Jahresabschluss 2024: Zinswende entlastet Unternehmen bei Pensionen
16.12.2025 - 12:29:12Die Bilanzierung von Rückstellungen steht vor einem historischen Wendepunkt. Während deutsche Unternehmen ihren Jahresabschluss für 2024 vorbereiten, sorgt eine umgekehrte Zinsdynamik für Entlastung – doch neue Gesetze und Standards fordern die Finanzabteilungen heraus.
Die auffälligste Neuerung betrifft die Pensionsrückstellungen. Nach aktuellen Prognosen von Aktuaren wie Longial und Magnus GmbH wird der für die Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) maßgebliche 10-Jahres-Durchschnittszins zum 31. Dezember 2024 auf etwa 1,90 % steigen. Der für die Bilanz und die Ausschüttungssperre relevante 7-Jahres-Zins klettert sogar auf 1,96 bis 1,97 %.
Viele Unternehmen unterschätzen die Risiken bei der Bildung von Rückstellungen — von Pensionszusagen bis zu Drohverlusten. Gerade mit der neuen BBG von 8.050 € und geänderten Zinsannahmen (10‑Jahres‑Durchschnitt 1,90 %, 7‑Jahres‑Zins 1,97 %) können falsche Rückstellungsentscheidungen zu Nachzahlungen oder Betriebsprüfbeanstandungen führen. Unser kostenloses E‑Book “Rückstellungen und Gestaltungsspielraum” zeigt die 28 häufigsten Rückstellungen, Checklisten für ungewisse Verbindlichkeiten und Fallstricke bei Pensionszusagen. Jetzt kostenlosen Rückstellungs-Guide herunterladen
Das ist eine kleine Sensation: Erstmals seit Einführung der Zehn-Jahres-Durchschnittsregel liegt der Sieben-Jahres-Zins höher. Was bedeutet das konkret?
- Keine Ausschüttungssperre: Da der 7-Jahres-Zins nun über dem 10-Jahres-Zins liegt, entfällt die rechnerische Differenz, die bisher oft eine Dividenden-Sperre nach sich zog. Unternehmen können ihre Gewinne damit freier ausschütten.
- GuV-Effekt schwächt sich ab: Der steigende 10-Jahres-Zins drückt weiter den Buchwert der Pensionsverpflichtungen und kann Zinserträge generieren – allerdings weniger stark als in den Vorjahren mit hoher Inflation.
- BBG-Anstieg als Belastung: Ein Warnsignal ist der Sprung der Beitragsbemessungsgrenze (BBG) in der Sozialversicherung auf 8.050 Euro ab Januar 2025. Für dynamische Pensionszusagen muss diese künftige Belastung bereits in der Bilanz per 31.12.2024 berücksichtigt werden und die Rückstellungen erhöhen.
Jahressteuergesetz 2024: Klarheit für Verluste und Abschreibungen
Das Jahressteuergesetz 2024 (JStG 2024) trat am 5. Dezember in Kraft und bringt wichtige steuerliche Erleichterungen.
- Verlustverrechnung bei Termingeschäften: Die umstrittene Begrenzung des Verlustabzugs bei Futures-Geschäften auf 20.000 Euro wurde gestrichen. Die Regelung gilt rückwirkend. Steuerrückstellungen, die für mögliche Nachzahlungen gebildet wurden, können nun aufgelöst werden – das verbessert die steuerliche Lage.
- Degressive Abschreibung verlängert: Für bewegliche Wirtschaftsgüter, die zwischen April und Dezember 2024 angeschafft wurden, gilt weiterhin die degressive Abschreibung. Das vergrößert die temporären Differenzen zwischen Handels- und Steuerbilanz und beeinflusst die Bildung latenter Steuern.
Neue IDW-Standards: Partnerschaften und Nachhaltigkeit
Das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) hat kurz vor Jahresende neue Prüfungsstandards verabschiedet.
- Bilanzierung von Personengesellschaften: Der neue Standard IDW RS FAB 7 regelt die Bilanzierung von Personenhandelsgesellschaften und klärt die Behandlung von Kapitalkonten und Abfindungsrückstellungen. Er sorgt für die Anpassung an das modernisierte Partnerschaftsrecht (MoPeG).
- Nachhaltigkeit wird bilanzrelevant: Mit der EU-Berichtspflicht CSRD/ESRS, die für große kapitalmarktorientierte Unternehmen erstmals für das Geschäftsjahr 2024 gilt, rücken Umweltrisiken in den Fokus. Ob frühere Eventualverbindlichkeiten – etwa für Renaturierungsmaßnahmen – nun als volle Rückstellung zu bilanzieren sind, muss streng geprüft werden. Die Nachhaltigkeitsberichte und die Bilanz müssen hier konsistent sein.
Inflation belastet weiter Sachleistungs-Verpflichtungen
Die Kerninflation sinkt, doch die Preisniveaus für Dienstleistungen und Energie bleiben hoch. Das wirkt sich direkt auf zwei Arten von Rückstellungen aus:
- Sachleistungsverpflichtungen: Für Garantie- oder Rückbauverpflichtungen muss der künftige Erfüllungsbetrag geschätzt werden – inklusive realistischer, unternehmensspezifischer Inflationsannahmen. Pauschale Sätze genügen nicht mehr.
- Drohverlustrückstellungen: Langfristige Lieferverträge mit Festpreisen können durch die volatile Marktentwicklung „unter Wasser“ geraten. Drohen daraus Verluste, muss eine Rückstellung nach HGB gebildet werden. In der Steuerbilanz bleiben diese Rückstellungen jedoch verboten, was zu aktiven latenten Steuern führt.
Ausblick: Das sollten Finanzabteilungen jetzt tun
Die Zinswende bringt Luft bei den Dividenden, doch der regulatorische Druck wächst. Experten raten, die verbleibenden Dezember-Tage zu nutzen:
- Pensionsberechnungen aktualisieren: Aktuarielle Gutachten müssen mit den finalen Zinsprognosen (1,90 % / 1,97 %) neu gerechnet werden.
- Steuerrückstellungen prüfen: Rückstellungen aus der alten Futures-Regelung können aufgelöst werden.
- CSRD-Dokumentation vorbereiten: Die Schnittstelle zwischen bilanziellen Umwelt-Rückstellungen und den Angaben im Nachhaltigkeitsbericht muss sauber dokumentiert sein.
Die Bilanzierung für 2024 wird damit zur Gratwanderung zwischen Entlastung und neuen, komplexen Anforderungen.


