Stöger Automation: Gericht stärkt Betriebsrat in spektakulärem Arbeitskampf
28.12.2025 - 15:01:12Das Münchner Arbeitsgericht wies alle Anträge der Geschäftsführung ab und bestätigte den besonderen Kündigungsschutz für den Betriebsratsvorsitzenden. Der Ingenieur darf zurückkehren und erhält sein Gehalt nachgezahlt.
Ein Betriebsratsvorsitzender in Bayern darf nicht einfach entlassen werden – das hat das Münchner Arbeitsgericht in einem wegweisenden Urteil klargestellt. Der Richterspruch beendet vorerst einen monatelangen, bundesweit beachteten Konflikt bei Stöger Automation in Königsdorf, bei dem die Geschäftsführung mit harten Bandagen gegen die Mitarbeitervertretung vorging.
Klares Urteil gegen Entlassungsversuche
Das Münchner Arbeitsgericht hat alle Anträge der Geschäftsführung von Stöger Automation abgewiesen. Die Richter lehnten es ab, die Zustimmung des Gesamtbetriebsrats für eine außerordentliche Kündigung des Vorsitzenden zu ersetzen. Ebenso scheiterte der Antrag, den langjährigen Entwicklungsingenieur komplett aus seinem Amt zu entfernen.
Damit ist der Weg frei für die Rückkehr des Betriebsratschefs an seinen Arbeitsplatz. Das Gericht sah die vorgebrachten Gründe für eine Kündigung als nicht ausreichend an, um den besonderen Kündigungsschutz für gewählte Betriebsräte zu überwinden. Das Unternehmen muss den Ingenieur nun weiterbeschäftigen und auch sein Gehalt nachzahlen, das während des Streits ausgesetzt worden war.
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Mobilbüro im Wohnwagen als Symbol des Konflikts
Der Konflikt bei dem Hersteller von automatischen Schraubsystemen eskalierte im Spätsommer 2025. Nach einem Hausverbot gegen den Betriebsratsvorsitzenden im August richtete die IG Metall Weilheim vor den Werkstoren ein mobiles Büro in einem Wohnwagen ein. Vier Wochen lang führte der Vorsitzende seine Amtsgeschäfte von diesem „Caravan-Büro“ aus – ein deutliches Symbol für die Blockade der Mitarbeitervertretung.
Auslöser der Auseinandersetzungen waren betriebliche Veränderungen wie neue Schichtmodelle und Anpassungen bei der Kurzarbeit. Als der Betriebsrat auf sein Mitbestimmungsrecht pochte, um Lohnverluste für die Belegschaft zu verhindern, verschlechterte sich das Verhältnis zur Geschäftsfüktur rapide. Statt zu verhandeln, setzte das Management auf anwaltliche Schritte gegen den Vorsitzenden – eine Taktik, die die IG Metall als klassisches „Union Busting“ kritisiert.
IG Metall: „Destruktive Unternehmensstrategie“
Die Gewerkschaft übt scharfe Kritik an der Vorgehensweise des Familienunternehmens. „Die Ressourcen, die für Anwälte und Berater im Kampf gegen den Betriebsrat ausgegeben wurden, wären besser in die Unternehmensentwicklung investiert worden“, so die Einschätzung der IG Metall.
Karl Musiol, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Weilheim, betont den entstandenen Vertrauensverlust: „Diese aggressive Haltung hat der Unternehmenskultur und dem Zusammenhalt der Belegschaft erheblichen Schaden zugefügt.“ Die Gewerkschaft wirft dem Management vor, den Geist des Betriebsverfassungsgesetzes zu missachten.
Besonders problematisch sieht die IG Metall Versuche, Teile der Belegschaft – darunter Auszubildende und Führungskräfte – gegen den Betriebsratsvorsitzenden zu mobilisieren. Solche Spaltungstaktiken könnten nach Ansicht der Gewerkschaft jahrelange Nachwirkungen haben.
Signalwirkung für den deutschen Mittelstand
Der Fall Stöger Automation wird als Indikator für das Arbeitsklima im deutschen Mittelstand aufmerksam verfolgt. Das klare Urteil des Münchner Arbeitsgerichts stärkt die Position von Betriebsräten in ähnlichen Auseinandersetzungen. Es unterstreicht die hohen Hürden, die für eine Kündigung gewählter Mitarbeitervertreter überwunden werden müssen.
Die breite Solidarität der Gewerkschaftsbewegung – mit Besuchen von Landespolitikern und Unterstützung anderer Betriebsräte in der Region Oberland – zeigt die Bedeutung dieses Präzedenzfalls. Für andere Unternehmen dürfte er eine Warnung sein: Versuche, Mitbestimmungsrechte zu umgehen, können zu erheblichem Imageschaden und juristischen Niederlagen führen.
Wie geht es jetzt weiter?
Trotz des juristischen Sieges bleibt die Zukunft bei Stöger Automation ungewiss. Die Rückkehr des Betriebsratsvorsitzenden ist zwar rechtlich geklärt, doch das Vertrauensverhältnis zwischen Belegschaft und Management ist nachhaltig gestört. Schlichtungsgespräche, die zu Beginn des Konflikts bereits versucht wurden, könnten nun wieder aufgenommen werden müssen.
Das Unternehmen hat noch nicht öffentlich Stellung bezogen, ob es gegen das Urteil Berufung einlegen wird. Sollte es den Richterspruch akzeptieren, rücken die ursprünglichen Streitthemen – die Schichtmodelle und Vergütungsfragen – wieder in den Fokus.
Für die Belegschaft ist die Rückkehr ihres gewählten Vertreters ein wichtiges Signal. Die Polarisierung innerhalb des Unternehmens wird jedoch noch lange nachwirken. Die IG Metall hat ihre Bereitschaft signalisiert, eine Rückkehr zur sachlichen Zusammenarbeit zu unterstützen – vorausgesetzt, das Management akzeptiert das Mandat des Betriebsrats. Die kommenden Wochen werden zeigen, ob bei Stöger Automation wieder der für deutsche Industrieunternehmen typische „Sozialpartnerschaft“-Gedanke Einzug hält oder der juristische Grabenkampf weitergeht.
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