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Medienbericht: viele Ermittlungsverfahren wegen Betrugs bei ambulanter Pflege

28.03.2020 - 15:54:35

Russisch-eurasische Bandenkriminalität: organisierter Betrug bei ambulanten Pflege-Dienstleistungen derzeit offenbar in massiv verstärktem Ausmaß.

Gemeinsame Recherchen des Bayerischen Rundfunks und der „Welt am Sonntag“ haben ergeben, dass organisierter Betrug bei der Abrechnung ambulanter Pflegedienstleistungen derzeit offenkundig in besonders großem Umfang stattfindet - und dies trotz bereits erfolgter gesetzlicher Maßnahmen zur Eindämmung dieser Form der Kriminalität. Nach dem Medienbericht von BR und „Welt am Sonntag“ haben Staatsanwaltschaften im gesamten Bundesgebiet hunderte von Strafermittlungsverfahren gegen Pflegedienste eingeleitet, die häufig von russischen und südosteuropäischen Geschäftsführern geleitet würden.

Den deutschen Kranken- und Pflegekassen entstehe ein jährlicher Schaden von schätzungsweise bis 600 Millionen Euro, indem die betrügerischen Pflegedienste zwar gegenüber den Kassen bestimmte Leistungen abrechneten, diese Leistungen dann aber nicht ausführten.

Zur Durchführung ihrer Betrügereien kooperierten die Betreiber von Pflegediensten, so der Bericht, mit nur anscheinend Pflegebedürftigen, die sich bei einem Kontrollbesuch als kränker ausgeben als sie tatsächlich sind. Zudem finde ein Zusammenwirken mit Ärzten statt, die falsche Atteste gegen eine Geldzahlung ausstellen.

Nur im Zuständigkeitsbereich der Staatsanwaltschaft Berlin würden derzeit 102 derartige Ermittlungsverfahren durchgeführt, während die Schwerpunktstaatsanwaltschaften in Bayern insgesamt 80 solcher Verfahren eingeleitet hätten.

Auch die Krankenkassen melden in letzter Zeit eine erhebliche Zunahme von Ermittlungsverfahren in Fällen mutmaßlichen Pflege-Betrugs. So stieg die Anzahl der Verdachtsfälle der bayrischen AOK im Jahr 2019 auf 361, was nahezu einer Verdoppelung gegenüber 2014 entspricht.

Ina Kindler, Staatsanwältin bei der Schwerpunktstaatsanwaltschaft Berlin, konnte vor einigen Tagen ein Strafverfahren abschließen, bei dem es um Betrug in Millionenhöhe ging. Eine Trendwende, so Kindler, könne sie in diesem Deliktbereich nicht feststellen.

Vom Bundeskriminalamt ist zu hören, dass die betrügerischen Aktivitäten unverändert Merkmale organisierter Verbrechen aufwiesen. Die Kriminellen suchten sich, so das BKA, „neue Betätigungsfelder“. Sie verlagerten jetzt ihre Tätigkeit beispielsweise in die Intensivpflege von Schwerstkranken und tätigten Investitionen in neue Pflege-Immobilien.

Nach Beurteilung von Staatsanwaltschaften und Korruptionsermittlern gibt die Coronakrise dem Pflege-Betrug zusätzlichen Auftrieb, da der Spitzenverband Bund der Krankenkassen die üblicherweise regelmäßig durchgeführten Kontrollbesuche bei pflegebedürftigen Personen wegen der Belastungen durch die Corona-Pandemie bis September 2020 ausgesetzt hat. Staatsanwältin Kindler von der Berliner Schwerpunktstaatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Aussetzung der Kontrollbesuche zur weiteren Zunahme der Ermittlungsverfahren führen dürfte.

In einem Bericht, den der Bundesrechnungshof im November 2019 für das Bundesgesundheitsministerum und den Spitzenverband Bund der gesetzlichen Krankenkassen erstellte, kritisieren die Finanzkontrolleure, dass die Kontrollen im Bereich der Pflege (bereits vor Ausbruch der Corona-Krise) weitgehend wirkungslos gewesen seien, da die Kontrollbesuche in aller Regel mit Vorankündigung erfolgten. Der interne Bericht des Bundesrechnungshofs liegt den Redaktionen von BR und „Welt am Sonntag“ vor.

Korruptionsermittler der Krankenkassen bewerten die derzeitigen gesetzlichen Regelungen zur Bekämpfung der Pflegebetrügerei daher als „zahnlos“.

 

Redaktion ad-hoc-news.de, A. Camus

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