Steuerrecht: BMF reagiert auf BFH-Urteil zur Umkehr der Steuerschuldnerschaft
06.12.2025 - 10:30:13Das Bundesfinanzministerium hat auf die jüngste Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Umkehr der Steuerschuldnerschaft reagiert. Mit der offiziellen Veröffentlichung des BFH-Urteils V R 24/21 und der gleichzeitigen Verlängerung wichtiger Übergangsfristen sorgt die Verwaltung für Klarheit – und das nur wenige Wochen vor Jahresende. Besonders für Bauunternehmen und Steuerberater dürfte das aufatmen lassen.
Die Baubranche kennt das Problem zur Genüge: Jahrelang herrschte Unsicherheit darüber, wer am Ende die Umsatzsteuer zahlen muss, wenn die Umkehr der Steuerschuldnerschaft fehlerhaft angewendet wurde. Bauträger, die eigentlich nicht unter die Regelung fallen, hatten vielfach keine Steuern abgeführt – und die Finanzämter forderten diese dann nachträglich von den Bauunternehmen zurück. Ein Teufelskreis, der nun ein entscheidendes Kapitel weitergeschrieben bekommt.
Das BMF hat das im Januar 2024 verkündete BFH-Urteil V R 24/21 nun förmlich in den Umsatzsteuer-Anwendungserlass aufgenommen. Damit ändert sich das Berichtigungsverfahren für sogenannte Bauträgerfälle nach § 27 Abs. 19 UStG fundamental.
Worum geht es konkret? Der BFH stellte klar: Das Finanzamt darf einen Steuerbescheid nicht einfach zum Nachteil des leistenden Unternehmers – etwa eines Bauunternehmens – ändern, wenn dieser keinen abtretbaren Anspruch gegen den Leistungsempfänger (den Bauträger) auf Zahlung der Umsatzsteuer besitzt.
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„Das ist eine massive Entlastung für Bauunternehmen”, erklärt Dr. Thomas Müller, Steuerrechtsexperte aus Berlin. „Die Finanzbehörden können nicht mehr ohne weiteres Umsatzsteuerzahlungen von Bauunternehmen verlangen, wenn der entsprechende Anspruch gegen den Bauträger rechtlich nicht durchsetzbar oder gar nicht existent ist. Der BFH hat dem automatischen Steuer-Rückgriff ohne klaren Abtretungsweg einen Riegel vorgeschoben.”
Die wichtigsten Punkte des Urteils:
- Schutz der Leistenden: Die Berichtigungsbefugnis des Finanzamts nach § 27 Abs. 19 UStG ist begrenzt
- Bedingung der Abtretung: Eine nachteilige Korrektur ist nur rechtmäßig, wenn der Leistende tatsächlich einen abtretbaren Anspruch gegen den Empfänger besitzt
- Beweislast: Die Finanzverwaltung muss die zivilrechtliche Realität der Ansprüche zwischen den Parteien respektieren
Fristverlängerung bringt Planungssicherheit
Parallel zur Umsetzung des BFH-Urteils hat das Ministerium auf das nahende Auslaufen der Übergangsregelung zur Umkehr der Steuerschuldnerschaft reagiert. Die relevanten EU-Richtlinienbestimmungen und nationalen Regelungen liefen ursprünglich am 31. Dezember 2025 aus. Unternehmen drohte damit rechtliche Unsicherheit über die Fortführung der Reverse-Charge-Regeln für bestimmte Branchen.
Mit der Bestätigung der Verlängerung der Anwendung der Umkehr der Steuerschuldnerschaft hat das BMF für Kontinuität gesorgt. Diese Fristverlängerung stellt sicher, dass die aktuellen Regeln nach § 13b UStG über die Jahresgrenze 2025 hinaus gelten. Ein chaotisches Zurückfallen auf Standard-Besteuerungsregeln zum 1. Januar 2026 bleibt damit aus.
Die Verlängerung ist entscheidend für:
- Bauleistungen: Beibehaltung des Status quo für Subunternehmer
- Elektronik und Metalle: Fortsetzung von Betrugsverhinderungsmaßnahmen in risikoreichen Branchen
- Emissionszertifikate: Sicherer Handel ohne Umsatzsteuerbetrugsrisiken
Das Bauträger-Dilemma und seine Geschichte
Die „Bauträger-Problematik” beschäftigt das deutsche Steuerrecht seit über einem Jahrzehnt. Historisch betrachtet gingen Bauträger und Bauunternehmen davon aus, dass die Umkehr der Steuerschuldnerschaft auf ihre Geschäfte anzuwenden sei. Der BFH stellte jedoch später fest, dass Bauträger, die Immobilien verkaufen und die Bauleistungen nicht für eigene Bauleistungen verwenden, nicht steuerpflichtig sind. Die Steuerpflicht wanderte zurück zu den Bauunternehmen.
Der Gesetzgeber führte § 27 Abs. 19 UStG ein, um eine reibungslose Korrektur zu ermöglichen: Das Bauunternehmen sollte seine neue Umsatzsteuerschuld „bezahlen” können, indem es seinen Erstattungsanspruch gegen den Bauträger an das Finanzamt abtritt.
Doch die Praxis offenbarte Probleme. Was passiert, wenn Bauträger sich weigern zu zahlen oder Ansprüche bereits verjährt sind? Das neue BFH-Urteil, nun vom BMF angewandt, klärt: Wenn das Bauunternehmen keinen Anspruch zur Abtretung hat – etwa wegen zivilrechtlicher Einwände –, kann das Finanzamt nicht die Zahlung der Umsatzsteuer erzwingen.
„Die Anerkennung dieses Urteils durch die Verwaltung berücksichtigt die Geschäftsrealität”, so Müller. „Man kann Steuerschulden nicht mit Phantomansprüchen bezahlen. Dies stellt ein faires Gleichgewicht zwischen fiskalischem Interesse und Vertrauensschutz für Unternehmer her.”
Handlungsbedarf für Unternehmen
Mit nur noch wenigen Wochen bis Jahresende sollten Steuerberater und Unternehmen sofort aktiv werden:
Offene Fälle prüfen: Unternehmen, die in laufende Streitigkeiten bezüglich Bauträgerhaftung und § 27 Abs. 19 UStG verwickelt sind, sollten ihre Akten im Licht des BFH-Urteils V R 24/21 überprüfen. Wurde eine Abtretung von Ansprüchen zuvor abgelehnt oder forderte das Finanzamt trotz nicht existierender Ansprüche Zahlung, sollten Einsprüche eingereicht oder mit dem neuen BMF-Bezug untermauert werden.
Rechnungen für 2026 überprüfen: Mit der Bestätigung der Fristverlängerung für § 13b UStG können ERP-Systeme und Rechnungssoftware für die betroffenen Branchen weiterhin auf das Reverse-Charge-Verfahren konfiguriert bleiben. Eine sofortige Umprogrammierung auf „Rückkehr zur Standardbesteuerung” zum 1. Januar ist nicht erforderlich.
E-Rechnungspflicht beachten: Auch wenn sie vom Reverse Charge zu unterscheiden ist, überschneidet sich die ab Januar 2025 geltende verpflichtende B2B-E-Rechnung (mit Übergangsfristen) mit diesen Regelungen. Die korrekte Kennzeichnung von Reverse-Charge-Transaktionen in XRechnung- oder ZUGFeRD-Formaten ist essenziell, um eine automatisierte Ablehnung durch Empfänger zu vermeiden.
Das BMF wird voraussichtlich in Kürze den vollständigen Text des Verwaltungsschreibens im Bundessteuerblatt veröffentlichen. Dieser wird die finalen technischen Details zur Nichtbeanstandungsregelung für zurückliegende Zeiträume enthalten.
Hinweis: Dieser Artikel bietet allgemeine Informationen auf Grundlage aktueller Rechtsentwicklungen zum Stand 6. Dezember 2025. Er stellt keine Rechts- oder Steuerberatung dar. Unternehmen sollten sich bei ihren spezifischen Sachverhalten an qualifizierte Steuerberater wenden.
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