X-Strafe, Transparenzregeln

X-Strafe: EU macht Ernst mit strengen Transparenzregeln

10.12.2025 - 11:29:12

Die europäische Datenschutzlandschaft steht vor ihrer größten Zäsur seit Einführung der DSGVO. Nach der 120-Millionen-Euro-Strafe gegen X am 5. Dezember und dem „Digital Omnibus”-Vorschlag der EU-Kommission vom 19. November verschärft Brüssel den Kurs dramatisch. Für Unternehmen bedeutet das: Compliance wird zur Chefsache.

Jahrelang galt Artikel 5(1)(a) der Datenschutz-Grundverordnung – die Pflicht zur „transparenten” Datenverarbeitung – als eher weiche Leitplanke. Doch die jüngsten Entwicklungen zeigen: Aufsichtsbehörden nutzen das Transparenzprinzip längst als scharfes Schwert. Im Visier: manipulative Nutzeroberflächen und die undurchsichtige Funktionsweise Künstlicher Intelligenz.

Am 5. Dezember setzte die EU-Kommission ein Zeichen, das durch die europäische Wirtschaft hallt. Die Strafe gegen X erfolgte zwar formell nach dem Digital Services Act (DSA), doch Juristen warnen: Sie schafft einen Präzedenzfall für DSGVO-Compliance.

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Der Kern des Vorwurfs? Täuschende Gestaltung der „Blauen Häkchen”. Wer zahlt, bekommt den Verifizierungs-Badge – ganz ohne echte Identitätsprüfung. Die Kommission wertet das als klassisches „Dark Pattern”: Design, das Nutzer gezielt in die Irre führt.

„Nutzer zu täuschen… hat in der EU online nichts verloren”, stellte Henna Virkkunen, Vizepräsidentin für Tech-Souveränität, unmissverständlich klar.

Was bedeutet das für Artikel 5? Die Grenzen zwischen DSA und DSGVO verschwimmen. Für Datenschutzbeauftragte heißt das: Eine Datenschutzerklärung allein reicht nicht mehr. Die gesamte Nutzererfahrung muss auf den Prüfstand. Cookie-Banner, Kündigungsprozesse, Verifizierungssysteme – alles wird zum Haftungsrisiko, wenn es Nutzer verwirrt.

„Digital Omnibus”: Revolution in der Gesetzgebung

Während die X-Strafe Schlagzeilen macht, droht eine noch größere Umwälzung aus Brüssel. Der am 19. November vorgelegte „Digital Omnibus” könnte die DSGVO grundlegend umschreiben. Juristische Analysen dieser Woche offenbaren drei Sprengladungen:

Die neue Definition personenbezogener Daten: Künftig könnte dieselbe Information für das eine Unternehmen „personenbezogen” sein, für das andere nicht – je nachdem, welche „angemessenen Mittel” zur Re-Identifizierung verfügbar sind. Ein radikaler Bruch mit der bisherigen Praxis bei pseudonymisierten Daten.

Einheitliche Datenschutz-Folgenabschätzungen: Schluss mit dem Flickenteppich nationaler DPIA-Listen. Brüssel will EU-weit festlegen, welche Verarbeitungen eine Folgenabschätzung verlangen.

KI-Training mit Gesundheitsdaten: Besonders heikel ist Artikel 9. Der Omnibus-Entwurf könnte erlauben, sensible Daten wie Gesundheitsinformationen ohne explizite Einwilligung für KI-Training zu nutzen – sofern keine individuellen Profile erstellt werden.

Für deutsche Unternehmen bedeutet das einen Paradigmenwechsel: Weg vom „Abhaken” hin zur risikobasierten Bewertung, wer die Daten hält und welche Ressourcen zur Verfügung stehen.

KI unter Druck: Das „Black Box”-Dilemma

Die Transparenzoffensive trifft die KI-Branche mit voller Wucht. Nach ihrer Plenarsitzung am 2. und 3. Dezember verschärft der Europäische Datenschutzausschuss (EDPB) seinen Kurs bei Künstlicher Intelligenz.

Die Kernforderung: Transparenz bei KI heißt mehr als ein Disclaimer. Nach DSGVO-Artikel 13 und 14 müssen Unternehmen verständlich erklären, welche Logik hinter automatisierten Entscheidungen steckt.

Das Problem? Moderne Large Language Models sind undurchdringliche „Black Boxes”. Die X-Strafe untermauert zusätzlich: Wer Datenforscher den Zugang zu öffentlichen Daten verweigert, verstößt gegen Transparenzpflichten. Für KI-Entwickler bedeutet das: „Geschäftsgeheimnis” schützt nicht mehr vor Offenlegungspflichten, wenn Nutzer nicht verstehen können, wie ihre Daten verwendet werden.

Die „Transparenz-Krise” 2026

Die Kombination aus DSA-Durchsetzung und DSGVO-Reform schafft für 2026 eine „Transparenz-Krise”.

„Wir erleben den Wandel von der ‚Benachrichtigung’ zur ‚Verständlichkeit'”, analysieren Rechtsexperten. „Es reicht nicht mehr, Nutzer zu informieren, dass Daten verarbeitet werden. Sie müssen es verstehen – und das Interface darf dieses Verständnis nicht untergraben.”

Deutsche Aufsichtsbehörden, traditionell streng bei Artikel 5, dürften die „Dark Pattern”-Standards sofort übernehmen. Auch die bei deutschen Verlagen beliebten „Pay-or-Consent”-Modelle geraten unter Druck. Nach den EDPB-Diskussionen steigen die Anforderungen an wirksame Einwilligungen drastisch.

Worauf sich Unternehmen einstellen müssen

Drei Entwicklungen werden 2026 prägen:

UX-Audits werden Rechtsaudits: Marketing und Design müssen künftig eng mit der Rechtsabteilung zusammenarbeiten. Jede Nutzeroberfläche ist potenzielle „täuschende Gestaltung” nach DSA/DSGVO.

Der Omnibus-Showdown: Im ersten Quartal 2026 entbrennt in Brüssel der Kampf um die neue Personal-Data-Definition. Bei Erfolg sinkt die Compliance-Last für pseudonymisierte Daten erheblich.

DSA trifft DSGVO: Die X-Strafe ist erst der Anfang. Regulierer werden künftig häufiger die harten DSA-Strafen (bis zu 6 Prozent des Weltumsatzes) nutzen, um Transparenzprinzipien der DSGVO durchzusetzen.

Das Fazit: Juristische Datenschutzerklärungen in Kleingedrucktem haben ausgedient. Der Standard für 2026 lautet operative Transparenz – klares Design, ehrliche Oberflächen und nachvollziehbare Datenflüsse.


Hinweis: Dieser Artikel bietet allgemeine Informationen und stellt keine Rechtsberatung dar. Unternehmen sollten ihre spezifischen Compliance-Pflichten mit ihrem Datenschutzbeauftragten klären.

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