieso schon saisonal schwachen Phase gelingt, bleibt abzuwarten. Die Charttechnik wird es uns verraten. Achten Sie also weiterhin einfach auf die relevanten Marken im DAX.


Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrer Geldanlage
Ihr
Sven Weisenhaus

(Quelle: www.stockstreet.de)

@ ad-hoc-news.de | 09.09.16 09:13 Uhr