Israel, Westen

Ein Telefonat von US-Präsident Biden mit Regierungschef Netanjahu zeigt Wirkung.

05.04.2024 - 16:13:50

Israel: Westen fordert rasche Hilfe für Gaza ein. Israel will über neue Routen Hilfe in den Gazastreifen lassen. Die News im Überblick.

Nach der Ankündigung Israels, mehr Hilfe in den Gazastreifen zuzulassen, haben die USA und andere Länder eine rasche Umsetzung des Vorhabens gefordert. US-Außenminister Antony Blinken sagte in Brüssel, Israel müsse Ergebnisse liefern. Die USA würden prüfen, wie viele Lastwagen tatsächlich dauerhaft in der Krisenregion ankämen. Es käme auch darauf an, dass Hilfsgüter im gesamten Küstengebiet verteilt würden, vor allem im Norden. Auch die Bundesregierung und die EU-Kommission erwarten, dass den Ankündigungen der israelischen Regierung rasch Taten folgen.

Israel hatte nach einer deutlichen Warnung des Verbündeten USA «sofortige Schritte» zur Erhöhung humanitärer Hilfe für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen beschlossen. Das Kriegskabinett entschied, den Hafen von Aschdod sowie den Grenzübergang Erez vorübergehend für Hilfslieferungen zu öffnen. Dadurch kann leichter Hilfe in den besonders von Lebensmittelmangel betroffenen Norden Gazas gelangen. Auch die über den Grenzübergang Kerem Schalom aus Jordanien kommende Hilfe wird demnach aufgestockt.

US-Präsident Joe Biden hatte Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu gestern in einem Telefonat nach Angaben des Weißen Hauses aufgefordert, eine Reihe «spezifischer, konkreter und messbarer Schritte» zu unternehmen, um das Leid für die Menschen in Gaza zu verringern und den Schutz von Helfern zu erhöhen.

«Die Menschen in Gaza brauchen jedes Hilfspaket, und deshalb erwarten wir, dass die israelische Regierung ihre Ankündigungen rasch umsetzt», sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin. Die Maßnahmen seien «wichtig und richtig, aber es ist natürlich auch überfällig.» Die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann sagte, man gehe davon aus, dass mindestens ein Äquivalent von 500 Lastwagen erforderlich sei, um eine minimale Versorgung sicherstellen zu können und den humanitären Mindestbedarf zu decken. Auch die UN hielten jüngst 500 Lastwagen am Tag für nötig.

Auch UN-Generalsekretär António Guterres wies erneut auf die Dringlichkeit der Hilfslieferungen hin. Im Gazastreifen nach seiner Ansicht eine katastrophale Hungerkrise. «Kinder in Gaza sterben heute an Nahrungs- und Wassermangel», sagte Guterres. Dies sei komplett vermeidbar. «Wenn die Tür für Hilfe geschlossen ist, öffnet sich die Tür für das Verhungern.» Mehr als eine Million Menschen, etwa die Hälfte der Bevölkerung des abgeriegelten Küstenstreifens, seien von katastrophalem Hunger bedroht. «Nichts kann die Kollektivstrafe für die Palästinenser rechtfertigen», sagte Guterres weiter.

Armee entlässt Offiziere

Nach dem tödlichen Angriff der israelischen Armee auf Mitarbeiter der Hilfsorganisation World Central Kitchen (WCK) im Gazastreifen will das Militär zwei Offiziere von ihren Posten absetzen. Generalstabschef Herzi Halevi habe entschieden, einen verantwortlichen Kommandeur sowie den Stabschef der zuständigen Brigade von ihren Positionen zu entlassen, teilte das israelische Militär mit. Weitere Kommandeure werden verwarnt.

Eine Untersuchung der Armee kam zu dem Ergebnis, dass der Vorfall am Montagabend ein «schwerwiegendes Versagen» der Einsatzkräfte darstellte. Diese hätten den Hilfskonvoi wegen der Vermutung attackiert, zwei bewaffnete Hamas-Mitglieder seien in dem Wagen. Die Angriffe auf die Fahrzeuge seien unter «einer schwerwiegenden Verletzung der Befehle und der Standardarbeitsanweisungen» der Armee durchgeführt worden. «Die Untersuchungsergebnisse deuten darauf hin, dass der Vorfall nicht hätte passieren dürfen.»

Blinken betonte, es sei von entscheidender Bedeutung, dass eine unabhängige, gründliche und öffentliche Untersuchung zum Tod der Helfer durchgeführt werde. WCK selbst bezeichnete die Entlassung der Offiziere von ihren Positionen als «wichtige Schritte nach vorn», forderte gleichzeitig aber grundlegende Veränderungen. «Ohne einen systemischen Wandel wird es weitere militärische Fehlschläge, weitere Entschuldigungen und weitere trauernde Familien geben», schrieb die Organisation mit Sitz in Washington.

Cameron fordert unabhängige Prüfung

Der britische Außenminister David Cameron hat angekündigt, die ersten Untersuchungsergebnisse zu Israels tödlichem Angriff auf mehrere Helfer im Gazastreifen genau prüfen zu wollen. «Diese Ergebnisse müssen in vollem Umfang veröffentlicht werden und ihnen muss eine vollkommen unabhängige Prüfung folgen, um die größte Transparenz und Verantwortlichkeit sicherzustellen», teilte Cameron bei der Plattform X (früher Twitter) mit. Er begrüßte zudem die Suspendierung von zwei Offizieren.

Daraus müssten Lehren gezogen werden, forderte Cameron. Es brauche eine umfassende Reform von Israels Mechanismen, um die Sicherheit von Helfern zu gewährleisten. «Der Tod dieser mutigen Helden ist eine Tragödie und das darf niemals wieder passieren.»

Neuer Verhandlungsvorstoß für Gaza-Abkommen?

Die USA wollen einem Medienbericht zufolge zugleich den indirekten Verhandlungen über die Freilassung von Geiseln und eine Waffenruhe im Gazastreifen zum Durchbruch verhelfen. Wie der gewöhnlich gut unterrichtete israelische Journalist Barak Ravid im Nachrichtenportal «Axios» unter Berufung auf zwei mit der Angelegenheit vertraute Quellen berichtete, soll CIA-Direktor Bill Burns an diesem Wochenende zu Gesprächen mit dem Chef des israelischen Auslandsgeheimdiensts Mossad, David Barnea, sowie ranghohen Vertretern Katars und Ägyptens nach Kairo reisen, um die Freilassung der von der Hamas im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln zu erwirken.

Dem «Axios»-Bericht zufolge soll Burns neben Barnea auch Katars Ministerpräsidenten Mohammed bin Abdulrahman Al Thani und den ägyptischen Geheimdienstminister Abbas Kamel in Kairo treffen. Seit Wochen vermitteln die USA, Katar und Ägypten zwischen Israel und der islamistischen Hamas, um eine Feuerpause und einen Austausch aus Israel verschleppter Geiseln gegen palästinensische Häftlinge zu erreichen. Knapp 100 Entführte in der Gewalt der Hamas dürften nach israelischen Schätzungen noch am Leben sein.

Justizministerium bestätigt Hacker-Angriff

Das israelische Justizministerium hat einen Hacker-Angriff auf seine Server bestätigt. Ursache und Ausmaß des Datenlecks würden noch überprüft, teilte das Ministerium dem Fernsehsender Kan mit. Die Untersuchung werde einige Zeit in Anspruch nehmen. Die Arbeit des Ministeriums und seiner Dienstleistungen sei nicht beeinträchtigt. 

Am Vortag hatte eine Gruppe mit dem Namen Anonymous for Justice für sich in Anspruch genommen, die Server des israelischen Justizministeriums gehackt zu haben. Dabei habe sie Daten im Umfang von fast 300 Gigabyte erbeutet, darunter offizielle Briefe und Dokumente, Adressbücher, Telefonlisten und E-Mails, teilte die Gruppe auf X, vormals Twitter, mit. Der Datenraub sei aus Vergeltung für Israels Krieg im Gazastreifen erfolgt. Die Angaben der Gruppe ließen sich bisher nicht überprüfen.

Sorge vor iranischem Vergeltungsschlag

Wegen der Befürchtung eines iranischen Vergeltungsschlags sind Medienberichten zufolge am Freitag weltweit 28 israelische Botschaften geschlossen geblieben. Das berichteten die Zeitung «Times of Israel» sowie die Nachrichtenseite ynet. Nach dem mutmaßlich israelischen Luftangriff auf ein Gebäude der iranischen Botschaft in Syriens Hauptstadt Damaskus mit mehreren Toten am Montag hatte der Iran Vergeltung angekündigt.

Bei dem Angriff in Syrien Anfang der Woche waren zwei Brigadegeneräle und fünf weitere Mitglieder der mächtigen iranischen Revolutionsgarden getötet worden. Irans Religionsführer Ajatollah Ali Chamenei kündigte eine «Bestrafung» Israels an. Wie und wann Irans Staatsmacht reagiert, ist völlig offen. Grund für die Botschafts-Schließungen sind der «Times of Israel» zufolge aber auch weltweite Demonstrationen im Rahmen des Al-Kuds-Tags. Kuds-Kundgebungen finden immer am letzten Freitag des muslimischen Fastenmonats Ramadan statt. Die geistliche und politische Führung des Irans ruft zur Eroberung Jerusalems auf.

Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah bezeichnet den mutmaßlich israelischen Angriff auf das iranische Botschaftsgelände als «Wendepunkt» mit Folgen. In einer Rede sagte der Generalsekretär der proiranischen Schiitenorganisation, die iranische Antwort werde unweigerlich kommen. Die Hisbollah habe keine Angst und sei auf jeglichen Krieg «bestens vorbereitet». Noch habe die Miliz ihre stärksten Waffen nicht angewandt. Zur Beziehung der Hisbollah zum Iran sagte Nasrallah: «Unsere Beziehungen und unsere Unterstützung für den Iran sind eine Medaille auf unserer Brust.» Die libanesische Hisbollah gilt als Irans wichtigster nicht staatlicher Verbündeter im Nahen Osten.

UN fordert Ende von Waffenexporten nach Israel

Der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen verabschiedete zum Ende seiner Frühjahrssitzung in Genf drei Resolutionen zu Israel und den Palästinensischen Gebieten. Unter anderem wurde das Ende von Waffenlieferungen an Israel gefordert. Dies sei notwendig, «um weitere Verletzungen von internationalem humanitärem Recht und Menschenrechtsverletzungen zu verhindern», hieß es in der Resolution.

Deutschland stimmte gegen den Text. Er erwähne die islamistische Hamas nicht, spreche Israel das Recht auf Selbstverteidigung ab und enthalte Vorverurteilungen gegen Israel, argumentierte die deutsche Botschafterin Katharina Stasch. Resolutionen des Menschenrechtsrates mit 47 Mitgliedern sind Aufforderungen. Das Gremium hat keine Möglichkeiten, ihre Durchsetzung zu erzwingen.

Der Menschenrechtsrat gab zudem einen Bericht zur Gewalt von israelischen Siedlern in Palästinensergebieten in Auftrag. Eine bestehende Expertenkommission soll die Identitäten von jenen Siedlern und Siedlergruppen feststellen, die die palästinensische Zivilbevölkerung terrorisieren oder einschüchtern, wie es in seiner zweiten Resolution forderte. Der Bericht soll in gut einem Jahr vorliegen. Er soll auch beleuchten, ob und wie Israel gegen die Rechtsverstöße vorgeht. In einer dritten Resolution wurde das Recht der Palästinenser auf Selbstbestimmung hervorgehoben.

@ dpa.de