Der vitruvianische Mensch

FDP fordert Abschaffung des Blutspendeverbots für Homosexuelle

04.04.2020 - 07:34:53

Angesichts der eindringlichen Appelle zum Blutspenden in Zeiten der Coronakrise fordert nun die FDP, das seit vielen Jahren geltende Blutspendeverbot für nicht-enthaltsame homosexuelle Männer abzuschaffen. Das geht aus einem Brief von Bundestagsabgeordneten der FDP an den Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sowie den BÄK-Präsidenten Klaus Reinhardt hervor.

Die Bundesärztekammer (BÄK) hatte schon 2017 nach einem EuGH-Urteil das bis dato geltende Blutspendeverbot für sexuelle Risikogruppen – neben Homosexuellen auch Prostituierte und Heterosexuelle mit riskantem sexuellen Verhalten – von einer lebenslänglichen in eine einjährige Sperre nach dem Ablegen des betreffenden Risikoverhaltens geändert. Es war 1998 – 14 Jahre nach dem Ausbruch von HIV – erlassen worden und soll die Empfänger von Blutspenden vor HIV und weiteren Infektionskrankheiten wie Hepatitis C schützen. Im Brief der beiden FDP-Abgeordneten Katrin Helling-Plahr und Jens Brandenburg heißt es nun, dass kein Corona-Patient sterben solle, weil man das „pauschale Blutspendeverbot“ nicht rechtzeitig aufgehoben habe. Das Schreiben liegt den RND-Zeitungen (Redaktionsnetzwerk Deutschland) für ihre Samstagausgaben vor. Es sei zweifellos eine Herausforderung, die Versorgung mit den überlebenswichtigen Blutpräparaten in der gegenwärtigen Krise sicherzustellen, so das Argument der beiden Abgeordneten. Doch Blutspenden würden in Notfällen Leben retten und außerdem auch der Herstellung lebenswichtiger Arzneimittel dienen, schreiben Helling-Plahr und Brandenburg. Der letztgenannte Aspekt ist in der Öffentlichkeit weniger bekannt, jedoch gegenwärtig für die Bekämpfung der gegenwärtigen Pandemie recht bedeutsam. Darüber hinaus haben nun Therapieansätze mit Plasmaspenden von genesenen Covid-19-Patienten Erfolge gezeigt. In chinesischen Krankenhäusern hatten die als geheilt geltenden Coronapatienten ihr Blutplasma mit den gebildeten Antikörpern Neuinfizierten gespendet, was tatsächlich zu signifikanten Heilungsverläufen geführt hatte. Solche Testreihen planen nun auch deutsche und US-amerikanische Wissenschaftler. Man brauche hierfür aber ausreichend viele Plasmaspenden bereits genesener Personen und könne deshalb nicht die homo- und bisexuellen Männer ausschließen. Die Politiker Helling-Plahr und Brandenburg bezeichneten in diesem Kontext die bislang per Gesetz von den Risikogruppen geforderte einjährige sexuelle Enthaltsamkeit vor einer Blutspende als lebensfremd. Diese verlangt das Gesetz allerdings nicht wirklich, ebenso wie es nicht allein auf homosexuelle Männer fokussiert (siehe genannte Risikogruppen oben). Die Spender müssen lediglich glaubhaft machen (per Fragebogen), dass sie ihr riskantes Verhalten abgelegt haben. Das kann auch durch eine inzwischen bestehende mindestens einjährige Lebenspartnerschaft belegt werden. Dennoch zweifeln die Abgeordneten die tatsächliche medizinische Notwendigkeit einer solchen Regelung an.

Richtig argumentieren Helling-Plahr und Brandenburg, dass für das Infektionsrisiko nicht die (empfundene) sexuelle Identität des Spenders, sondern sein tatsächliches Risikoverhalten entscheidend sei. Dieses lasse sich daran festmachen, ob die Person mit wechselnden Partnern ungeschützten Geschlechtsverkehr habe. Die FDP-Abgeordneten fordern nun, die seit 2017 geltende Richtlinie Hämotherapie inklusive der darin beschriebenen Spenderbefragung vor der Blutspende kurzfristig zu überarbeiten. Die medizinische Beurteilung eines Spenders dürfe nicht im Kern von dessen sexueller Identität abhängig gemacht werden. Das geht aus ihrem Schreiben hervor, in welchem sie auch den Bundesgesundheitsminister auffordern, auf die Bundesärztekammer dementsprechend einzuwirken. Allerdings fokussiert die genannte Richtlinie keinesfalls auf homo- oder bisexuelle Männer, wie von den beiden liberalen Politikern behauptet wird. Sie nennt vielmehr unter Punkt 2.2.4.3.1 (Seite 17) mehrere Risikogruppen (siehe oben). Auch hat sie keinen verbindlichen Rechtscharakter (siehe Punkt 1.2 Rechtsgrundlagen, Seite 9 letzter Absatz).

 

Redaktion ad-hoc-news.de, A-055824

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