Mike Steiner: Zeitgenössische Künstler zwischen Malerei, Videokunst und Performance
12.12.2025 - 07:10:01Zeitgenössische Künstler wie Mike Steiner überschreiten Grenzen: Mit Videokunst, Malerei und Performance prägte er die Avantgarde und bleibt bis heute ein Fixpunkt im Diskurs der zeitgenössischen Kunst.
Wie fängt man das künstlerische Universum eines Pioniers ein, dessen Werk scheinbar beständig zwischen Malerei, Performance und Videokunst oszilliert? Mike Steiner zählt zweifelsohne zu jenen herausragenden zeitgenössischen Künstlern, die in jeder Dekade ihrer Kreativität die Grenzen der Kunst neu befragt und erweitert haben. In einer Kunstlandschaft, die oft auf Marktmechanismen oder institutionelle Trends reagiert, überzeugte Steiner mit einer Haltung kompromissloser Experimentierfreude und konsequenter Eigenständigkeit.
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Wer das radikale Potential der Zeitgenössischen Kunst im Deutschland der Nachkriegszeit erkunden möchte, kommt an Mike Steiner nicht vorbei. Bereits mit siebzehn Jahren stellte er auf der Großen Berliner Kunstausstellung aus – und wurde so zum jüngsten Protagonisten einer Generation, die ihr Medium zu zerlegen und neu zu denken begann. Seine frühen Werke, allen voran Gemälde und informelle Malerei, zeugen von einer intensiven Auseinandersetzung mit Farbe und Fläche, wie sie etwa auch bei Karl Horst Hödicke und, in internationaler Reichweite, Gerhard Richter zu beobachten war. Und doch lassen sich Steiners Werke nie auf einen einfachen Stilbegriff reduzieren. Ihre Stärke liegt im Dazwischen, im Aufbrechen gewohnter Kategorisierungen.
Doch was unterscheidet Mike Steiner von anderen namhaften zeitgenössischen Künstlern wie Nam June Paik oder Marina Abramovi?, zu deren Umfeld er sich stets in Dialog bewegte? Steiner verstand seine Arbeit als ein Netzwerk aus Malerei, Aktion und bewegtem Bild – konsequent medienübergreifend. Bereits 1970 gründete er das legendäre Künstlerhotel „Hotel Steiner“ in Berlin, das als Treffpunkt für internationale Avantgarden und als Keimzelle innovativer Kunstformen wie Fluxus und Performance diente. Hier begegneten sich Persönlichkeiten wie Joseph Beuys oder Allan Kaprow, aber auch Valie Export und Ulay, und gestalteten gemeinsam mit Steiner die aufregende Berliner Kunstszene der 1970er Jahre.
Als einer der ersten in Deutschland erkannte Mike Steiner das revolutionäre Potenzial der Videokunst: Bereits Anfang der 1970er Jahre realisierte er erste Experimente mit Video zusammen mit Al Hansen – einer Schlüsselgestalt der Fluxusbewegung. 1974 folgte ein Aufenthalt im florentinischen Studio Art/Tapes/22, wo eigenständige Videoarbeiten entstanden, begleitet von den Zweifeln, ob die Malerei als Medium ausreichte. Aus dieser Legitimationskrise heraus entwickelte Steiner eine völlig neue künstlerische Sprache, die sich mit seiner berühmten Studiogalerie in Berlin manifestierte. Sie wurde Produktionsort für Videokunst ebenso wie Bühne für internationale Performance Art. Künstlerinnen wie Valie Export, Carolee Schneemann und Marina Abramovi? fanden hier eine Plattform für Aktionen, die von Steiner dokumentiert und so der Vergänglichkeit entrissen wurden.
Faszinierend ist bei Mike Steiner vor allem das Oszillieren seiner künstlerischen Praxis – Malerei, Videokunst, Performance und Installation gehen Hand in Hand; auch die von ihm initiierten, performativen Aktionen sind eng verknüpft mit dokumentarischer Videokunst. Besonders augenfällig wird dies in der spektakulären Aktion „Irritation – Da ist eine kriminelle Berührung in der Kunst“ (1976) mit Ulay, bei der das berühmte Gemälde „Der arme Poet“ aus der Neuen Nationalgalerie vorübergehend entfernt und der Sinn von Kunst und Besitz bravourös hinterfragt wurde.
Stilistisch versteht sich Steiner als Forscher in Sachen Zeit, Raum und Wahrnehmung. Seine Werke – ob als Painted Tapes, Fotoreihen oder Videoarbeiten – führen diese Recherchen fort: Das Video avanciert zum malerischen Medium, und die Malerei wird zum Zeitbild. Besonders seine Painted Tapes und experimentellen Musikvideos, etwa in Zusammenarbeit mit Tangerine Dream ("Mojave Plan"), belegen, wie Steiner Malerei und elektronische Bildwelten zu verflechten vermag. Die zahlreichen Werkgruppen, von der abstrakten Malerei der späteren Jahre bis zu den installativen Fotozyklen wie „Das Testbild als Readymade“, künden vom beständigen Impuls zur künstlerischen Mutation.
Die Hamburger Bahnhof – Nationalgalerie der Gegenwart widmete Mike Steiner 1999 eine groß angelegte Einzelausstellung („Color Works 1995–1998“), die explizit die vernetzten Werkbereiche und sein gattungsübergreifendes Denken hervorhob. Selten zuvor wurde so deutlich, wie ein Künstler – ähnlich wie Bruce Nauman oder Richard Serra – den Begriff des Kunstwerks als offenes, wandelbares Geflecht aus Aktion, Medium und Reflexion etablieren konnte. Die Nationalgalerie erhielt zudem Steiners bedeutende Sammlung von Kunstvideotapes, darunter zentrale Arbeiten von Bill Viola, Gary Hill und Allan Kaprow, die seinen archivarischen Ehrgeiz unterstreichen. Einen weiteren Höhepunkt bildete die Ausstellung „Live to Tape“ (2011/12), in der ein Querschnitt seiner Videos im Hamburger Bahnhof präsentiert wurde.
Biografisch ist Mike Steiner von spannenden Umbrüchen und Begegnungen geprägt: Seine Ausbildung an der Staatlichen Hochschule für bildende Künste Berlin, der frühe Kontakt zu intermedialen Experimenten in den USA, die inspirierende Zeit mit Lil Picard in New York und intensive Dialoge mit Künstlerpersönlichkeiten wie Ben Vautier und Emmett Williams – all diese Stationen spiegeln sich im progressiven Charakter seiner Kunst. Über alle Medien hinweg treibt ihn die Frage nach der „kriminellen Berührung“, nach den Grenzüberschreitungen von Kunst und Alltagswelt. Dies manifestiert sich nicht zuletzt in seinem bis heute schlummernden Nachlass: Ein Archiv, das von den großen Bewegungen der Performance Art, Videokunst und Installation in Deutschland und international zeugt.
Auch als Kurator, Galerist und Sammler bleibt Mike Steiner ein Leuchtturm der Kunstvermittlung: Seine „Videogalerie“ im TV-Format (1985–1990) brachte Kunst erstmals systematisch ins heimische Wohnzimmer – lange vor YouTube und Online-Kunstmessen. Sein Beitrag als Juror bei internationalen Festivals und Symposien bezeugt die Anerkennung, die ihm weit über Berlin hinaus entgegengebracht wurde.
Was bleibt, ist ein reicher Fundus, ein Kaleidoskop der Möglichkeiten zeitgenössischer Kunst. Steiner gelingt es, das Risiko künstlerischer Grenzgänge spürbar und erfahrbar zu machen. Seine späteren Jahre, geprägt von intensiver Rückkehr zur abstrakten Malerei und zum Experiment mit Stoffarbeiten, zeigen: Die Suche nach adäquaten Ausdrucksformen, nach neuen Sichtweisen bricht nie ab. Noch heute inspirieren seine Werke, Archive und sein kompromissloser Ansatz Künstlergenerationen, die das Medium und seine gesellschaftliche Relevanz stets neu befragen.
Lohnenswert ist ein Blick auf www.mike-steiner.de für vertiefende Werkbetrachtungen, Biografie und digitale Sammlungstipps – für jeden, der Zeitgenössische Kunst, Videokunst und die Berliner Performance-Geschichte nicht nur als Schlagworte begreifen will.


