OLG Frankfurt: Geschäftsführer-Haftung für Betriebsrats-Vergütung verschärft
23.12.2025 - 17:23:12Ein Gerichtsurteil bestätigt, dass Geschäftsführer trotz der Betriebsverfassungsgesetz-Reform von 2024 für überhöhte Betriebsratsvergütungen haften und fristlos entlassen werden können.
Ein Geschäftsführer kann fristlos entlassen werden, wenn er überhöhte Zahlungen an Betriebsräte nicht verhindert. Das hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main in einer Grundsatzentscheidung bestätigt, die derzeit durch deutsche Vorstandsetagen geht. Das Urteil zeigt: Die gesetzliche Reform von 2024 bietet Managern keinen umfassenden Schutz vor Haftung.
Das Urteil: Kein Blindflug bei sensiblen Zahlungen
Im Zentrum des Falls stand der Geschäftsführer eines Wiesbadener Verkehrsbetriebs. Whistleblower hatten überhöhte Gehaltsstufen und Boni für mehrere Betriebsratsmitglieder aufgedeckt. Der Geschäftsführer argumentierte vor Gericht, er sei nicht direkt für Personalangelegenheiten zuständig gewesen und habe diese delegiert.
Das OLG Frankfurt ließ diese Verteidigung nicht gelten. Die Richter sahen in der Unterschrift unter die Gehaltsentscheidungen ohne ausreichende Prüfung einen groben Pflichtverstoß. „Blindes Vertrauen“ in nachgeordnete Abteilungen befreie einen Geschäftsführer nicht von seiner Aufsichtspflicht, besonders bei heiklen Compliance-Themen wie der Betriebsratsvergütung. Die fristlose Kündigung sei daher rechtens.
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„Dieses Urteil ist ein Weckruf“, kommentieren Rechtsanalysten. „Es bestätigt, dass ein Geschäftsführer auf eigene Gefahr handelt, wenn er Entscheidungen, die das Begünstigungsverbot verletzen, nur noch abnickt.“
Die Reform von 2024: Kein Freibrief für Nachlässigkeit
Die Entscheidung fällt rund anderthalb Jahre nach der umfassenden Reform des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) im Juli 2024. Der Gesetzgeber reagierte damit auf das „Volkswagen-Urteil“ des Bundesgerichtshofs (BGH), das Strafbarkeit wegen Untreue möglich machte.
Die Reform erlaubt es, in Betriebsvereinbarungen „vergleichbare Mitarbeitergruppen“ für die Betriebsratsvergütung festzulegen. Viele Manager hofften auf einen „Haftungsschild“. Das Frankfurter Urteil zeigt nun die Grenzen auf: Das Gesetz schafft einen Rahmen, billigt aber keine sachlich rechtswidrigen Zahlungen. Bleibt die Vergütung objektiv unverhältnismäßig, haftet der Geschäftsführer – unabhängig von internen Vereinbarungen oder Delegation.
Die doppelte Haftungsfalle: Zivilrecht und Strafrecht
Für Geschäftsführer entsteht eine gefährliche Zange aus zivil- und strafrechtlicher Haftung:
1. Zivilrecht: Risiko der fristlosen Kündigung und Schadensersatz bei Verletzung der Aufsichtspflicht (OLG Frankfurt).
2. Strafrecht: Risiko einer Verurteilung wegen Untreue (§ 266 StGB), wenn überhöhte Zahlungen aus Gesellschaftsmitteln genehmigt oder nicht gestoppt werden (BGH).
Rechtsexperten weisen darauf hin, dass der Vorsatz für eine Straftat zunehmend aus „leichtfertiger Unkenntnis“ abgeleitet werden kann. Wer eine Gehaltsfreigabe unterzeichnet, ohne deren Plausibilität zu prüfen, nimmt den finanziellen Schaden für das Unternehmen billigend in Kauf (dolus eventualis).
Konsequenzen für die Praxis: Audits und strengere Protokolle
Die Reaktionen in der Wirtschaft sind unmittelbar. Anwaltskanzleien raten Unternehmen dringend, ihre aktuellen Vergütungsstrukturen für Betriebsräte überprüfen zu lassen.
„Die Annahme, die Gesetzesänderung von 2024 habe das Problem gelöst, ist gefährlich“, warnt eine Analyse. „Führungskräfte müssen aktiv prüfen, ob die ‚vergleichbaren Mitarbeiter‘ zur Bemessung der Betriebsratsgehälter tatsächlich vergleichbar sind und nicht künstlich ausgewählt wurden, um überhöhte Bezüge zu rechtfertigen.“
Für 2026 zeichnen sich drei Trends ab:
* Verpflichtende Audits: Jährliche externe Überprüfungen der Betriebsratsvergütung zum Schutz des Managements.
* Strengere Freigabeprozesse: Geschäftsführer verweigern Unterschriften ohne ausdrückliche Rechtsfreigabe.
* Rückgriffsklagen: Mehr Unternehmen verklagen ehemalige Geschäftsführer auf Schadensersatz, wenn Steuerprüfungen überhöhte Zahlungen aufdecken.
Die Botschaft aus Frankfurt ist eindeutig: In der Chefetage ist Unwissenheit keine Entschuldigung – sie ist ein Kündigungsgrund.
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