Aktienmärkte, Anleger

Die Magie der runden Marken

Neben der Entscheidung der Europäischen Zentralbank über die weitere Geldpolitik am heutigen Donnerstag, warten die Anleger in dieser Woche auch mit Spannung auf den monatlichen US-Arbeitsmarktbericht, der am Freitag veröffentlicht wird. Und gestern bekamen die Anleger darauf bereits einen Vorgeschmack. Der Bericht des Personaldienstleisters ADP lieferte erste Hinweise auf die Entwicklung der Arbeitslosigkeit in den USA. Und er fiel deutlich besser aus als erwartet.

Unter dem Strich wurden demnach im Mai 2,76 Millionen Stellen gestrichen. Damit hat sich die Entlassungswelle zwar erwartungsgemäß fortgesetzt – allerdings einerseits deutlich langsamer als erwartet und andererseits bei weitem nicht mehr so schnell wie im Vormonat. Experten hatten mit 9 Millionen weniger Arbeitsplätzen gerechnet, nach einem Stellenabbau in Höhe von mehr als 19,5 Millionen im April – das waren so viele wie noch nie in einem Monat.

ADP-Arbeitsmarktbericht

Für den offiziellen Arbeitsmarktbericht der US-Regierung am Freitag, der neben Jobs in der Privatwirtschaft auch Stellen im öffentlichen Dienst umfasst, erwarten Experten einen Wegfall von acht Millionen Jobs, nachdem im April bereits 20,5 Millionen gestrichen wurden. Angesichts der gestrigen Zahlen dürften die Anleger aber davon ausgehen, dass auch der Bericht am Freitag besser als prognostiziert ausfällt. Das birgt allerdings Enttäuschungspotential.

Anleger freuen sich über verbesserte Wirtschaftsdaten

Gestern hingegen konnten sich die Anleger über die positive Überraschung freuen. Und die Aktienindizes konnten ihre Aufwärtstendenz ungestört fortsetzen. Geholfen haben dabei auch weitere Daten, die über den Erwartungen ausgefallen sind. So zum Beispiel schon am Montag der Einkaufsmanagerindex des Institute for Supply Management (ISM), der das erste Mal seit Jahresbeginn zulegen konnte, von 41,5 Zählern im April auf 43,1 Punkte im Mai.

ISM Einkaufsmanagerindex verarbeitendes Gewerbe USA

Diesen Daten haben aber das gleiche Problem, auf das ich auch schon bei anderen Daten hingewiesen hatte: Sie sind zwar besser als im Vormonat und auch besser als erwartet, sie sind aber dennoch grottenschlecht. So bedeutet ein Stellenabbau von 2,76 Millionen, dass eben auch 2,76 Millionen Menschen weniger Geld verdienen und weniger konsumieren können. Und ein ISM-Index des verarbeitenden Gewerbes weit unter 50 Punkte bedeutet, dass die Industrie der USA weiterhin schrumpft.

Geld vom Staat

Worüber freuen sich die Anleger also so sehr bzw. was treibt sie dennoch in Aktien? Auch darauf hatte ich schon wiederholt hingewiesen: Es ist die von Notenbanken und Regierungen zur Verfügung gestellte Liquidität. Ein Leser hat mir jüngst geschrieben, dass in den USA das wöchentliche Arbeitslosengeld von 300 auf 900 Dollar erhöht worden sei. „Vorher gab es für alle Einwohner 2 Monate ca. 1.200 Dollar und für Kinder 500 Dollar, je Monat“, so der Leser. In Spanien wurde derweil neuerdings wohl ein Grundeinkommen beschlossen, während in Deutschland noch über ein ca. 100-Milliarden-Konjunkturpaket verhandelt wird – voraussichtlich inklusive Kaufprämien für Autos, die in Frankreich bereits fließen.

Mit anderen Worten: Der Bürger wird mit Geld zugeschüttet, damit er weiter fleißig konsumieren kann und die Unternehmen wieder ordentliche Umsätze und Gewinne erzielen. Diese spiegeln sich bereits in den gestiegenen Aktienkursen wider. Die Rechnung zahlt der Staat, zumindest vorerst, denn am Ende wird natürlich doch wieder der Bürger zur Kasse gebeten. Die Probleme werden also in die Zukunft verlagert und zeitlich gestreckt. Der Wirtschaft hilft das aber erst einmal. Und das ist für die Anleger aktuell entscheidend.

Die Magie der runden Marken

Der S&P 500 konnte dadurch bereits am Dienstag vergangener Woche die runde Marke von 3.000 Punkten erreichen. Beim DAX leuchteten vorgestern erstmals seit dem 5. März wieder 12.000 Punkte auf. Und der Dow Jones schaffte gestern den Anstieg auf 26.000 Zähler. Vielleicht schafft es der Nasdaq 100 ja auch noch bis zur 10.000er Marke. Ihm fehlen dazu nur noch rund 300 Punkte bzw. etwas mehr als 3 %.

Und solche psychologisch wichtigen Marken ziehen die Kurse an. Daher wäre es denkbar, dass die Aufwärtstrends in dem Wirkungsfeld zumindest für eine Weile in Konsolidierungen übergehen. Das weitere Aufwärtspotential wäre damit vorerst begrenzt.

S&P 500 steht nun vor wichtigen Hürden

Das erscheint beim S&P 500 auch wahrscheinlich. Denn der Index hat inzwischen mit der oberen Linie des ehemaligen Aufwärtstrendkanals (grün) bzw. der vermeintlichen Trompetenformation (blau) das am Donnerstag vergangener Woche hier genannte Kursziel erreicht (roter Pfeil).

S&P 500 - Chartanalyse

Und bei 3.136,72 Punkten wurde bei einer Erholung während der crashartigen Abwärtsbewegung ein Zwischenhoch markiert (rote Linie). Dieses Niveau stellt einen horizontalen Widerstand dar. Und so steht der S&P 500 nun vor sehr wichtigen Hürden. Nach dem bisherigen raketenhaften Anstieg ist es denkbar, dass diese nicht im aktuellen Anlauf überwunden werden können, weil den Bullen dafür nun die Kraft fehlt.

Nasdaq 100 in Rekordtempo zurück zum Allzeithoch

Ähnliches gilt auch für den Nasdaq 100. Der Technologieindex steht knapp vor dem Allzeithoch von 9.736,572 Punkten, welches er vor dem Corona-Crash erreicht hatte.

Nasdaq 100 - Chartanalyse

Und auf dem Weg dorthin hat er in gerade einmal 49 Handelstagen sagenhafte 42,42 % zugelegt. Oder anders formuliert: In nur etwas mehr als 10 Wochen hat der Technologieindex die gesamte crashartige Bewegung aufgeholt. Die beiden vorangegangenen Aufwärtsbewegungen mit +30,45 % in 94 Handelstagen bzw. +33,19 % in nur 83 Handelstagen wurden damit völlig in den Schatten gestellt. Eigentlich wäre es sehr unwahrscheinlich, dass der Index das Allzeithoch als horizontalen Widerstand nach so einem Anstieg nun auch noch ohne Probleme überwinden kann.

Aber vielleicht zieht die 10.000er Marke die Anleger noch an. Und zu berücksichtigen ist auch, dass die Märkte aktuell in einer klaren Übertreibung stecken. Und diese können länger anhalten als erwartet. Selbst starke Kreuzwiderstände können in einer solchen Phase überrannt werden. Man muss daher nun zunächst beobachten, wie sich die Indizes an den runden Marken und den wichtigen Hürden verhalten. Dann kann man daraus neue Trades ableiten.

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrer Geldanlage
Ihr
Sven Weisenhaus

 (Quelle: www.stockstreet.de)

@ ad-hoc-news.de | 04.06.20 07:18 Uhr