Euroscheine

Zwei Drittel der Mitarbeiter in Callcentern erhalten nur den Mindestlohn

21.08.2020 - 08:58:50

Das Gehalt von Mitarbeitern in deutschen Callcentern liegt deutlich unter dem Durchschnitt aller Branchen.

Dies ergibt sich aus der Stellungnahme der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage, die der Abgeordnete Pascal Meiser (Die Linke) gestellt hatte. Die Tageszeitungen des "Redaktionsnetzwerks Deutschland" berichten in ihren am Freitag erscheinenden Ausgaben hierüber.

Wie die Bundesregierung in ihrer Antwort im Detail darlegt, ist das mittlere monatliche Bruttogehalt von in Callcentern in Vollzeit beschäftigen Mitarbeitern zwischen 2009 und 2019 zwar um 24,6 Prozent auf 2.049 Euro angestiegen. Verglichen mit dem mittleren Gehalt in der deutschen Wirtschaft als Ganzes fiel der Anstieg aber deutlich schwächer aus. Dieses wuchs in der gleichen Zeitspanne um 27,2 Prozent auf 3.401 Euro.

Das mittlere Einkommen, der sogenannte "Median", muss vom Durchschnittseinkommen unterschieden werden. Beim Median handelt es sich um einen statistischen Wert, der verglichen mit dem Durchschnittswert stabiler gegenüber starken Schwankungen ist. Das Medianentgelt beschreibt das Einkommen, bei dem es exakt gleich viele Menschen mit einem höheren wie auch mit einem geringeren Lohn gibt.

Tatsächlich hat das Durchschnittsgehalt eines Vollzeit-Beschäftigten in einem Callcenter im ersten Quartal des Jahres 2020 sogar noch abgenommen. Es fiel, verglichen mit dem Vergleichszeitraum des Vorjahres, um 2,7 Prozent auf brutto 2.467 Euro. Bei den geringfügig Beschäftigten Callcenter-Mitarbeitern fiel die Abnahme sogar noch stärker aus. Hier sank der durchschnittliche Monatsverdienst von 383 auf nur noch 319 Euro, also um 16,7 Prozent. Nach der Terminologie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) empfingen zum Ende des vergangenen Jahres insgesamt 43.000 Vollzeitbeschäftigte oder 61,7 Prozent der Mitarbeiter in der Callcenter-Branche nur einen Niedriglohn. Der Mindestlohnanteil in der Branche beträgt er somit mehr als das Dreifache der Wirtschaft insgesamt. Dort liegt er bei 18,8 Prozent.

Aufgeschlüsselt nach Bundesländern war das durchschnittliche monatliche Gehalt von Callcenter-Beschäftigten, die in Vollzeit arbeiten, zum Ende des Jahres 2019 in Hessen, Hamburg und Bayern mit 2.588, 2.355 und 2.350 Euro am höchsten. In Schleswig-Holstein (1.905 Euro) und Bremen (1.886 Euro) war das Gehalt in der Branche besonders niedrig. Das Schlusslicht bildet Sachsen mit einem Gehalt von nur 1.837 Euro.

Wie die Bundesregierung unter Berufung auf Zahlen des Statistischen Bundesamtes und der Bundesagentur für Arbeit weiter mitteilte, gab es in Deutschland zum Ende des Jahres 2019 rund 1.600 Callcenter. Diese beschäftigten zusammen über 70.000 Mitarbeiter. Innerhalb von 10 Jahren ist die Branche demnach um fast 25 Prozent gewachsen.

Pascal Meiser (Die Linke), der die Kleine Anfrage an die Bundesregierung gerichtet hatte, erklärte dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland", Callcenter spielten in der deutschen Wirtschaft "eine immer wichtigere Rolle". Dies gelte im Kundenservice wie im Vertrieb. Durch das starke Wachstum des Online-Handels werde sich diese Entwicklung absehbar noch weiter verstärken. Dass die in der Branche entstehenden Arbeitsplätze immer mehr von der allgemeinen Lohnentwicklung abgekoppelt würden, sei daher umso skandalöser. Die Bundesregierung müsse sich der Probleme dieser Branche "endlich ernsthaft annehmen" und dafür Sorge tragen, dass in den Centern "anständige Löhne gezahlt werden", forderte Meiser, der auch Sprecher für Gewerkschaftspolitik der Fraktion der Linken im Deutschen Bundestag ist. Ein Mindestlohn von zwölf Euro in der Stunde und ein komplettes Verbot von sachgrundlosen Befristungen, die derzeit vielfach zur Folge hätten, dass die Mitarbeiter sich nicht trauten, sich etwa in Gewerkschaften zu organisieren und sich für Tarifverträge einzusetzen, sei aus seiner Sicht ein erster Schritt in die richtige Richtung, erläuterte Meiser dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland".

 

Redaktion ad-hoc-news.de, RSM

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