Urlaubsanspruch, Arbeitstage

Urlaubsanspruch: Arbeitstage statt Kalendertage – Urteil entlastet Schichtarbeiter

10.12.2025 - 02:11:12

Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass Urlaub nur für Tage mit Arbeitspflicht abgezogen werden darf. Die Praxis, Kalendertage zu berechnen, benachteiligt Schichtarbeiter und ist unwirksam.

Das Bundesarbeitsgericht stellt klar: Wer ohnehin frei hat, muss keinen Urlaub nehmen. Gerade pünktlich zur Jahresplanung rückt eine wegweisende Entscheidung aus Erfurt in den Fokus – mit direkten Folgen für Millionen Beschäftigte im Schichtdienst. Krankenhäuser, Rettungsdienste, Gastronomie: Überall dort, wo nicht nach starrem Montag-bis-Freitag-Schema gearbeitet wird, sorgt das Urteil 9 AZR 216/24 jetzt für Klarheit. Die Botschaft ist simpel – und doch brisant: Feiertage, an denen niemand zur Arbeit verpflichtet ist, dürfen nicht vom Urlaubskonto abgezogen werden.

Rechtsexperten und Personalabteilungen diskutieren seit dieser Woche intensiv die praktischen Auswirkungen. Denn während das Urteil bereits im August erging, zeigt sich die volle Tragweite erst jetzt zum Jahresende, wenn Resturlaubsansprüche abgerechnet werden.

Der Knackpunkt: Was zählt als Urlaubstag?

Im konkreten Fall hatte ein Rettungsdienstmitarbeiter gegen seinen Arbeitgeber geklagt. Der Grund: Das Unternehmen berechnete den Jahresurlaub nach Kalendertagen statt nach Arbeitstagen. Die Konsequenz war heikel: Mitarbeiter mussten formell Urlaub beantragen, selbst wenn sie an Feiertagen wie Weihnachten oder dem Tag der Deutschen Einheit laut Dienstplan gar nicht eingeteilt waren.

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Das BAG schob dieser Praxis einen Riegel vor. Die Erfurter Richter stellten unmissverständlich fest: Urlaubsanspruch bemisst sich ausschließlich nach Tagen mit tatsächlicher Arbeitspflicht.

„Die Berechnung des Urlaubsanspruchs und dessen Erfüllung hat auf Grundlage von Arbeitstagen zu erfolgen, nicht von Kalendertagen”, heißt es in der Urteilsbegründung. Besteht an einem Feiertag keine Arbeitspflicht – etwa weil der Tag ohnehin dienstfrei ist – darf kein Urlaubstag abgezogen werden.

Schichtmodelle unter der Lupe

Besonders relevant wird diese Klärung für Branchen mit wechselnden Dienstplänen. Ob Pflege, Produktion oder Gastronomie: Wo rund um die Uhr oder im Schichtsystem gearbeitet wird, verschwimmt oft die Grenze zwischen regulärem freiem Tag und Feiertag.

Die diese Woche veröffentlichten Analysen von Arbeitsrechtlern bringen es auf den Punkt: Keine Arbeitspflicht, kein Urlaubsabzug.

  • Fall A: Eine Mitarbeiterin ist am 25. Dezember (Feiertag) eingeteilt. Will sie frei haben, muss sie einen Urlaubstag nehmen – oder Überstunden abbauen.
  • Fall B: Ein Kollege hat am 25. Dezember laut Dienstplan ohnehin frei. Der Arbeitgeber darf in diesem Fall nicht einfach einen Urlaubstag streichen, um den Feiertag „abzudecken”.

Das Gericht betonte: Wer Urlaubstage für dienstplanfreie Feiertage abzieht, benachteiligt Beschäftigte systematisch. Der Zweck des Urlaubs ist die Freistellung von Arbeitspflicht – wo keine besteht, braucht es auch keine Freistellung.

Praxisschock in den Personalbüros

Obwohl das Urteil bereits im Spätsommer fiel, erreicht die Tragweite viele Unternehmen erst jetzt. Am 8. und 9. Dezember widmeten mehrere Fachportale und Podcasts – darunter das IWW Institut – der Entscheidung ausführliche Beiträge. Die Brisanz: Zahlreiche Arbeitgeber handhaben Urlaubskonten für Schichtarbeiter traditionell nach dem „Kalendertage-Prinzip”.

Wer bislang so verfuhr, steht nun möglicherweise vor einer aufwendigen Korrektur. Wurden 2025 Urlaubstage für dienstplanfreie Feiertage abgezogen, müssen die Konten nachträglich berichtigt werden. Arbeitsrechtler warnen: Arbeitsverträge oder Tarifverträge, die eine Kalendertagsberechnung zum Nachteil der Beschäftigten vorschreiben, verstoßen gegen das Bundesurlaubsgesetz und sind unwirksam.

Heiligabend und Silvester: Sonderfall bleibt Sonderfall

Das Urteil streift auch die Behandlung der „Vorfeiertage” – 24. und 31. Dezember. Diese gelten nicht als gesetzliche Feiertage, viele Tarifverträge (etwa der TVöD) regeln jedoch Freistellung.

Die Linie des BAG ist klar: Hier entscheidet der jeweilige Tarifvertrag oder Arbeitsvertrag. Das Grundprinzip gilt aber weiterhin: Urlaub ist Freistellung von Arbeitspflicht. Sieht ein Tarifvertrag vor, dass Beschäftigte am 24. Dezember ohne Urlaubsabzug freigestellt werden, besteht dieser Anspruch unabhängig von der Berechnungsmethode.

Was Beschäftigte jetzt tun sollten

Zum Jahresende empfiehlt sich für alle Schichtarbeiter ein kritischer Blick ins Urlaubskonto:

  • Dienstplan prüfen: Welche Feiertage 2025 waren ohnehin dienstfrei?
  • Abzüge kontrollieren: Wurden für diese Tage trotzdem Urlaubstage gestrichen?
  • Personalabteilung ansprechen: Bei Unstimmigkeiten bietet das Urteil 9 AZR 216/24 eine solide Argumentationsgrundlage.

Für Arbeitgeber bedeutet die Entscheidung: Lohnbuchhaltungssysteme müssen sauber zwischen Arbeitstagen und Kalendertagen unterscheiden. Andernfalls drohen teure Rechtsstreitigkeiten und der administrative Aufwand nachträglicher Korrekturen.

Auf dem Weg ins Jahr 2026 unterstreicht das Urteil: Gesetzlicher Urlaub dient der echten Erholung – und darf nicht durch künstliche Abzüge für Tage verwässert werden, die nie als Arbeitstage vorgesehen waren.

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