Justizreform, Proteste

Seit Monaten wartet Israels Regierungschef Netanjahu auf eine Einladung ins Weiße Haus.

18.07.2023 - 15:42:25

Proteste in Israel - Präsident Herzog im Weißen Haus. Nun kommt ihm Präsident Herzog zuvor. In Washington soll auch die umstrittene Justizreform Thema sein.

  • US-Präsident Joe Biden (l) bei einer früheren Begegnung mit Israels Präsident Izchak Herzog in Jerusalem. - Foto: Evan Vucci/AP/dpa

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  • Protest gegen die geplante Justizreform der israelischen Regierung in Tel Aviv. - Foto: Oded Balilty/AP/dpa

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  • Als Ausdruck ihres Widerstands gegen die geplante Justizreform blockieren israelische Militärreservisten den Eingang zu einem Militärstützpunkt. - Foto: Ilia Yefimovich/dpa

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US-Präsident Joe Biden (l) bei einer früheren Begegnung mit Israels Präsident Izchak Herzog in Jerusalem. - Foto: Evan Vucci/AP/dpaProtest gegen die geplante Justizreform der israelischen Regierung in Tel Aviv. - Foto: Oded Balilty/AP/dpaAls Ausdruck ihres Widerstands gegen die geplante Justizreform blockieren israelische Militärreservisten den Eingang zu einem Militärstützpunkt. - Foto: Ilia Yefimovich/dpa

Vor dem Treffen des israelischen Präsidenten Izchak Herzog mit US-Präsident Joe Biden haben in Israel erneut Tausende gegen den geplanten Umbau der Justiz protestiert. Das umstrittene Vorhaben und generell die Politik der rechts-religiösen Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu waren in den vergangenen Monaten zur Belastungsprobe der Beziehungen beider Länder geworden.

Ein Antrittsbesuch Netanjahus im Weißen Haus steht seit Monaten aus. Die US-Regierung stellte am Montag zwar vage eine Begegnung der beiden im Herbst in den USA in Aussicht. Zugleich äußerte sie deutliche Bedenken an der geplanten Schwächung der israelischen Justiz und einigen Mitgliedern des Netanjahu-Kabinetts.

Justizreform bringt erneut Tausende auf die Straßen

Netanjahus Koalition plant, die unabhängige Justiz im Land gezielt zu schwächen. Sie wirft ihr zu viel Einfluss auf politische Entscheidungen vor. In der kommenden Woche soll ein wichtiger Teil der Reform zur Einschränkung des Höchsten Gerichts verabschiedet werden. Kritiker sehen die Gewaltenteilung und damit die Demokratie in Gefahr. Manche warnen gar vor der schleichenden Einführung einer Diktatur.

Heute demonstrierten erneut Tausende im Rahmen eines «Tag des Widerstands» gegen das Vorhaben. Landesweit beteiligten sie sich an Störaktionen und Kundgebungen. Mehrere zentrale Straßen wurden blockiert. Die Organisatoren appellierten an die USA, ihren Einfluss zu nutzen und die Regierung an ihren umstrittenen Plänen zu hindern. Die USA sind traditionell Israels engste Verbündete und unterstützen das Land jedes Jahr im Bereich Verteidigung mit Milliardensummen.

Biden will mit Herzog auch über demokratische Werte sprechen

Bei dem Treffen mit Herzog am Abend (19.15 Uhr MESZ) soll es nach Angaben der US-Regierung auch um die höchst umstrittenen Reformpläne gehen. Biden wolle über die Bedeutung gemeinsamer demokratischer Werte sowie die Frage sprechen, wie Freiheit, Wohlstand und Sicherheit sowohl für Palästinenser als auch für Israelis gefördert werden könnten. Seit Monaten bemüht sich Herzog um einen Kompromiss zwischen Regierung und Gegnern der Reform - bislang erfolglos. Der Präsident in Israel hat anders als in den USA vor allem eine repräsentative Funktion.

Die Protestbewegung ist eine der größten in der Geschichte Israels, einem Land mit rund 10 Millionen Einwohnern. Sie umfasst breite Gesellschaftsteile. Auch innerhalb des israelischen Militärs wächst der Widerstand gegen die Regierung. Mehrere Tausend Reservisten drohten, ihren Dienst nicht mehr antreten zu wollen, sollte ein Teil der Justizreform verabschiedet werden. Ein Großteil des israelischen Militärs besteht aus Reservisten.

Beziehungen zwischen Israel und USA auf dem Prüfstand

In Israel sorgte zuletzt ein Kommentar in der «New York Times» des Autors Thomas L. Friedman mit dem Titel «Die Neubewertung der Regierung Netanjahu durch die USA hat begonnen» für Aufsehen. Friedman warnt darin, dass die US-Regierung zunehmend wegen Netanjahus Politik besorgt sei und ihre bisherigen Beziehungen mit dem Land neu überdenke würde. Israelische Kommentatoren äußerten ähnliche Sorgen.

«Dass Netanjahu seit Amtsantritt nicht im Weißen Haus war und nun Herzog eingeladen ist, ist ein eindeutiges Zeichen dafür», sagte der israelische Politikwissenschaftler Eldad Schawit. Zwar vereinbarten Biden und Netanjahu bei einem Telefonat nun ein Treffen im Herbst. Dies lindere jedoch nicht die Spannungen zwischen den beiden Ländern. «Biden hat ein klares Zeichen an Netanjahu gesendet, es muss etwas passieren, ansonsten wird es kein Treffen geben, und schon gar nicht im Weißen Haus.»

Während Netanjahus Büro am Montagabend nach dem als «lang und herzlich» bezeichneten Gespräch die Einladung in die USA thematisierte, hatte das Weiße Haus erst auf Nachfrage bestätigt, dass es «wahrscheinlich» noch vor Ende des Jahres ein Treffen gibt.

Der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby, warnte zudem, das Telefonat und die geplante Begegnung zu hoch zu bewerten: Die Bedenken wegen des geplanten Umbaus der Justiz und «extremistischer Handlungen» einiger Kabinettsmitglieder seien nicht geringer geworden.

In einem Interview des Senders CNN hatte Biden kürzlich offen Netanjahus Kabinett kritisiert und einige Mitglieder als extrem bezeichnet. Insbesondere diejenigen seien problematisch, «die sagen: «Wir können siedeln, wo wir wollen»». Biden ist als Gegner der israelischen Siedlungspolitik bekannt, welche die Regierung seines Vorgängers Donald Trump noch unterstützt hatte.

Israels Regierung treibt Siedlungsbau voran

Netanjahus Koalition ist die am weitesten rechtsstehende in der Geschichte Israels. Mehrere Minister vertreten rechtsextreme Ansichten. Seit Antritt der Regierung wurden laut der Menschenrechtsorganisation Peace Now so viele neue israelische Wohneinheiten im besetzten Westjordanland genehmigt, wie noch nie seit Beginn der Aufzeichnung 2012.

Israel hatte während des Sechs-Tage-Krieges 1967 unter anderem das Westjordanland und Ost-Jerusalem erobert. Rund 600.000 Israelis leben dort heute in mehr als 200 Siedlungen. Die Palästinenser beanspruchen die Gebiete als Teil eines eigenen Staats.

@ dpa.de