Alexej Nawalny, Wladimir Putin

Kremlkritiker Alexej Nawalny wurde 2020 vergiftet.

06.06.2023 - 11:05:46

Russland wegen mangelnder Nawalny-Ermittlung verurteilt. Weil dieser Vorfall nicht richtig aufgearbeitet wurde, soll Russland Schadenersatz zahlen. Ob Putin sich an die Strafe hält, ist jedoch fraglich.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat Russland wegen unzureichender Ermittlungen nach der Vergiftung des Kremlkritikers Alexej Nawalny 2020 verurteilt. Das Gericht in Straßburg bemängelte, dass ein politisches Motiv für den Mordversuch und eine mögliche Beteiligung von staatlichen Agenten nicht in Betracht gezogen worden seien.

Der prominenteste Kritiker von Präsident Wladimir Putin war im Sommer 2020 bei einer Reise in Sibirien mit dem Nervenkampfstoff Nowitschok vergiftet worden. Er überlebte nur knapp.

Nawalny wirft dem russischen Inlandsgeheimdienst FSB vor, hinter der Vergiftung zu stecken. Die Behörden bestreiten dies. Nach einer Behandlung in Deutschland kehrte er trotz drohender Verhaftung nach Russland zurück. So kam es dann auch. Derzeit verbüßt er eine neunjährige Haftstrafe in einem russischen Straflager. Zwei Jahre davon hat er bereits abgesessen. In einem neuen Prozess drohen ihm nun jedoch weitere 30 Jahre Lagerhaft.

Rechte nicht berücksichtigt

Der EGMR urteilte nun einstimmig, dass Nawalny in seinem Recht auf Leben aus der Europäischen Menschenrechtskonvention verletzt worden sei. Die Ermittlungen der russischen Behörden seien nicht nachvollziehbar. Nawalnys Recht auf Beteiligung am Verfahren sei ebenfalls nicht berücksichtigt worden.

Russland wurde deshalb zur Zahlung von 40.000 Euro Schadenersatz verurteilt. Putin hat allerdings bereits angekündigt, Urteile des Gerichtshofs für Menschenrechte nicht mehr anzuerkennen.

Russland wurde wegen seines Angriffskrieges gegen die Ukraine aus dem Europarat ausgeschlossen. Damit ist es auch kein Mitglied der Europäischen Menschenrechtskonvention mehr, für deren Einhaltung der Gerichtshof sorgt. Am Gerichtshof für Menschenrechte sind aber noch mehrere Tausend Klagen gegen Russland anhängig. Europarat, Menschenrechtskonvention und Gerichtshof sind unabhängig von der EU.

Neues Verfahren beginnt im Straflager

Währenddessen begann in Russland unter Ausschluss der Öffentlichkeit ein neues Gerichtsverfahren wegen angeblichen Extremismus. «Es ist unmöglich, das Gericht zu sehen oder zu hören», schrieb Nawalnys Pressesprecherin Kira Jarmysch auf Twitter über die Verhandlung, die rund 260 Kilometer nordöstlich von Moskau direkt in Nawalnys Strafkolonie abgehalten wird. Journalisten wurde der Zutritt demnach noch vor Beginn des eigentlichen Prozesses bei einer vorbereitenden Sitzung verwehrt.

Niemand werde auf das Territorium der Haftanstalt gelassen, erklärte auch der Direktor von Nawalnys «Fonds für die Bekämpfung der Korruption», Iwan Schdanow. «Der Prozess ist vollkommen geschlossen.» Seine Aussagen dokumentierte Schdanow mit einem Foto auf seinem Telegram-Kanal, das den Zaun der Strafkolonie zeigen soll. Darauf ist ein Plakat zu sehen, aus dem hervorgeht, dass Fotografieren und Filmen verboten ist.

@ dpa.de