Wien: Wohnbau zwischen Klimapionieren und Baukrise

Die Wiener Wohnbaulandschaft erlebt ein Wechselbad der Gefühle. Während innovative Klimaschutz-Projekte in Ottakring Fertigstellung feiern, kochen in Meidling die Emotionen um neue Nachverdichtungen hoch. Der Hintergrund: Mit nur 11.000 fertiggestellten Wohnungen erreicht 2025 einen historischen Tiefstand – der Fokus verschiebt sich von Quantität zu ökologischer Qualität.

Am 4. Dezember rückte ein neues Großprojekt im 12. Bezirk in den Fokus. Der Bauträger Walter Real Estate plant im Grätzl rund um die Arndtstraße fünf Wohnhäuser mit 129 Einheiten, Gewerbeflächen und Tiefgarage. Doch das “Quartier Anton” stößt auf massiven Widerstand.

Eine Petition „Arndtstraße begrünen und klimafit machen!” sammelte bereits über 500 Unterstützer. Der Konflikt: Während der Bauträger Begrünungsmaßnahmen verspricht, befürchtet der Verein „Wohnstraße Kollmayergasse” eine Überlastung der schmalen Gassen durch zusätzlichen Verkehr.

Besonders die geplanten Garagenzufahrten stehen im Kreuzfeuer. Sie kollidieren mit dem von der Bevölkerung gewünschten „Grünen Straßen-T” – einem Klimateam-Projekt zur Entsiegelung und Bepflanzung. Kann neuer Wohnraum ohne Lebensqualitätsverlust entstehen?

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Ottakring feiert das klimafitte Hippviertel

Harmonischer präsentierte sich die Lage Anfang der Woche in Ottakring. Am 1. Dezember konnte die Fertigstellung des klimafitten Hippviertels verkündet werden – ein Vorzeigemodell der Aktion „Raus aus dem Asphalt”.

Nach dem Klimaboulevard Thaliastraße wurden im angrenzenden Viertel umfangreiche Entsiegelungsmaßnahmen umgesetzt. Die Stadt setzt konsequent auf das Schwammstadt-Prinzip: Regenwasser wird lokal gespeichert, um Bäume zu bewässern und das Mikroklima zu kühlen. Die Fertigstellung markiert einen wichtigen Meilenstein, Bestandsquartiere an den Klimawandel anzupassen, ohne historische Bausubstanz zu gefährden.

Village im Dritten: Energie-Leuchtturm vor Vollendung

Auf den ehemaligen Aspanggründen nähert sich das “Village im Dritten” der Fertigstellung. Das Quartier soll Wohnraum für über 4.000 Menschen bieten – mit innovativem Energiekonzept.

Die ARE (Austrian Real Estate) erreichte bei ihren Mietwohnungsprojekten entscheidende Bauphasen wie die Dachgleiche. Das Herzstück: Eine nachhaltige Energieversorgung aus Erdwärmesonden, Photovoltaik und Fernwärme soll das Areal weitgehend klimaneutral versorgen. Die laufenden Arbeiten am 233-Einheiten-Projekt zeigen: Holz-Hybrid-Bau ist im großvolumigen Wiener Wohnbau endgültig angekommen.

Marktanalyse: Tiefpunkt mit Hoffnungsschimmer

Die aktuellen Zahlen bestätigen die düsteren Prognosen aus 2024:

• Rückgang der Fertigstellungen: Nur 11.000 bis 12.000 fertiggestellte Wohneinheiten im Gesamtjahr 2025 – ein drastischer Einbruch
• Gemeinnützige unter Druck: Auch der traditionell starke gemeinnützige Sektor verzeichnet Rückgänge
• Kostenfalle: Hohe Baukosten und Zinsen verzögerten oder verhinderten viele Projekte

Doch Experten sehen Licht am Ende des Tunnels. Die Baubewilligungen zeigen laut GBV-Obmann Klaus Baringer wieder „vorsichtig nach oben” – ein Indiz für Erholung ab 2026. Zudem greift die im Oktober beschlossene Erhöhung des Wohnbauförderungsbeitrags auf 0,75 %. Ab 2026 sollen zusätzliche Mittel den geförderten Wohnbau wieder ankurbeln.

Ausblick: Rothneusiedl als Klima-Pionierstadtteil

Während 2025 als Jahr der Konsolidierung in die Geschichte eingeht, richtet sich der Blick bereits auf die nächste große Stadterweiterung. In Rothneusiedl (Favoriten) konkretisieren sich die Pläne für den Klima-Pionierstadtteil.

Basierend auf dem Siegerentwurf „Grüner Ring” des Büros O&O Baukunst läuft aktuell die intensive Phase der Masterplan-Erstellung. Bis zu 21.000 Menschen sollen hier in einem energieautarken Stadtteil leben, umschlossen von einem breiten Grüngürtel.

Der Wiener Wohnbau durchlebt eine schmerzhafte Delle in der Quantität, nutzt diese Phase aber für einen qualitativen Sprung. Projekte wie das Hippviertel und das Village im Dritten beweisen: Nachhaltigkeit ist längst bauliche Realität – auch wenn im Quartier Anton noch um den besten Weg dorthin gerungen wird.

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