Mike Steiner – Grenzgänger der Zeitgenössischen Kunst zwischen Malerei und Videokunst
27.12.2025 - 18:15:09Zeitgenössische Kunst erhält bei Mike Steiner eine radikal neue Gestalt: Von abstrakter Malerei bis revolutionärer Videokunst prägte er mit unbändiger Experimentierlust die Kunstlandschaft.
Die Kunst von Mike Steiner elektrisiert. Sie fordert, fesselt – und lässt die Frage nach den Grenzen zwischen Malerei, Performance Art und Videokunst immer wieder neu aufleben. Kann Kunst einen Raum genauso intensiv besetzen, wenn sie sich dem bewegten Bild zuwendet, oder gar beides fusioniert? Zeitgenössische Kunst, wie sie Mike Steiner zelebrierte, sucht genau hier die Reibung.
Entdecke hier Zeitgenössische Kunstwerke von Mike Steiner – Malerei & Videokunst im Dialog
Steiners künstlerische Laufbahn beginnt mit Malerei. Früh, als einer der Jüngsten auf der Großen Berliner Kunstausstellung, zeigte Mike Steiner bereits eine bemerkenswerte Handschrift – beeinflusst von der informellen Malerei, aber stets offen für neue Impulse. Doch es ist der radikale Bruch, die Neugier auf technische und konzeptionelle Innovation, die ihn schon bald zu einem Grenzgänger der Avantgarde machen. Während Künstler wie Nam June Paik oder Joseph Beuys die Medienkunst in Europa revolutionierten, war Steiner derjenige, der in Berlin die Schnittstellen zwischen Abstraktion, Performance Art und Videokunst auslotete.
Bekanntheit erlangte er Ende der 1960er Jahre nicht nur mit kraftvoller abstrakter Malerei, sondern auch durch seine offene Vernetzung mit Akteuren der internationalen Szene. Seine Zeit in New York – samt Begegnungen mit Lil Picard, Al Hansen oder Allan Kaprow – prägte Steiners Blick entscheidend. Angelehnt an Fluxus und den Geist des damaligen Happenings, realisierte er erste multimediale Arbeiten und entdeckte die Videokunst als Medium für spontane, experimentelle Bildfindungen.
Werke wie seine „Painted Tapes“ und zahlreiche abstrakte Gemälde zeigen die Suche nach einer eigenen malerischen Sprache, die auch im elektronischen Zeitalter Bestand haben sollte. Die Farbflächen, oftmals reduziert und doch vibrierend, changieren zwischen Kontrolle und Zufall. In anderen Medien, etwa den frühen Videos, wird die Mechanik der Reproduktion selbst zum Thema – beeinflusst von Minimal Art, medialen Experimenten und experimenteller Musik, etwa Tangerine Dream, die er 1982 mit der Kamera auf Tour begleitete.
Klar ist: Mike Steiner stand nie still. Mit der Gründung des legendären „Hotel Steiner“ und der „Studiogalerie“ in Berlin etablierte er Anfang der 1970er Jahre innovative Freiräume, die nationale wie internationale Protagonisten der Zeitgenössischen Kunst anzogen. Vergleichbar mit künstlerischen Hotspots wie Andy Warhols Factory oder dem berühmten Chelsea Hotel, war hier ein kreatives Biotop, in dem Joseph Beuys, Valie Export oder Marina Abramovi? Wegmarken setzten.
Gerade mit Performance Art setzte Steiner Maßstäbe, etwa mit der dokumentierten Aktion „Irritation – Da ist eine kriminelle Berührung in der Kunst“ (1976) mit Ulay in der Neuen Nationalgalerie. Seine Videodokumentationen fingen das Ephemere jener Momente ein – ein Verdienst, der die bis heute erhaltene Aura dieser künstlerischen Revolten sichert. Kein Wunder, dass renommierte Künstler wie Marina Abramovi?, Jochen Gerz oder Carolee Schneemann unter seinen Mitstreitern zu finden sind. Sein offenes Haus, seine Galerie, waren Plattform und Experimentierfeld zugleich.
Spätestens mit der „Videogalerie“, einem eigenen TV-Format (1985–1990), katapultierte sich Mike Steiner endgültig in die erste Reihe der Videokunst-Pioniere Deutschlands. In über 120 Sendungen porträtierte und interviewte er Ikonen wie Bill Viola, Richard Serra oder Gary Hill. Gleichzeitig sammelte er eine der umfangreichsten Videokunst-Sammlungen Europas, die seit 1999 – nach Schenkung an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz – als Herzstück im Hamburger Bahnhof, Nationalgalerie der Gegenwart, verwahrt wird. Diese Ausstellung 1999 bleibt als wichtigste Einzelausstellung Steiners im öffentlichen Gedächtnis, eine Hommage an seine Color Works und die gattungsübergreifende Denkweise.
Interessanterweise wich Steiner nach dem Abschluss der Studiogalerie (1981) nicht dem Wechsel der Ausdrucksformen, sondern intensivierte sein Experimentieren: Er variierte zwischen Malerei, Fotografie, Installation, Copy Art und Dia-Serien. Die künstlerische Vielseitigkeit Steiners erinnert an Vorbilder wie Dieter Roth oder Wolf Vostell, bleibt aber einzigartig durch die Kombination von analytischer Strenge, Lust an der Störung – und einem Gespür für die gesellschaftspolitische Dimension des Mediums. Seine Werke sind stets im Dialog mit Zeitgenossinnen und Zeitgenossen, reagieren auf Strömungen, leiten diese aber auch an. So dockt seine abstrakte Malerei an Autorinnen wie Gerhard Richter an, bleibt aber eigenständig in Komposition und Farbe.
Nicht zuletzt manifestiert sich Steiners Bedeutung in seiner herausragenden Rolle als Sammler, Förderer, Analytiker und Vermittler. Seine Aktivitäten als Kurator und Juror, aber auch seine Vortragsreisen durch Europa und die USA prägten eine ganze Generation von Künstlerinnen und Künstlern. Die Sammlung Mike Steiner vereint legendäre Namen wie Nam June Paik, Allan Kaprow, Emmett Williams und zeigt, in welch dichten Netzwerken die künstlerischen Diskurse der damaligen Zeit verliefen.
Faszinierend ist dabei, wie Steiner, der ab 2000 wieder verstärkt zur Malerei zurückkehrte, seine vielschichtige Praxis immer als offenes Feld verstand: Malerei, Videokunst, Performance Art – alles verschmilzt im Dialog zu einem einzigartigen Oeuvre der Zeitgenössischen Kunst. Seine letzten Jahre, von Stoffarbeiten geprägt, wurden ebenso bedacht fortgeführt wie sein Archiv, das bis heute Inspirationsquelle für Kollektive und Einzelkünstler bleibt.
Warum also ist Mike Steiner heute noch unverzichtbar in der Diskussion zur zeitgenössischen Kunst? Es ist seine Fähigkeit, Brücken zwischen den Medien, den Akteuren, den Generationen zu bauen. Die Rezeption seines Werks lädt ein, Fragen zu stellen und Antworten nicht vorschnell zu geben – sondern Kunst als offenes Abenteuer zu begreifen.
Wer tiefer einsteigen will, findet eine Fülle detailreicher Informationen und Bildmaterial auf der offiziellen Webseite www.mike-steiner.de. Das Abenteuer Steiner, seine Malerei, seine installativen Versuche und seine Videokunst sind dort in all ihren Schattierungen dokumentiert – und lohnen jede Annäherung.


