Tote, Anschlag

Nach dem Anschlag im Moskauer Gebiet auf eine Konzerthalle gibt es die ersten Festnahmen.

23.03.2024 - 09:12:12

Mehr als 60 Tote bei Anschlag in Moskau: Zwei Festnahmen. Die Hintergründe der Tat vom Freitagabend sind jedoch weiter unklar.

  • Rettungskräfte bekämpfen ein Brand im Crocus City Hall am westlichen Rand von Moskau. Nach dem Angriff auf eine Veranstaltungshalle in der Region Moskau hat der russische Inlandsgeheimdienst FSB laut Agentur Interfax Tote und Verletzte bestätigt. - Foto: Alexander Zemlianichenko Jr/XinHua/dpa

    Alexander Zemlianichenko Jr/XinHua/dpa

  • Eine Anzeigetaffel zeigt auf der Straße eine Kerze zum Gedenken der Opfer. Bei dem mutmaßlichen Terroranschlag auf eine Veranstaltungshalle am Stadtrand von Moskau sind mehr als 60 Menschen getötet worden. - Foto: Guo Feizhou/XinHua/dpa

    Guo Feizhou/XinHua/dpa

  • Soldaten der russischen Nationalgarde verlassen einen Bus in der Nähe des brennenden Gebäudes. - Foto: Sergei Vedyashkin/Moscow News Agency/AP

    Sergei Vedyashkin/Moscow News Agency/AP

Rettungskräfte bekämpfen ein Brand im Crocus City Hall am westlichen Rand von Moskau. Nach dem Angriff auf eine Veranstaltungshalle in der Region Moskau hat der russische Inlandsgeheimdienst FSB laut Agentur Interfax Tote und Verletzte bestätigt. - Foto: Alexander Zemlianichenko Jr/XinHua/dpaEine Anzeigetaffel zeigt auf der Straße eine Kerze zum Gedenken der Opfer. Bei dem mutmaßlichen Terroranschlag auf eine Veranstaltungshalle am Stadtrand von Moskau sind mehr als 60 Menschen getötet worden. - Foto: Guo Feizhou/XinHua/dpaSoldaten der russischen Nationalgarde verlassen einen Bus in der Nähe des brennenden Gebäudes. - Foto: Sergei Vedyashkin/Moscow News Agency/AP

Nach dem Anschlag bei Moskau hat es nach Angaben des Parlamentsabgeordneten Alexander Chinstein zwei Festnahmen gegeben. Das mutmaßliche Fluchtfahrzeug sei mit Waffen im Inneren im Gebiet Brjansk gestoppt worden, teilte Chinstein in seinem Telegram-Kanal mit. Weitere Verdächtige würden in einem Wald gesucht, teilte der vernetzte Politiker der Kremlpartei Geeintes Russland weiter mit.

Das Fahrzeug habe bei einer Verfolgungsjagd der Polizei nicht angehalten, sei beschossen worden und habe sich dann überschlagen. «Ein Terrorist wurde auf der Stelle festgenommen, die anderen haben sich im Wald versteckt», sagte Chinstein. Am frühen Morgen sei ein zweiter Verdächtiger festgenommen worden. 

Die Suche nach den anderen mutmaßlichen Tätern werde fortgesetzt. Im Inneren des Fahrzeugs seien eine Pistole, ein Patronenmagazin und eine Kalaschnikow sowie Pässe von Bürger des zentralasiatischen Republik Tadschikistan gefunden worden.

Die russischen Behörden machten auch am Morgen zunächst weiter keine Angaben zu den Hintergründen der Tat. Auch zu einem Bekennerschreiben der Terrormiliz Islamischer Staat gab es keine Bewertung von offizieller russischer Seite. Die Terrorermittlungen dauerten an, hieß es. 

Mehr als 60 Tote

Bei dem mutmaßlichen Terroranschlag auf eine Konzerthalle am Stadtrand von Moskau sind mehr als 60 Menschen getötet worden. Das teilte das Staatliche Ermittlungskomitee Russlands mit. Zugleich gingen die Behörden von fast 150 Verletzten in dem Veranstaltungszentrum Crocus City Hall aus.

Bei dem Terroranschlag sind auch mindestens drei Kinder getötet worden. Das teilte das Gesundheitsministerium des Moskauer Gebiets am Samstagmorgen mit. Demnach starben im Krankenhaus fünf Menschen an ihren Verletzungen, darunter die drei Kinder. Die Behörde rief die Menschen auf, Blut für die Verletzten zu spenden. Es wurden mehrere Stellen dafür eingerichtet.

Die Hintergründe des Geschehens waren völlig unklar, die russischen Sicherheitsbehörden ermittelten wegen Terrorismus. Die Terrormiliz Islamischer Staat reklamierte den Anschlag für sich, wie das IS-Sprachrohr Amak im Internet unter Berufung auf nicht näher genannte Quellen meldete. Experten gingen davon aus, dass dieses Bekennerschreiben echt ist.

Die Lage an der Crocus City Hall ist am Morgen ruhig. Einsatzkräfte löschten Glutnester nach dem Großbrand, wie die Feuerwehr mitteilte. Nach dem kompletten Löschen sollten die Trümmer des eingestürzten Daches der Konzerthalle beseitigt werden. Polizei, Nationalgarde und Ermittlungskomitee nahmen die Schäden auf und sicherten Spuren.

Bewaffnete in Tarnuniform

Wie die Männer in Tarnuniform und schwer bewaffnet in die Konzerthalle gelangen konnten, war ebenfalls unklar. Die russische Hauptstadt Moskau gilt mit einem Großaufgebot an Sicherheitskräften, mit Überwachungskameras und Metalldetektoren an vielen Stellen als sichere Stadt. Die Geheimdienste der USA und anderer westlicher Länder hatten aber Anfang März vor einem drohenden Anschlag gewarnt. Präsident Wladimir Putin tat dies nach seiner Wiederwahl am vergangenen Sonntag als westliche Provokation ab.

Als die Schüsse fielen, rannten die Besucher in dem riesigen Veranstaltungszentrum um ihr Leben, wie Videos zeigten. Zu sehen waren auch einzelne auf dem Boden liegende Tote oder Verletzte. Nach Augenzeugenberichten in sozialen Medien brauchten viele Besucher von Crocus City Hall lange, um aus dem Gebäude herauszukommen. Die Ermittler fanden später Waffen und viel Munition. Tütenweise sammelten die Behördenmitarbeiter leere Patronenhülsen ein.

Bei dem Anschlag geriet das Gebäude auch in Brand. Das russische Zivilschutzministerium nannte eine Fläche von 13.000 Quadratmetern, die in Flammen standen. Löschhubschrauber waren im Einsatz. Das Dach soll eingestürzt sein. Auch wenn es hieß, das Feuer sei unter Kontrolle, schlugen doch wieder offene Flammen aus dem Gebäude, wie die Agentur Tass meldete. Dutzende Rettungswagen waren im Einsatz und viele Busse, um Menschen in Sicherheit zu bringen.

In der Crocus City Hall gibt es mehrere Veranstaltungssäle, die auch für Messen genutzt werden. Es ist eine der beliebtesten Freizeitstätten für die Moskauer und die Menschen im Umland der russischen Hauptstadt. Immer wieder sind dort auch Stars aufgetreten. Gestern hätte es ein Konzert der russischen Rockband Piknik geben sollen.

Putin lässt gute Besserung wünschen

Russlands Präsident Wladimir Putin ließ sich nach Kremlangaben «seit der ersten Minute» über die Geschehnisse informieren. Er erhalte über die entsprechenden Dienste ständig alle wichtigen Informationen über das Geschehen und die eingeleiteten Maßnahmen, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der Agentur Interfax zufolge. Später ließ Putin den Verletzten gute Besserung wünschen und dankte den Ärzten und Ärztinnen für ihren Einsatz.

Die Chefin des Föderationsrats, dem Oberhaus des russischen Parlaments, Valentina Matwijenko, drohte den Drahtziehern des Anschlags mit Vergeltung. «Diejenigen, die hinter diesem fürchterlichen Verbrechen stehen, werden die verdiente und unausweichliche Strafe dafür erhalten», schrieb sie auf ihrem Telegram-Kanal. Der Staat werde zugleich alles tun, um den Hinterbliebenen zu helfen, kündigte sie an.

Ukraine dementiert jede Verwicklung

Das ukrainische Außenministerium wies den Verdacht einer ukrainischen Verwicklung zurück. Die USA mahnten in einer ersten Reaktion ebenfalls an, keinen Zusammenhang mit der Ukraine herzustellen. «Es gibt keine Hinweise darauf, dass die Ukraine oder Ukrainer mit den Schüssen zu tun hatten», sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats der USA, John Kirby, in Washington. Man könne bisher nicht viel zu den Details mitteilen, rate aber zu diesem frühen Zeitpunkt eindringlich von der Annahme ab, dass es eine Verbindung zur Ukraine gebe. Das US-Außenministerium empfahl amerikanischen Staatsbürgern vor Ort, große Menschenansammlungen zu meiden.

Auf diese Äußerung aus Washington reagierte die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, empört. Es sei vorschnell von den USA, die Ukraine zu entlasten, sagte sie im russischen Fernsehen. «Wenn die USA oder ein anderes Land verlässliche Fakten hat, sollten sie diese der russischen Seite zukommen lassen.» Wenn es solche Fakten nicht gebe, hätten weder das Weiße Haus noch sonst jemand das Recht, vorab eine Absolution zu erteilen, sagte Sacharowa.

UN-Generalsekretär verurteilt Anschlag

Die Europäische Union sei schockiert und entsetzt, schrieb EU-Kommissionssprecher Peter Stano auf der Plattform X (früher Twitter). Die EU verurteile jegliche Angriffe auf Zivilisten. «Unsere Gedanken sind bei allen betroffenen russischen Bürgern.» UN-Generalsekretär António Guterres und der UN-Sicherheitsrat verurteilten den Anschlag ebenfalls.

Das Auswärtige Amt schrieb auf X von einem «furchtbaren Angriff auf unschuldige Menschen». Die Hintergründe müssten rasch aufgeklärt werden. «Unser tiefes Mitgefühl gilt den Familien der Opfer», hieß es weiter. Auch Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) sprach ebenfalls auf X von einem «feigen Angriff auf Menschen, die einfach nur Musik hören wollten».

Als Konsequenz des Anschlags bleiben am Wochenende alle Theater und Museen in Moskau geschlossen, darunter weltberühmte wie die Tretjakow-Galerie und das Puschkin-Museum. Zuvor hatte der Moskauer Bürgermeister Sergej Sobjanin gesagt, dass alle Großveranstaltungen in Europas größter Stadt abgesagt seien. Auch im Moskauer Umland sagten die Behörden Massenveranstaltungen ab.

2002 hatten tschetschenische Bewaffnete 850 Menschen in einem Musical-Theater in ihre Gewalt gebracht. Am vierten Tag des Dramas betäubte der Inlandsgeheimdienst die Geiselnehmer und die Geiseln mit einem Gas. Die Terroristen wurden erschossen. 135 Geiseln kamen ums Leben, die meisten von ihnen durch unzureichende medizinische Versorgung.

@ dpa.de