Grippe, Influenza

Corona bestimmte lange den Alltag in Deutschland.

20.09.2023 - 05:57:55

Grippe-Impfsaison in Deutschland beginnt. All die Erreger, die uns zuvor im Herbst und Winter plagten, sind aber auch noch da. Frühzeitige Grippeschutzimpfungen machen für einige Gruppen Sinn.

Ganz plötzlich schachmatt: hohes Fieber, schmerzende Muskeln und ein dröhnender Kopf. So kann der Beginn einer echten, also durch Influenza-Viren ausgelösten Grippe aussehen. Hinzu kommt in der Regel trockener Reizhusten.

Die Krankheit konnte während der Sars-CoV-2-Pandemie fast in Vergessenheit geraten: Grippewellen im klassischen Sinn fielen wegen der in vielen Ländern verhängten Corona-Maßnahmen aus oder verliefen anders als gewohnt. Nun sind Maske, Abstand und Vorsicht für die meisten Menschen Geschichte. Auch Grippeviren könnten da wieder leichteres Spiel haben.

In rund zwei Wochen beginnt die Grippesaison - im Zeitfenster von Oktober bis Mitte Dezember wird gefährdeten Gruppen zur Grippeschutzimpfung geraten. Rund 18,8 Millionen Impfstoffdosen sind nach Angaben des zuständigen Paul-Ehrlich-Instituts bislang freigegeben. Der Höhepunkt der Grippewelle wird meist erst nach dem Jahreswechsel verzeichnet.

Unterschätzte Krankheit

Aus Sicht von Experten nutzen die Deutschen diese Impfung bisher viel zu wenig. «Wir haben traditionell extrem schlechte Impfquoten, was die Influenza angeht», sagte der Direktor der Abteilung für Infektiologie von Berlins Universitätsklinik Charité, Leif Sander, kürzlich. Bei Älteren werden 75 Prozent Geimpfte angestrebt, tatsächlich ließ sich in der Saison 2020/21 bei den ab 60-Jährigen jedoch weniger als jeder Zweite gegen Grippe impfen. Die östlichen Bundesländer stehen etwas besser da als die westlichen.

Auch beim Blick auf offizielle Meldezahlen kann leicht unterschätzt werden, wie häufig die Grippe ist: Laut Robert Koch-Institut (RKI) stecken sich während einer Welle je nach Stärke schätzungsweise 5 bis 20 Prozent der Bevölkerung an, also bis zu 16 Millionen Menschen. Wie bei Corona zeigt die Statistik lediglich laborbestätigte Fälle.

Der Begriff Grippe wird umgangssprachlich auch manchmal leichtfertig bei harmlosen Beschwerden wie Unwohlsein und Schnupfen verwendet, die durch ganz andere Erreger hervorgerufen werden. Die echte Influenza hat jedoch ernstere Konsequenzen, bei manchen Patienten kommt es zu Komplikationen. Bei der heftigsten Grippewelle seit Jahrzehnten in Deutschland in der Saison 2017/18 starben nach Schätzungen etwa 25.000 Menschen. Die Schwere der Wellen kann von Saison zu Saison ganz unterschiedlich ausfallen.

Wem die Grippeschutzimpfung empfohlen wird

Die Ständige Impfkommission (Stiko) rät ausgewählten Gruppen zu der jährlich nötigen Impfung: Menschen ab 60, Schwangeren sowie Kindern (ab sechs Monaten) und Erwachsenen mit bestimmten Vorerkrankungen. Die Empfehlung richtet sich außerdem auch an gesunde Menschen, die durch ihren Job stärker gefährdet sind, etwa medizinisches Personal. Verwendet werden sollen Vierfachimpfstoffe mit aktueller, von der WHO empfohlener Antigenkombination. Diese Anpassung wird jedes Jahr neu vorgenommen, weil Influenzaviren sehr wandlungsfähig sind. Für ältere Menschen sollen besser wirksame Hochdosis-Impfstoffe genutzt werden.

Bei den Gruppen gibt es einige Überschneidungen zur Stiko-Empfehlung für die neue angepasste Corona-Auffrischimpfung. Wer möchte, kann sich Grippe- und Corona-Impfung daher gleichzeitig geben lassen. Dies wird gestützt durch kürzlich erschienene Analysen zu Impfungen von Mitarbeitenden im Gesundheitswesen in Israel: Die Doppel-Impfung sei im Vergleich zur einzelnen Corona-Impfung weder mit einer deutlich schwächeren Immunantwort noch mit mehr Nebenwirkungen einhergegangen, bilanzierten die Autoren im Journal «Jama».

Australiens Grippewelle betraf viele Kinder

Der Verlauf und die Schwere einer Welle lassen sich nicht vorhersagen. Blickt man jedoch auf die Südhalbkugel, die manchen Experten als Marker für das bevorstehende Geschehen bei uns gilt, so sticht insbesondere eines ins Auge: In Australien waren Kinder und Jugendliche häufig betroffen. Viele hatten so schwere Symptome, dass sie auf die Intensivstation kamen, wie der australische «Guardian» im Juli berichtete. Sowohl in Australien als auch in Neuseeland setzte die Grippewelle außerdem viel früher ein als gewöhnlich. Experten sind überzeugt, dass vor allem die Aufhebung der strengen Corona-Maßnahmen die Grippewelle beflügelte. Die Impfquoten bei Kindern sollen auch im Zuge dessen niedriger ausgefallen sein als üblich.

Der kommende Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi), Florian Hoffmann, hält sich wegen der vielen Unwägbarkeiten mit Prognosen für Deutschland zurück - die Entwicklung in Australien müsse aber ernstgenommen werden, sagte er. Er mahnte dringend zeitnahe Impfungen der Risikogruppen und aller Beschäftigten im Gesundheitswesen an. «Dies ist die einzige Möglichkeit, den Verlauf dieser Welle abzumildern», sagte der Oberarzt im Dr. von Haunerschen Kinderspital in München.

RKI will hinterher Bilanz ziehen

Das RKI will wie üblich erst im Nachhinein die Schwere der Welle beurteilen. Es betont, dass sich zum Beispiel von einem schweren Verlauf in einem Staat nicht auf einen ähnlichen Verlauf in einem anderen Staat schließen lasse. Die Schwere hänge wesentlich von der Grundimmunität in der Bevölkerung und den jeweils in den Vorjahren verbreiteten Subtypen ab. Vergangenen Herbst und Winter kam es untypischerweise zu zwei Wellen: Eine war stark und ungewohnt früh, dominiert von Influenza A(H3N2)-Viren. Die zweite verlief leichter und erst im Februar, hauptsächlich ging es um Influenza B.

Die Impfung sei die wichtigste Maßnahme gegen die Erkrankung, auch wenn sie keinen hundertprozentigen Schutz vor einer Infektion biete, schreibt das RKI. Wer sich als Geimpfter anstecke, erlebe in der Regel einen milderen Verlauf. Charité-Mediziner Sander betonte zudem noch einen weiteren Nutzen der Impfung: zum Senken des Risikos etwa von Grippe-Folgeerkrankungen wie Herzinfarkten.

In Deutschland werden gegen Grippe meist sogenannte Totimpfstoffe verwendet, die die Krankheit nicht auslösen können. Möglich sind aber Impfreaktionen mit erkältungsähnlichen Symptomen.

@ dpa.de